Bruder von George Floyd, Philonise Floyd
Reuters/Olivier Douliery
Marsch in Washington

Angehörige prangern Polizeigewalt an

Die Familien von Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern, die durch Polizeigewalt ums Leben gekommen oder verletzt worden sind, haben bei einem Marsch in der US-Hauptstadt Washington Gerechtigkeit gefordert und Polizeigewalt angeprangert. Unter dem Motto „Nehmt euer Knie aus unseren Nacken“ versammelten sich am Freitag Tausende vor dem Lincoln Memorial.

Die Angehörigen von George Floyd, Jacob Blake und weiterer durch Polizeigewalt Getöteter und Verletzer forderten die Demonstrierenden dazu auf, auf baldige Veränderung zu pochen. „Mein Bruder kann heute keine Stimme haben“, sagte Bridgett Floyd, die Schwester von George Floyd. „Wir müssen diese Stimme sein, wir müssen die Veränderung sein und wir müssen sein Erbe sein“, so Floyd. „Ich wünschte, George wäre hier, um das hier zu sehen“, sagte dessen Bruder Philonise Floyd.

Auch der Vater des am Sonntag in Kenosha angeschossenen 29-jährigen Jacob Blake richtete sich an die Menge: „Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden!“ Die Menschenmenge wiederholte den Slogan, der auf Proteste in den 1980er Jahren zurückgeht. In den USA gebe es zwei Justizsysteme – eines für Weiße, eines für Schwarze, kritisierte Jacob Blake senior.

Jacob Blake Sr. beim Marsch auf Washington 2020
Reuters/Tom Brenner
„Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden!“, sagte Jacob Blake senior

„Schwarzes Amerika, ich ziehe dich zur Rechenschaft. Du musst aufstehen, du musst kämpfen, aber nicht mit Gefahr und Chaos. Mit Selbstliebe“, sagte Blakes Schwester Letetra Wideman zudem. Der Vorfall in Kenosha im US-Bundesstaat Wisconsin hatte zuletzt teils gewaltsame Proteste ausgelöst.

Marsch fällt auf Jahrestag von King-Rede

Die Kundgebung war dem Jahrestag des „Marsches auf Washington“ von 1963 gewidmet und stand im Zeichen der jüngsten Fälle von Polizeigewalt, die für Empörung in den USA gesorgt hatten. Vor dem Lincoln Memorial hatte der Bürgerrechtler Martin Luther King vor genau 57 Jahren seine berühmte Rede „I Have a Dream“ (Dt.: „Ich habe einen Traum“) gehalten.

Die Demonstration findet zudem rund drei Monate nach dem Tod des Afroamerikaners Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis statt. Ein weißer Polizist hatte dem 46-Jährigen mehr als acht Minuten lang das Knie auf den Nacken gedrückt, obwohl Floyd mehr als 20-mal klagte, er bekomme keine Luft. Der brutale Tod des Familienvaters löste Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt im ganzen Land aus. Floyd wurde zu einer Symbolfigur der Bewegung „Black Lives Matter“.

Marsch auf Washington 2020
Reuters/Tom Brenner
Der Protest war dem Jahrestag des „Marsches auf Washington“ gewidmet und stand im Zeichen der jüngsten Fälle von Polizeigewalt

Auch der Fall Blake sorgte zuletzt für neue, teils gewaltsame Proteste, an deren Rande am Dienstagabend zwei Menschen erschossen wurden. Als Tatverdächtiger festgenommen wurde ein 17-jähriger Weißer. Rund 150 Nationalgardisten wurden unterdessen nach Kenosha geschickt. Blake wurde zwischenzeitlich offenbar im Krankenhaus an sein Bett gefesselt. Berichte darüber hatten zusätzliche Empörung ausgelöst. Polizisten hätten Blake die Handschellen abgenommen, sagte sein Anwalt Patrick Cafferty am Freitag. Auch sei die polizeiliche Bewachung des 29-Jährigen eingestellt worden.

Tausende bei Marsch gegen Polizeigewalt

Tausende Menschen sind in der US-Hauptstadt Washington zu einem Protestmarsch gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze zusammengekommen. Die Demonstrierenden versammelten sich am Freitag unter dem Motto „Nehmt euer Knie aus unseren Nacken“ vor dem Lincoln Memorial.

„Genug ist genug“

„Wir fordern echten, dauerhaften, strukturellen Wandel“, sagte bei der Kundgebung zudem der Bürgerrechtler Martin Luther King III. Er ist der älteste Sohn von Martin Luther King Jr. „Wir werden diesen Traum erfüllen“, sagte der afroamerikanische Bürgerrechtler Al Sharpton, einer der Organisatoren der Kundgebung, in Anspielung auf Kings berühmte Rede.

Sharpton nahm bei seinem Auftritt Bezug auf den Tod Floyds: „Wir könnten genauso erfolgreich sein wie andere. Aber die Gesellschaft hielt das Knie in unserem Nacken.“ Jetzt sage man aber: „Genug ist genug.“

Yolanda Renee King und ihr Vater Martin Luther King III beim Marsch auf Washington 2020
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Auch Martin Luther King III. und dessen Tochter Yolanda Renee richteten sich an die Demonstrierenden

Martin Luther King III rief die Menge dazu auf, bei der Präsidentenwahl im November ihre Stimme abzugeben, „als würden unser Leben, unsere Existenzen und unsere Freiheiten davon abhängen – weil das so ist“. Möglichst viele sollten auch ihre Hilfe bei der Durchführung der Wahl anbieten, „damit jede Stimme gezählt“ werde. Seine Tochter, die zwölfjährige Yolanda Renee King, versprach: „Wir werden die Generation sein, die diesen Rassismus ein und für alle Mal beendet.“

„Ich bin es leid, Gerechtigkeit zu verlangen“

„Ich bin es leid, Gerechtigkeit zu verlangen“, rief Aktivist Frank Nitty den Versammelten zu. „Wir marschieren schon seit 60 Jahren mit denselben Forderungen. Schwarze Menschen sollten nicht immer noch für dasselbe auf die Straße gehen wie Martin Luther King.“

Bei der Veranstaltung herrschte wegen der Coronavirus-Pandemie Maskenpflicht. Wurde anfangs an den Einlässen noch die Temperatur der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemessen, wurde das später aufgrund des großen Andrangs gestoppt.

Demonstranten beim „Get Your Knee Off Our Necks“ Marsch in Washington
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Der Marsch findet am 57. Jahrestag von Martin Luther Kings Rede „I Have a Dream“ (Dt.: „Ich habe einen Traum“) statt

Trump begnadigt schwarze Amerikanerin

Gegen Ende des Marsches kam aus dem Weißen Haus die Nachricht, dass Präsident Donald Trump die schwarze Amerikanerin Alice Johnson begnadigte. Sie war in den 90er Jahren wegen einer Beteiligung am Drogenschmuggel zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden und verbrachte mehr als 20 Jahre im Gefängnis.

Ihr Fall gilt als ein Beispiel für eine übermäßige Härte des US-Justizsystems. Trump erließ Johnson den Rest der Haftstrafe, nachdem Society-Promi Kim Kardashian sich bei ihm für sie eingesetzt hatte. Johnson trat diese Woche auf dem Parteitag der Republikaner auf, der Trump zum Präsidentschaftskandidaten kürte.

Trump und die Republikaner sind aktuell bemüht, Vorwürfe zu widerlegen, der Präsident spreche rassistische Wähler an. Biden ist unterdessen allein schon als Vize von Präsident Barack Obama bei schwarzen Wählern populär. Auf dem Parteitag der Republikaner traten viele schwarze US-Amerikaner auf.