Innenminister Karl Nehammer bei einer Pressekonferenz
APA/Helmut Fohringer
Angriff in Graz

Laut Nehammer islamistisches Motiv

Nach den Angriffen auf die Grazer Synagoge und den Präsidenten der Jüdischen Gemeinde Graz, Elie Rosen, hat ein 31-jähriger Syrer ein Geständnis abgelegt. Das teilte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Montag mit. Laut Nehammer liegt ein islamistisches Motiv vor. Entsprechende Beweismittel seien in der Wohnung des Mannes gefunden worden.

Bei dem Mann handle es sich um einen Flüchtling aus Syrien, der seit 2013 in Österreich ist. Der Verdächtige sei noch am Sonntag um 20.25 Uhr festgenommen worden, sagte der Innenminister. Dabei wurden auch die Tatwaffen – ein zu einem Schlagstock zweckentfremdetes Sesselbein sowie Steine im Rucksack des Mannes – gefunden, so Nehammer.

„Der Mann wurde bis in die frühen Morgenstunden einvernommen, er ist vollinhaltlich geständig. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich um ein islamistisches Motiv handelt, entsprechende Beweismittel wurden in seiner Wohnung sichergestellt“, sagte Nehammer am Montag bei einer Pressekonferenz im Innenministerium, an der unter anderen auch Rosen und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Oskar Deutsch, teilnahmen.

Innenminister Karl Nehammer bei einer Pressekonferenz
APA/Helmut Fohringer
Nehammer sprach von einem Angriff auf die Freiheitsrechte

Angriffe gegen weitere Einrichtungen

Der Tatverdächtige hatte Rosen am Samstagabend vor dem jüdischen Gemeindehaus mit einem Holzprügel attackiert, der Gemeindepräsident rettete sich vor dem Angreifer in sein Auto und blieb unverletzt. Der Mann habe auch weitere Sachbeschädigungen durchgeführt, unter anderem gegen eine katholische Kirche und ein Lokal des schwul-lesbischen Vereins Rosalila PantherInnen und ein Lokal im Rotlichtmilieu. Er werde für sieben Delikte in Graz verantwortlich gemacht, wie es weiter hieß.

Nehammer sprach von „erschütternden“ und „absolut inakzeptablen“ Vorfällen. „Was hier passiert, ist nicht nur ein Thema des Strafrechts an sich“, vielmehr seien durch diesen Angriff die Grund- und Freiheitsrechte der Republik Österreich angegriffen worden wie auch die Religionsfreiheit, so Nehammer. Ein Aberkennungsverfahren des Asylstatus wurde eingeleitet. Der Mann zeigte laut Polizei „keine Ansätze von Reue“ und begründete seine Taten mit einem Hass auf Israel, Juden, Schwule und Lesben sowie Prostituierte.

Die Außenmauer der jüdischen Synagoge in Graz  mit propalästinensischen Parolen
APA/Ingrid Kornberger
Eine der jüngsten Schmierereien auf den Resten der 1938 zerstörten Synagoge

Es sei allen ein gemeinsames gesellschaftliches Anliegen, „dass jüdisches Leben sicher und vor allem auch freudvoll gelebt werden kann. Wir werden als Bundesregierung alles tun, um das zu gewährleisten.“ Aus seinem Büro hieß es im Anschluss an die Pressekonferenz, der Minister habe angeordnet, dass alle Synagogen ab sofort rund um die Uhr bewacht werden – von uniformierten Beamten und auch von Personal in Zivil. Nehammer betonte, dass sich potenzielle (Nachahmungs-)Täter bewusst sein müssten, „dass wir alles tun, um die Einrichtungen zu schützen“.

Keine Vorwürfe wegen fehlenden Polizeischutzes

Rosen wollte auf Nachfrage den Behörden „keinerlei Vorwürfe“ machen, dass er nach den Sachbeschädigungen an der Grazer Synagoge nicht sofort Polizeischutz erhalten hatte. „Nein, das hätte ich mir nicht gewünscht“, es sei nicht absehbar gewesen, dass es zu einem derartigen Angriff auf ihn persönlich kommen könnte, sagte er.

Die Tatsache, dass der gefasste Verdächtige ein syrischer Staatsbürger ist, zeige, dass muslimischer Antisemitismus „eine ernstzunehmende Bedrohung ist“, so Deutsch. Das bedeute aber nicht, dass man sich nur auf die Bekämpfung dieser einen Form des Antisemitismus beschränken dürfe. „Es gibt einen rechten und linken Antisemitismus und in allen Formen auch einen israelbezogenen Antisemitismus, der sich nun in Graz gewalttätig gezeigt hat. In Graz schritt der Täter vom Wort zur Tat“, sagte Deutsch.

Erschüttert über die Vorfälle zeigten sich auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und Kultus- und Integrationsministerin Susanne Raab (beide ÖVP). Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) sagte unterdessen, es gebe ungeachtet der Festnahme keinen Grund zur Entwarnung: „Wir müssen wachsam bleiben.“ Seitens der Opposition gratulierte FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl der Polizei „zum raschen Fahndungserfolg“. Er kritisierte jedoch gleichzeitig die „vorangegangene Nachlässigkeit der Sicherheitsbehörden beim Schutz jüdischer Einrichtungen“.

Kritik an Behörden und Regierung

Die Konferenz der europäischen Rabbiner bemängelte nach dem Angriff auf Rosen das Vorgehen der österreichischen Behörden. Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt kritisierte laut Nachrichtenagentur dpa, dass diese mit Blick auf frühere Ereignisse nicht unverzüglich für Sicherheit gesorgt hätten – mehr dazu in religion.ORF.at. Auch die FPÖ hatte entsprechende Kritik geübt.

Das Lokal des schwul-lesbischen Vereins Rosalila PantherInnen in Graz nach einer Sachbeschädigung
APA/ROSALILA PANTHERINNEN
Auch auf das Vereinslokal der Rosalila PantherInnen wurde ein Anschlag verübt

Es sei angezeigt, „das ganze Spektrum radikaler Kräfte und nicht nur Teile davon öffentlich zu benennen“, so Kickl, der gleichzeitig „den politischen Islam“ und „einen breiten Teil des linksradikalen Spektrums“ anprangerte, „wo unter dem Deckmantel der Israel-Kritik offen gegen Juden gehetzt wird“, so Kickl. Gerade gegen diese Spektren vermisse er jedoch die nötige Entschlossenheit, was auch damit zu tun haben könne, „dass es hier gewisse Anknüpfungspunkte beim kleineren Regierungspartner“ gebe.

Der Grazer IKG-Präsident Elie Rosen
APA/Erwin Scheriau
Rosen warnte am Sonntag vor Extremismen

„Niemand darf sich allzu sicher sein“

Rosen hatte am Sonntag bei einem gemeinsamen Auftritt mit Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (beide ÖVP), Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang (SPÖ) und Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ) gesagt, dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinde sehr betroffen seien: „Wir sind eine sehr kleine Gemeinde, die sehr solidarisch ist, und sie hofft, dass sie von Stadt und Land unterstützt wird und dass politische Signale kommen werden – und sie kommen.“

Den Mitgliedern sei es „wichtig, das Gefühl zu bekommen, wahrgenommen zu werden und auch gewollt zu sein“. Der Präsident der jüdischen Gemeinde sagte weiter: „Extremismen machen nicht halt: Wir haben es mit Antisemitismus und Homophobie zu tun. Das soll uns wachrütteln, dass so etwas schnell überschwappen kann und übergreift. Niemand darf sich allzu sicher sein. Umso mehr müssen wir gegen jede Art von Hass vorgehen. Wir, die jüdische Gemeinde, sind da auch nicht blind und sehen es nicht nur auf uns bezogen: Der Dominoeffekt ist recht rasch greifbar.“

Breite Solidarität

Die Attacke auf Rosen hatte nicht nur in Graz Bestürzung hervorgerufen. Von Bundespräsident Alexander Van der Bellen abwärts bekundeten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik und Zivilgesellschaft ihre Solidarität. Noch Samstagnacht nahmen rund 30 Menschen an einer Mahnwache bei der Synagoge teil.

Sonntagabend fanden sich dann rund 200 Frauen und Männer zu einer Solidaritätskundgebung zusammen – darunter auch zahlreiche Regional- und Lokalpolitiker. Die Menschen marschierten vom Grazer Hauptbahnhof zur Synagoge und sangen: „Schulter an Schulter gegen Rassismus“. Auf den Schildern und Plakaten war „Never again“ und „Never forget, never again“ zu lesen – mehr dazu in religion.ORF.at.

Auschwitz-Überlebende besorgt

Auschwitz-Überlebende sehen die „dramatische“ Zunahme antisemitischer und rechtsextremer Attacken in vielen europäischen Ländern „mit wachsender Sorge“. Das Internationale Auschwitz Komitee forderte nach Vorfällen wie den tätlichen Angriff in Graz von europäischen Staaten, „die Reißleine zu ziehen“.

Sei es der Versuch, Juden anzugreifen oder zu töten wie in Halle und Graz, gehe es um die Schändung jüdischer Friedhöfe wie im Dezember im Elsass oder – wie in Oradour-sur-Glane – um den direkten Angriff auf eine der wichtigsten Gedenkinstitutionen der französischen Republik: „Nach der politischen Empörung und angekündigten Sofortmaßnahmen erlischt mit dem Interesse der Politik auch das Interesse der Öffentlichkeit.“

Christoph Heubner, der Exekutivvizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, betonte daher in einer Aussendung: „Bei Auschwitz-Überlebenden verstärkt sich die Sorge, dass in den europäischen Gesellschaften die neuen Herausforderungen durch Rechtsextremismus und Antisemitismus immer noch zu sehr verharmlost werden und viele Kräfte in Politik, Justiz und Polizei die dramatisch veränderte und international vernetzte Szene des Hasses als Randproblem wahrnehmen.“ „Gerade die letzten Tage sind mit all ihren Vorkommnissen in den verschiedenen Ländern jetzt für Europa ein Signal, die Reißleine zu ziehen“, sagte Heubner in Berlin.