„Wir werden nicht gewählt, um uns über Parteiinterna zu unterhalten“, sagte Rendi-Wagner zu Kritikern in der SPÖ. Auch zum internen Umgang mit den Akteuren nahm sie Stellung: Burgenlands SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil erhalte von ihr öfter Anrufe, „als ihm lieb ist“. Augenzwinkernd gefragt nach dem „Lieblingsrebellen“ in der Partei – zur Auswahl standen Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer und Doskozil –, wollte sie sich nicht festlegen. Mit Dornauer gehe sie „lieber wandern und musizieren“, mit „Hans Peter lieber Schnitzel essen“.
Doch es ging im Gespräch in diesem Zusammenhang auch ernster zu: Angesprochen auf die von ihr vorgeschlagene Arbeitszeitverkürzung (Stichwort Viertagewoche), für die es intern – etwa von Doskozil – und von Unternehmern Gegenwind gegeben hatte, sagte Rendi-Wagner: „Wir haben jetzt schon eine Arbeitszeitverkürzung in der radikalsten Form – mit der Kurzarbeit.“ Das sei als Kriseninstrument freilich nur temporär. „Aber was heißt das für Angestellte und Unternehmer, wenn die Kurzarbeit vorbei ist und die Aufträge noch immer nicht da sind?“, fragte die SPÖ-Chefin.
Uneinigkeiten in der Partei
„Nicht eine Maßnahme gegen die andere ausspielen“
Darum sei die Viertagewoche „mittelfristig ein gutes Instrument, die Unternehmen ermöglicht, die Arbeitsplätze zu erhalten“. Es solle „ein freiwilliges Modell“ sein, weil es ja ein Vorteil für Unternehmen sei, die Belegschaft behalten zu können. „Auch für die Zeit, wenn der Motor wieder anspringt.“ Angesprochen auf den Doskozil-Vorschlag des Mindestlohns von 1.700 Euro, den dieser als nützlicher als die Arbeitszeitverkürzung erachtet: „Es wird wohl nicht die eine Maßnahme Österreich aus der Krise führen“, man dürfe „nicht eine Maßnahme gegen die andere ausspielen“. Es gäbe „eine breite Mehrheit in der SPÖ, die für beides stehen“.

„Natürlich“ Spitzenkandidatin
Generell könnten die etwas besseren bzw. stabilisierten Umfragewerte in den vergangenen Wochen zufrieden machen, so Rendi-Wagner. „Aber Zurücklehnen – nein.“ Es brauche einen Marathon, „der uns zum Ziel bringt“. Dafür benötige man Ausdauer und Konsequenz, beides bringe sie mit. „Natürlich“ wolle sie Spitzenkandidatin bei der nächsten Nationalratswahl in vier Jahren sein. Ob sie noch immer Bundeskanzlerin werden wolle? – „Selbstverständlich haben wir das vor.“
„Das klingt hochtrabend und abgehoben“
Zunächst seien aber die derzeitigen Probleme zu lösen. „Kein Mensch interessiert sich für Funktionen und Rollen, für die er dann in vier Jahren infrage kommt.“ Gefragt nach dem Alleinstellungsmerkmal der SPÖ, konnte Rendi-Wagner mit der Bezeichnung nicht viel anfangen: „Das klingt hochtrabend und abgehoben.“ Man stehe für sehr viel – „vor allem für Chancengerechtigkeit“.
Alleinstellungsmerkmal der SPÖ
„Rot ist keine Farbe, die man sich aufpinseln kann“
Mit dem Hintergrund der Frage, ob die Grünen angesichts bestimmter Themen bzw. der Popularität derzeit die besseren Roten sind, konnte Rendi-Wagner wenig anfangen: „Rot ist keine Farbe, die man sich aufpinseln kann. Rot ist etwas, für was man kämpft“, so die SPÖ-Chefin. Vielmehr übte sie Kritik an der Regierung: Die Koalition aus ÖVP und Grünen sei in manchen Fällen eine Fortsetzung von Schwarz-Blau. „Wo ist die soziale Handschrift?“, fragte Rendi-Wagner. Von den Grünen erwarte sie sich „mehr Durchsetzungsfähigkeit“.
Auftritte mit Ludwig? – „Lassen Sie sich überraschen“
Auch Thema war die im Herbst anstehende Wien-Wahl. „Wir alle werden uns hinter, seitlich und vor unsere Parteikollegen aus Wien stellen“, meinte die Parteichefin. Zu möglichen gemeinsamen Auftritten mit Wiens Bürgermeister und SPÖ-Spitzenkandidaten und der Frage, ob dieser personelle Schützenhilfe von einer schwächelnden Bundespartei überhaupt nötig habe: „Lassen Sie sich überraschen.“ Ein Wahlziel wolle die Parteichefin nicht nennen, man könne kein Ergebnis vorwegnehmen – nur so viel: Ludwig bringe alles mit, man brauche keine Experimente. „Die Wienerinnen und Wiener haben das Wort.“
Wahlkampf in Wien
Auch nicht vorbeikommen konnte man am Dauerbrenner Coronavirus: Dass sie als angesehene Epidemiologin von der Regierung nicht mehr in das Krisenmanagement eingebunden wird, ärgert Rendi-Wagner nicht wirklich. Man müsse hier Befindlichkeiten beiseite stellen, sagte sie. Immerhin habe die türkis-grüne Regierung auch Vorschläge – etwa zu Fieberchecks und das Verbot von Großveranstaltungen – wenige Tage später aufgenommen, meinte die ehemalige Gesundheitsministerin.
„Das ist keine Raketenwissenschaft“
Doch sie übte auch Kritik an der Regierung: Etwa vermisse sie die „Rechtzeitigkeit“, das habe sich zuletzt am Grenzchaos und dem stundenlangen Stau an der Grenze zwischen Österreich und Slowenien gezeigt. Eine digitale Onlineregistrierung im Vorfeld eines Grenzübertritts hätte die Entwicklung verhindern können, so Rendi-Wagner.
„Das Wichtigste, was die Menschen brauchen, ist Klarheit“, die Bundesregierung hätte rechtzeitig Maßnahmen setzen müssen. „Das ist keine Raketenwissenschaft, man bräuchte nur schauen, wie es andere Länder machen.“ „Ich hoffe, dass die Regierung das Wissen aus den letzten sechs Monaten nutzt.“
Maskenpflicht und Grippeimpfung
Gegen „Fleckerlteppich“
Nun brauche es einen Plan für den Herbst: Wenn es kälter wird und sich alles nach innen verlagert, sollte eine Maskenpflicht (für Innenräume) gelten, so Rendi-Wagner. Auch in Schulen – aber nicht in den Klassenzimmern. Auch im Büro müsse sie nicht unbedingt gelten, wenn der Mindestabstand eingehalten werden könne. Das sollte generell für ganz Österreich gelten und kein „Fleckerlteppich“ sein. Es brauche einheitliche Entscheidungskriterien.
Für eine generelle Impfpflicht gegen Grippe sei sie nicht, wenngleich sich die SPÖ-Chefin dafür aussprach, Pflegepersonal und Ärzte verpflichtend zu impfen. Dennoch rate sie allen Österreicherinnen und Österreichern, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Einen zentralen Plan für Österreich gäbe es nicht, kritisierte Rendi-Wagner. Abermals sprach sie sich für eine Maskenpause von zwei Stunden für Angestellte, die eine Maskenpflicht im Job haben, aus. „Das ist das Minimum, das wir diesen Menschen in dieser Zeit zugestehen sollten.“
Analyse: „Wunder Punkt getroffen“
In der Analyse des „Sommergesprächs“ in der ZIB2 waren abermals interne Diskussionen in der SPÖ Thema. Die Viertagewoche sei ein Anliegen der Gewerkschaft, die brauche Rendi-Wagner hinter sich, sagte Politikwissenschaftler Peter Filzmaier. Doch habe die Sache einen Haken, schließlich seien die Wähler keine „Hackler“ mehr. Die Wien-Wahl könne wohl nur ein symbolischer Erfolg für Rendi-Wagner werden, so Filzmaier. Dass sie kein Wahlziel nennen wollte, fand „Kurier“-Innenpolitikchefin Daniela Kittner nachvollziehbar, es würde danach wieder als falsch ausgelegt werden können. „Sie versucht einfach, Fehler zu vermeiden.“
Analyse zum „Sommergespräch“
Im „Sommergespräch“ mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ging es ausführlich um das Thema Coronavirus. Rendi-Wagner fordert für den Herbst eine bundesweite Maskenpflicht für Innenräume, in denen der Mindestabstand nicht eingehalten wird – mit Ausnahme von Schulklassen allerdings – und eine Gratisgrippeimpfung für alle. Das Gespräch kommentieren Politikwissenschaftler Peter Filzmaier und Daniela Kittner, Ressorleiterin Innenpolitik beim „Kurier“.
Vielmehr vermisste Kittner bei Rendi-Wagners Auftritt deutliche Kritik an der Regierung. Als Gesundheitsexpertin bringe sie beim Thema Coronavirus-Management „kein Leadership über die Rampe“, weil sie aus ihrer Expertenrolle nicht herauskommen könne. Mit der Frage nach der sozialen Mehrkompetenz der Grünen im Vergleich zur SPÖ habe man einen „wunden Punkt innerhalb der Sozialdemokratie getroffen“. Eine Abgrenzungsnotwendigkeit zu den Grünen sah Filzmaier allerdings nur bedingt. Doch sei offen, welches Signal Rendi-Wagner in Richtung FPÖ-Wählern setze.