Eine Kellnerin mit Schutzmaske im Cafe Sperl in Wien.
APA/Georg Hochmuth
„Coronavirus-Gästeliste“

Gastronomie vor schwierigem Herbst

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, und mit den sinkenden Temperaturen steigen die Sorgen der Gastronomen und Gastronominnen – vor leeren Gaststätten, hohen Umsatzeinbußen und neuen Verordnungen. Kritik gibt es vor allem an der geplanten „Coronavirus-Gästeliste“.

„Es ist bewiesen, dass Menschen beim Draußensitzen wesentlich weniger Angst haben, auch deshalb, weil eine Ansteckung mit dem Coronavirus im Freien fast gar nicht vorkommt. Wenn sich die Gastronomie jetzt nun wieder in die Innenräume zurückzieht, müssen wir also fix damit rechnen, dass Gäste ausbleiben“, so Peter Dobcak, Obmann der Fachgruppe Gastronomie in der Wirtschaftskammer Wien gegenüber ORF.at. Betriebe, die also noch mit den Auswirkungen der ersten Phase der Krise zu kämpfen haben, sehen sich nun schon mit neuen Problemen konfrontiert.

Dobcak richtet sich demzufolge mit der Bitte an die Politik, „dass man ein bisschen von den strengen Auflagen und Vorgaben, die es derzeit gibt, um einen Betrieb führen zu können, absieht“ – schließlich gehe es nicht zuletzt ja auch darum, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Er fordert etwa eine Lockerung bei Schanigärtenvorschriften. So sollte die Saison nicht nur verlängert, sondern die Gärten auch in der kalten Saison vergrößert werden dürfen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Der Schanigarten eines Cafes in Wien.
APA/Helmut Fohringer
Gastronomievertreter fordern von der Stadt eine Lockerung der Schanigärtenvorschriften

Kritik an „Coronavirus-Gästeliste“

Scharfe Kritik kommt von Wirten und Wirtinnen auch an der geplanten „Coronavirus-Gästeliste“. Eine neue Gesetzesnovelle, die noch bis Freitag in Begutachtung ist, sieht eine verpflichtende Datenerhebung für Gastronomen und Veranstalter vor. Hierbei sollen Listen von Personen erstellt werden, die sich in gewissen Einrichtungen aufhalten, um bei etwaigen Coronavirus-Fällen die anderen Anwesenden zu informieren.

Die Daten sollen 28 Tage lang aufbewahrt werden müssen. Für Gäste soll die Eintragung in die Listen allerdings freiwillig sein – auch eine Verpflichtung, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, gibt es nicht, da das aus Sicht von Experten sowohl datenschutz- als auch verfassungsrechtlich problematisch ist. In vielen Fällen könnte die Liste folglich jedoch unbrauchbar sein.

„Unnötiger Zeit- und Bürokratieaufwand“

„Und daher ist diese Sache natürlich eine halbherzige Sache, weil auf der einen Seite es keine rechtliche Basis dafür gibt und auf der anderen Seite wir auch keine rechtliche Basis damit als Gastronomen in der Hand haben, um dem Gast zu sagen, er muss uns seine Daten geben. Und wir wollen das auch nicht“, so der Gastrospartenobmann in der Wirtschaftskammer, Mario Pulker, am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Gastrovertreter Pulker über CoV-Gästelisten

28 Tage lang müssten die Daten der Gäste aufbewahrt werden, um im Infektionsfall die Kontakte zu verfolgen. Die Gästelisten sollen für Wirte verpflichtend sein, nicht aber für Gäste. Dazu war Mario Pulker, Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), im Studio.

Die Wirte seien keine Exekutivorgane und wollten keine sensiblen Daten haben, so Pulker. Auch Dobcak sieht in der „Coronavirus-Gästeliste“ einen „unnötigen Zeit- und Bürokratieaufwand“. Die beste Alternative sei eine digitale Registrierung. Für die Kärntner Wirte ist diese Maßnahme in einem gewissen Rahmen durchaus umsetzbar, schließlich müsse man schauen, wie man den Herbst und Winter halbwegs infektionsarm überstehen könne – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Düstere Aussichten für Nachtgastronomie

Noch düsterer schaut die Situation derzeit für die Nachtgastronomie aus. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erteilte vergangene Woche einem baldigen Wiederöffnen der seit dem Lockdown gestoppten Nachtgastronomie eine klare Absage. Es tue ihm zwar im Herzen weh, „aber eine Disco für 3.000 Menschen bis sechs Uhr früh, das ist halt nicht die Antwort auf diese Phase, die wir derzeit haben“, so Anschober. Es sei aber Aufgabe der Politik, diesen Betrieben wirtschaftlich zu helfen. „Und das werden wir auch tun“, so der Minister.

So kündigte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bereits an, die Fixkosten der Betriebe zu 100 Prozent abzudecken – „Modalitäten fehlen aber weiter“, kritisierte der Obmann des Verbands Österreichischer Nachtgastronomen (VÖNG), Stefan Ratzenberger, kürzlich. Von den 2.900 Unternehmen der Gastronomie haben Ratzenberger zufolge 15 bis 20 Prozent wegen der Coronavirus-Auflagen gar nicht offen, der Rest öffne mit hohen Einbußen bis zur erlaubten Sperrstunde von 1.00 Uhr in der Früh. Wenn nun die neuen Kurzarbeitsregeln kämen, drohe zudem eine Kündigungswelle, so Ratzenberger.

Bekleidete Puppen an den Tischen und im Barbereich einer Wiener Cocktailbar um den Gästen das einhalten des Mindestabstands zu erleichtern.
APA/Helmut Fohringer
Mannequins in einer einsamen Bar: So leer sieht es in den Gaststätten derzeit nach der Sperrstunde um 1.00 Uhr aus

„Ordentliches“ Unterstützungspaket gefordert

Dobcak fordert von Blümel ein „ordentliches Unterstützungspaket“, das weit über den Fixkostenzuschuss hinausgeht, denn der alleine „wird da sicher nicht reichen“. Immerhin handle es sich um eine staatliche Schließung. Dobcak kritisiert „bei allem guten Willen und Verständnis“ für die gesundheitlichen Maßnahmen zudem das „ewige Hinhalten“: „Dann soll man doch sagen, solange es keinen Impfstoff gibt, wird es keine Nachtgastronomie mit Clubs und Discos im herkömmlichen Sinn geben.“

Verunsicherten Gästen rät Dobcak auch weiterhin vorsichtig zu agieren, Abstände einzuhalten und sich an neue Begrüßungsrituale zu gewöhnen, „damit wir einer generellen Indoor-Maskenpflicht entgehen können“. Denn mit einer Maske sei die Stimmung „ja nur schwer zu halten“.

Ankündigung neuer Maßnahmen am Donnerstag

Auf Anfrage von ORF.at zu möglichen Strategien und Konzepten verwies das Wirtschaftsministerium Donnerstagvormittag auf die Zuständigkeit des Tourismusministeriums. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) kündigte Donnerstagvormittag an, dass die staatlich finanzierten Coronavirus-Tests für den Tourismus per 1. September auf Gastronomiebetriebe, Campingplätze und Jugendherbergen ausweitet werden. Die Ausweitung gilt für alle Betriebe in der gewerblichen Gastronomie, wenn sie öffentlich zugänglich sind.

Das Testangebot habe sich bewährt, so Köstinger. Am Montag wurde bekannt, dass 100.000 Tests durchgeführt wurden. Köstinger hatte Testkapazitäten von bis zu 65.000 Tests pro Woche angekündigt. Der Bund fördert Tests in Tourismusbetrieben mit maximal 85 Euro pro Test – jeder Mitarbeiter kann sich einmal pro Woche untersuchen lassen. Dafür stehen bis Jahresende bis zu 150 Mio. Euro zur Verfügung.