Zehntausende bei Protesten in Weißrussland

Zehntausende Menschen haben das vierte Wochenende in Folge in Weißrussland trotz beispielloser Drohungen der Behörden bei Massenprotesten den Rücktritt von Staatschef Alexander Lukaschenko gefordert. Die Polizei ging gestern, an Lukaschenkos 66. Geburtstag, gegen friedliche Demonstrierende vor.

Zehntausende bei Protesten in Minsk

Zehntausende Menschen haben das vierte Wochenende in Folge in Weißrussland trotz beispielloser Drohungen der Behörden bei Massenprotesten den Rücktritt von Staatschef Alexander Lukaschenko gefordert.

Uniformierte steckten vor allem Männer in Gefangenentransporter, wie auf Bildern und Videos zu sehen war. Allein in der Hauptstadt Minsk wurden bis zum Nachmittag laut Innenministerium 140 Menschen festgenommen. Medien berichteten auch in anderen Städten von vielen Festnahmen.

Foto zeigt Lukaschenko bewaffnet

Ein Reporter der dpa berichtete aus Minsk, dass der Unabhängigkeitsplatz komplett mit Metallgittern abgesperrt war. Dorthin wollten die Demonstranten ursprünglich ziehen. Tausende zogen in einen anderen Stadtteil zum Unabhängigkeitspalast, dem Sitz Lukaschenkos. Seine Sprecherin veröffentlichte ein Foto, das den Staatschef mit einer Maschinenpistole vor dem Gebäude zeigt. Er war bereits vor einer Woche mit einer Kalaschnikow aufgetreten.

Polizisten nehmen Demonstrant fest
Reuters/Tut.by

Im Stadtzentrum versuchten Uniformierte mit Geländewagen, die an der vorderen Stoßstange hohe Metallgitter hatten, die Menschen zurückzudrängen. Zu sehen war auf Bildern, wie sich Frauen davor auf die Straße legten.

Polizei mit Großaufgebot

Die Polizei war mit einem Großaufgebot an Ort und Stelle. Auch Wasserwerfer wurden in Stellung gebracht. Demonstranten riefen den Polizisten „Schande“ entgegen. Nach heftigen Regenfällen gingen am Nachmittag viele Demonstranten wieder nach Hause.

Daraufhin wurde am Palast der Unabhängigkeit Militärtechnik wieder abgezogen. Zu dem Protest hatte die Demokratiebewegung aufgerufen. Lukaschenko solle an seinem Geburtstag sehen, dass das Volk gegen ihn und seine Zeit an der Macht abgelaufen sei, hieß es.

Bereits am Vortag gab es Proteste, an denen sich hauptsächlich Frauen beteiligten. Sie nehmen in der Demokratiebewegung eine herausragende Stellung ein. Seit der Präsidentenwahl vor drei Wochen gehen die Menschen in dem zwischen Russland und EU-Mitglied Polen gelegenen Land jeden Tag auf die Straße.

Sie fordern den Rücktritt Lukaschenkos nach 26 Jahren an der Macht und Neuwahlen. Doch der beansprucht den Wahlsieg mit 80,1 Prozent der Stimmen für sich. Die Opposition hält dagegen Swetlana Tichanowskaja für die wahre Siegerin.

Telefonat mit Putin

International steht die Abstimmung als grob gefälscht in der Kritik. Kreml-Chef Wladimir Putin bekräftigte am Wochenende dennoch, dass er Lukaschenko für den Wahlsieger hält. Mit Blick auf die Fälschungsvorwürfe meinte er: In der Welt sei nichts „ideal“.

Bei einem Telefonat zu Lukaschenkos Geburtstag vereinbarten beide Präsidenten ein persönliches Treffen in Moskau, wie der Kreml mitteilte. Ein Zeitpunkt wurde aber nicht genannt.

Kreise: Berlin will Botschafter „zeitnah“ einbestellen

Wegen Repressionen gegen Medienvertreter will das Auswärtige Amt in Berlin Diplomatenkreisen zufolge „zeitnah“ den weißrussischen Botschafter einbestellen. Im Vorfeld der neuen Proteste entzogen die weißrussischen Behörden einigen Medienvertretern die Akkreditierung.

Davon waren unter anderem Mitarbeiter von großen internationalen Medien wie AFP, AP, BBC und Radio Liberty sowie ein Kamerateam der ARD betroffen. Der ORF berichtet aufgrund Russlands Coronavirus-Reisebeschränkungen derzeit über Weißrussland aus Moskau.