Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Helmut Fohringer
Reparatur

Koalitionsinternes Hickhack über CoV-Gesetz

Am Tag vor dem Treffen von Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) mit den Klubobleuten zur nach dem VfGH-Entscheid nötigen Reparatur des CoV-Gesetzes hat es am Sonntag koalitionsintern ein Hickhack gegeben. Der Verfassungsdienst im Kanzleramt äußerte im Rahmen der Begutachtung Bedenken gegen den Entwurf. Anschober dagegen betonte, der Verfassungsdienst sei eingebunden gewesen. Die Opposition übte scharfe Kritik.

Die FPÖ ortete ein „geschmackloses Verwirrspiel“ der Koalitionspartner. Auch NEOS bekräftigte seine Kritik am „verfassungsrechtlichen Murks“. Anschober, der am Montag die Klubobleute trifft, um über die Novelle des Epidemiegesetzes und das Covid-19-Maßnahmengesetz zu sprechen, war seinerseits bemüht, den Ball flach zu halten. Er sprach sich gegen „künstliche parteipolitisch motivierte Aufgeregtheit, die der Sache schadet“. Wen er damit genau meinte, sagte der grüne Minister nicht.

Seit Monaten steht das Gesundheitsministerium in der Kritik, weil seine Coronavirus-Verordnungen regelmäßig für Chaos und Unsicherheit sorgen und von Juristinnen und Juristen teils regelrecht zerpflückt werden. Anschober hatte deshalb bereits zugesagt, den Verfassungsdienst mit seiner Expertise besser einzubinden. Nun tauchte unter zahlreichen negativen Begutachtungsstellungnahmen zur Novelle der CoV-Gesetze, die nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes notwendig geworden war, ausgerechnet eine kritische Empfehlung des Verfassungsdienstes auf.

Streit um Definition von „öffentlichem Ort“

Die Experten des Verfassungsdienstes stoßen sich unter anderem an der Schlüsselstelle der Novelle – nämlich an der Definition von „bestimmten“ und „öffentlichen“ Orten beim Betretungsverbot. „Beim Auftreten von Covid-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten oder öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit geregelt werden (…)“, heißt es im Entwurf zum Covid-19-Maßnahmengesetz.

„Aus dem vorgeschlagenen Wortlaut lassen sich (…) die konkrete Bedeutung der Begriffe ‚bestimmte Orte‘ und ‚öffentliche Orte‘ sowie ihre Abgrenzung voneinander nicht mit ausreichender Klarheit erkennen“, bemängelt der Verfassungsdienst nun. Man müsse etwa klarstellen, ob von „bestimmten Orten“ auch private Orte wie etwa Wohnungen und Grundstücke erfasst seien.

Streit um Einbindung des Verfassungsdienstes

Anschobers Sprecherin erklärte auf Twitter angesichts der kritischen Stellungnahme zum Entwurf, dass der Verfassungsdienst „eingebunden“ gewesen sei. Und Anschobers Kabinettschefin Ruperta Lichtenecker wies im „profil“ die anhaltende Kritik an den juristischen Texten des Gesundheitsministeriums als unfair zurück: „Der Verfassungsdienst ist fast immer mit am Tisch gesessen.“

Der Verfassungsdienst hielt demgegenüber in einem Statement gegenüber ORF.at fest, man habe „Anmerkungen an das Gesundheitsministerium übermittelt, die im Begutachtungsentwurf nicht berücksichtig wurden“. Daher seien diese in der offiziellen Stellungnahme im Zuge der Begutachtung neuerlich vorgebracht worden.

Beruhigende Botschaften

Der ÖVP wird medial immer wieder nachgesagt, mit Argusaugen auf Anschobers gute Umfragewerte zu schielen. Kanzler Kurz hatte sich am Freitag allerdings öffentlich schützend vor das Gesundheitsressort gestellt und betonte auch am Wochenende, dass Anschober sein Vertrauen genieße.

Im Gesundheitsministerium war man am Sonntag ebenfalls um Beruhigung bemüht: Die Zusammenarbeit der juristischen Fachabteilung mit dem Verfassungsdienst sei „sehr gut und konstruktiv“, hieß es Sonntagnachmittag in einer Aussendung. Der Verfassungsdienst sei von Beginn an in die Erarbeitung der beiden Entwürfe eingebunden gewesen, „einige Anregungen wurden entsprechend eingearbeitet“, andere seien während der Begutachtungsphase genauer ausgeführt worden.

„Konstruktive Kritik bringt uns weiter“, so Anschober. „Was uns nicht weiterbringt, ist künstliche parteipolitisch motivierte Aufgeregtheit, die der Sache schadet.“

„Chaos“ und „Verwirrspiel“ für Opposition

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sprach von einem „grenzwertigen Gesetzesvorschlag“. Dieser ermögliche Hausarrest in ganz Österreich. Und auf Twitter weiter wörtlich: „Was ist das für ein Chaos.“

Zuvor hatte die stellvertretende FPÖ-Klubobfrau Dagmar Belakowitsch ein „Verwirrspiel“ geortet. Eigentlich sei es geübte Praxis, dass jeder Gesetzesentwurf vor Veröffentlichung innerhalb der Koalition abzustimmen ist, sagte sie. Der Begutachtungsentwurf sei jedenfalls „der Versuch einer kollektiven Freiheitsberaubung unter dem Deckmantel des Coronavirus“ – „er ist zum Kübeln, zurück an den Start“, forderte Belakowitsch.

Ein „verfassungsrechtlicher Murks“ ist die Novelle auch für NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Er erhofft sich vom Gespräch mit Anschober „substanzielle Zugeständnisse“, denn „bei Showpolitik machen wir sicher nicht mit“.

Gespräche über stärkere Einbindung des Parlaments

ÖVP-Klubchef August Wöginger will als Konsequenz der Begutachtungskritik kommende Woche mit allen Fraktionen Gespräche starten, wie das Parlament bei den CoV-Maßnahmen stärker eingebunden wird. Konkret hatte ja Kurz angekündigt, dass Verordnungen auf Basis des Covid-19-Gesetzes künftig vor Inkrafttreten vom Hauptausschuss des Nationalrats bestätigt werden müssen.

Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) begrüßte das – eine Mitwirkung des Parlaments erweitere die demokratische Legitimation und helfe, Fehlerquellen wie in der Vergangenheit zu vermeiden.