Frau mit Maske in einem Geschäft
APA/Helmut Fohringer
Coronavirus im Herbst

Wo das Ansteckungsrisiko am größten ist

Österreich hat in den vergangenen Wochen einen deutlichen Anstieg der täglichen Coronavirus-Neuinfektionen verzeichnet. Mit Blick auf den Herbst fragen sich viele, wie sie sich am besten vor dem Erreger schützen können. In geschlossenen Räumen ist das Ansteckungsrisiko prinzipiell am größten – aber nicht in jedem Setting besteht die gleiche Gefahr.

Hauptübertragungsweg des neuartigen Coronavirus ist die Tröpfcheninfektion. Flüssigkeitspartikel mit infektiösem Virus werden beim Atmen, Sprechen, Husten und Niesen ausgestoßen und von anderen über die Atemorgane aufgenommen. Laut der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) passiert die Übertragung meist bei längerem (mindestens 15 Minuten), direktem Kontakt mit unter einem Meter Abstand, beim Reden, Singen und Schreien.

Das erklärt, warum Lokale, Bars und Diskotheken zu CoV-Hotspots werden können. In Ischgl verbreitete sich das Virus in Apres-Ski-Bars, und erst jüngst schaffte es eine Bar im Süden Kroatiens in die Schlagzeilen, in der sich zahlreiche Urlauberinnen und Urlauber mit dem Virus ansteckten. Lüften ist in vielen Bars und Diskotheken bei vollem Betrieb unmöglich, hinzu kommen der enge Kontakt der Gäste und eine Geräuschkulisse, in der man sich oftmals nur durch Schreien bzw. lautes Reden verständigen kann.

Kellner im Cafe Landtmann
Reuters/Lisi Niesner
Kellner mit Maske im Kaffeehaus: Der Herbst wird eine Herausforderung

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erteilte der Wiedereröffnung der Nachtgastronomie vergangene Woche in der ZIB2 bereits eine klare Absage. In Sachen Indoor-Veranstaltungen arbeite man gerade an Standards für den Herbst und Winter, sagte Anschober, aber: „Ein Opernball oder Ballveranstaltungen bis in die Morgenstunden (…) werden sehr schwierig möglich sein.“

Temperatur und Luftfeuchtigkeit als Faktoren

Sind die Flüssigkeitspartikel kleiner als fünf Mikrometer, wird in der Medizin meist von Aerosolen gesprochen. Diese winzigen Teilchen können ebenfalls infektiöses Material transportieren. CoV-Infektionen durch Aerosole sind wissenschaftlich nachgewiesen, etwa bei Coronavirus-Ausbrüchen in großen Fleischereibetrieben.

Bei längerem Aufenthalt in kleinen, schlecht oder nicht belüfteten Räumen könne sich die „Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als zwei Meter erhöhen“, schreibt das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI). Das sei insbesondere der Fall, wenn eine infektiöse Person „besonders viele kleine Partikel (Aerosole) ausstößt und exponierte Personen besonders tief einatmen“.

„Je kleiner die Tröpfchen, desto länger schweben sie“

Beim Sprechen, Husten und Niesen können sich kleine Aerosolwolken bilden, die im Gegensatz zu den größeren Tröpfchen weiter fliegen können. „Je kleiner die Tröpfchen sind, desto länger schweben sie in der Luft“, sagte die Virologin Judith Aberle von der MedUni Wien gegenüber ORF.at.

Im Herbst und Winter spielt sich das Leben in geschlossenen Innenräumen ab. Wie sich Aerosole in diesen Räumen verbreiten, hängt von Faktoren wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit ab. „Wenn die Luftfeuchtigkeit in der Heizperiode sinkt, schrumpfen die Tröpfchen und bleiben länger in der Luft. Daher ist regelmäßiges Lüften eine wichtige Maßnahme in geschlossenen Räumen, wo sich viele Leute aufhalten“, so die Virologin.

Geringeres Risiko in „Öffis“

Im Herbst und Winter viel frequentiert sein werden öffentliche Verkehrsmitteln. Aus anderen Ländern wurden Fälle gemeldet, in denen Menschen in Autobussen infiziert wurden. Neue Studien legen allerdings nahe, dass das Ansteckungsrisiko in den „Öffis“ geringer sein könnte als bisher befürchtet.

Mann mit Schutzmaske desinfiziert eine U-Bahn in Peking
APA/AFP
In U-Bahnen und öffentlichen Verkehrsmitteln könnte das Ansteckungsrisiko geringer sein als bisher befürchtet

Bei Untersuchungen in Paris und Tokio konnten keine Infektionscluster gefunden werden, die ihren Ausgang in öffentlichen Verkehrsmitteln nahmen. Auch in Österreich habe es bisher keine Ausbrüche gegeben, die auf öffentliche Verkehrsmittel zurückzuführen sind, sagte AGES-Chefepidemiologe Franz Allerberger in der Vorwoche in der ZIB2. Als Grund vermutet er, dass in der U-Bahn und dem öffentlichen Autobus im Regelfall nicht über 15 Minuten in engem Abstand miteinander gesprochen wird.

Doch wie lässt sich ausschließen, dass sich eine Person nicht vielleicht doch in der Schnellbahn angesteckt hat und beim Contact-Tracing durchgerutscht ist? „Wir haben nicht die Masse an Patienten, bei denen wir nicht wissen, wo sie herkommen“, sagte Allerberger gegenüber ORF.at. Nur wenige Fälle hätten sich zunächst nicht zuordnen lassen. Nach RNA-Untersuchungen konnten aber auch sie laut Allerberger mit bereits bekannten Clustern in Verbindung gebracht werden.

Passagiere in einem Flugzeug
Reuters/Francois Lenoir
Deutsche Fachleute nahmen das Ansteckungsrisiko im Flugzeug unter die Lupe

Auch im Flugzeug könnte die Ansteckungsgefahr weniger drastisch sein als von vielen Reisenden befürchtet. Das legt eine aktuelle deutsche Studie nahe. Ein Forschungsteam der Uniklinik Frankfurt am Main hatte für seine Untersuchung alle Passagiere eines Fluges kontaktiert, in dem eine Gruppe infizierter Touristen saß. Das Ergebnis: Die mindestens sieben vorab Infizierten steckten nur zwei weitere Passagiere nachweisbar an – mehr dazu in science.ORF.at.

Studie: Maske schützt auch Träger

Um gut durch den Herbst zu kommen, sind laut Gesundheitsminister Anschober unterdessen vier Mittel von entscheidender Bedeutung: Hygiene, das Einhalten von Abstandsregeln, die Grippeimpfung und der Mund-Nasen-Schutz. Die Maske wurde zum Sinnbild der Folgen der Coronavirus-Pandemie; ob und unter welchen Umständen man sie tragen soll, sorgte immer wieder für Kontroversen.

In erster Linie können Masken – vor allem in geschlossenen Räumen – Menschen in der Umgebung schützen. Laut einer aktuellen wissenschaftlichen Arbeit aus den USA können sie auch den Trägerinnen und Trägern Vorteile bieten. Masken könnten die Dosis an infektiösem Material reduzieren, die eine Person aufnimmt. Selbst wenn man das Virus aufnehme, sei es wahrscheinlich, dass die Infektion sich nur mit milden oder sogar gar keinen Symptomen bemerkbar mache, sagte Studienautorin Monica Gandhi dem US-Radiosender NPR.