Olga Kovalkova
AP/Evgeniy Maloletka
Weißrussland

Prominente Oppositionelle festgenommen

Inmitten der Massenproteste in Weißrussland gegen den autoritären Langzeitstaatschef Alexander Lukaschenko hat die Sonderpolizei OMON zwei prominente Anführer der Demokratiebewegung festgenommen. Olga Kowalkowa und Sergej Dylewski seien in Minsk in einen Gefangenentransporter gesteckt worden, teilte die Opposition am Montag mit.

Die Behörden bestätigten die Festnahme. Der Grund war unklar. Lukaschenko hatte mehrfach gedroht, den Koordinierungsrat der Opposition zu zerschlagen. Er erklärte das Gremium, das einen Dialog mit dem Machtapparat anstrebt, für illegal. Kowalkowa und Dylewski arbeiten im Präsidium des Koordinierungsrates.

Die Gründung des Rates hatte die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja angeregt. Die Opposition sieht die 37-Jährige als Siegerin der Präsidentenwahl vom 9. August. Dagegen hatte sich Lukaschenko unter undemokratischen Bedingungen zum sechsten Mal als Staatschef ausrufen lassen – mit 80 Prozent der Wählerstimmen.

Sviatlana Tsikhanouskaya
AP/Mindaugas Kulbis
Die Oppositionsführerin Tichanowskaja gründete den Koordinierungsrat

Das Gremium mit Vertretern der Zivilgesellschaft bemüht sich um einen friedlichen Machttransfer in der Ex-Sowjetrepublik nach 26 Jahren mit Lukaschenko im Amt des Präsidenten. Prominentestes Mitglied ist die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch.

Tichanowskaja wollte auf Dialog setzen

Die ins Exil gegangene Tichanowskaja setzte eigentlich trotz Repressalien gegen Regierungsgegner auf Dialog im Machtkampf in Minsk. Sie hoffe, dass Gespräche mit der Führung bald in Gang kämen, sagte sie der polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“ in einem am Montag veröffentlichten Interview. Dazu solle der Koordinationsrat Ansprechpartner dienen. Vorbedingung für die Gespräche sei jedoch die Freilassung von politischen Gefangenen.

Der Regierungsapparat wirft dem von Tichanowskaja mitbegründeten Rat allerdings vor, illegal die Macht ergreifen zu wollen. Tichanowskaja schloss in dem Interview erneut aus, dass sie nochmals um die Präsidentschaft kandidieren werde, falls es zu Neuwahlen komme. Ihr Mann würde dann aber wohl antreten, fügte sie hinzu.

Zehntausende auf der Straße

Seit mehr als zwei Wochen gibt es in dem Land Proteste und Streiks in den Staatsbetrieben gegen Lukaschenko. Am Sonntag waren nach Schätzungen unabhängiger Medien mehr als 200.000 Menschen auf den Straßen in Minsk, um seinen Rücktritt zu fordern. Das Innenministerium gab die Zahl dagegen mit maximal 20.000 an.

Alexander Lukashenko
AP/State TV and Radio Company of Belarus
Lukaschenko zeigte sich in der Öffentlichkeit zuletzt mit schusssicherer Weste

Lukaschenko sagte bei einer Sitzung vor Beginn des neuen Schuljahres der Staatsagentur BelTA zufolge, dass alle Lehrer und Lehrerinnen, die ihn nicht unterstützten, entlassen werden sollen. Er hatte immer wieder Beschäftigten im Staatsdienst mit Kündigung und Entzug ihrer Lebensgrundlage gedroht, sollten sie die Proteste unterstützen.

Mehrere Pädagogen, aber auch Angehörige der Sicherheitsdienste und Beschäftigte im Außenministerium sowie etwa Journalisten bei den Staatsmedien haben sich bereits öffentlich von Lukaschenko abgewendet – teils in Videobotschaften. Der Staatschef hatte im Fall der Journalisten gesagt, dass die Konkurrenz groß sei. Er bestellte sich aus dem Nachbarland Russland Korrespondenten der Staatsmedien.

Kreml sieht Rat als Russland-Feinde

Der Kreml attestierte dem Koordinierungsrat unterdessen eine gewünschte Abkehr des Landes von Russland. In einigen Dokumenten des Gremiums sei „der Schwerpunkt auf das Abnabeln von Russland gelegt“ worden, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau der Agentur Interfax zufolge.

„Der Kreml neigt zu Politikern in Weißrussland, die für eine Kooperation mit Russland sind“, so Peskow. Zu den Demonstrationen sagte Peskow: „Wir können feststellen, dass es keine Provokationen seitens der Demonstranten gab.“ Zugleich sei der Kreml aber „besorgt“ über die anhaltende direkte und indirekte Einmischung von außen in die Angelegenheiten von Weißrussland. „Wir halten das für inakzeptabel.“ Wen genau der Kreml damit meint, sagte Peskow nicht.

Außenministerium fordert Freilassung

Das österreichische Außenministerium forderte „die sofortige Freilassung“ der weißrussischen Oppositionellen Kowalkowa und Dylewski. Es sei „höchst an der Zeit, endlich in Gespräche mit der Opposition einzutreten und das Klima nicht weiter durch Gewalt, Verhaftungen und Vergeltungsmaßnahmen gegen Streikende zu vergiften“, appellierte das Wiener Außenamt an die Regierung von Lukaschenko.