Man befüllt eine Maschiene mit Plastikteilchen
Reuters/Baz Ratner
Plastikexport

US-Öllobby nimmt Afrika ins Visier

Die Mineralölindustrie setzt vermehrt auf die Herstellung petrochemischer Produkte – darunter auch Kunststoff. Dafür braucht es auch neue Absatzmärkte. Ein geplantes Handelsabkommen zwischen den USA und Kenia soll nach den Wünschen der Industrie den Weg nach Afrika ebenen – und dabei auch gleich den Export von Plastikmüll für die Zukunft sicherstellen.

Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und Kenia sind zwar erst in der Anfangsphase. Bereits von Beginn weg versucht aber die Mineralölindustrie mitzumischen, wie aus einem aktuellen Bericht der „New York Times“ („NYT“) hervorgeht. Die Zeitung bezieht sich auf Dokumente, die zeigen, wie sich das American Chemistry Council (ACC) um Einfluss auf die Verhandlungen bemüht. Die Interessengruppe vertritt neben großen Chemieunternehmen auch die petrochemischen Betriebe von ExxonMobil, Chevron und Shell.

Im Zentrum der Bemühungen steht laut „NYT“ der Versuch, die strengen Beschränkungen Kenias auf Kunststoffe aufzuheben – einschließlich eines strengen Verbots von Plastiksackerln. Zugleich drängt die Lobbygruppe darauf, dass Kenia – eine der größten Volkswirtschaften Afrikas – weiterhin ausländischen Plastikmüll importiert.

Dabei geht es ACC nicht allein um den kenianischen Markt. „Wir gehen davon aus, dass Kenia durch dieses Handelsabkommen in Zukunft als Drehscheibe für die Lieferung von in den USA hergestellten Chemikalien und Kunststoffen auf andere Märkte in Afrika dienen könnte“, schrieb Ed Brzytwa, der ACC-Direktor für internationalen Handel, in einem Brief vom 28. April an das Büro des Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten.

Ölindustrie setzt auf Kunststoffe

In Zeiten, in denen immer mehr Länder den Kampf gegen die Klimakrise zumindest auf die politische Agenda setzen, gerät die Mineralölindustrie zunehmend unter Druck. Entsprechend setzen Ölunternehmen vermehrt auf die Plastik- und Chemieindustrie, wo Öl als Rohstoff weiter gefragt ist. Laut dem „NYT“-Bericht investierte die Mineralölindustrie in den vergangenen zehn Jahren allein in den USA über 200 Milliarden Dollar (170 Mrd. Euro) in Chemie- und Kunststofffabriken. Zurzeit befänden sich in den USA rund 350 neue Chemiefabriken im Bau, schreibt die Zeitung.

Leere Plastikflaschen in einer Fabrik
APA/AFP/Getty Images/George Frey
Die Erdölindustrie setzt für die Zukunft auf die Plastikkarte

Doch auch Kunststoffprodukten – und hier zuvorderst Einwegverpackungen – weht verstärkt gesellschaftlicher Gegenwind entgegen. Dazu kommen die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Coronavirus-Krise. Der wirtschaftliche Einbruch ließ nicht nur Öl- und Gaspreise nach unten rasseln. Auch Kunststoff wird zurzeit so günstig gehandelt wie schon lange nicht mehr.

Noch halten die Mineralölunternehmen an ihren Wachstumsplänen fest. Zwar sei der kurzfristige Ausblick herausfordernd. Auf längere Sicht würde der Absatz an petrochemischen Produkten aber steigen und „weiterhin attraktive Einnahmen generieren“, zitierte die „NYT“ einen Sprecher des Ölkonzerns Shell. Laut Berechnungen von ExxonMobil könnte die weltweite Nachfrage nach petrochemischen Produkten in den nächsten zehn Jahren fast um die Hälfte steigen.

Afrika als lohnender Markt

Für einen großen Teil dieses Wachstums sollen Entwicklungsländer verantwortlich zeichnen – viele davon in Afrika. Geht es nach der Interessengruppe ACC, könnte Kenia das künftige Tor nach Afrika sein. Die wachsende Infrastruktur des Landes „kann eine Expansion des chemischen Handels nicht nur zwischen den USA und Kenia unterstützen, sondern in ganz Ostafrika und dem Kontinent“, heißt es in dem Brief von Brzytwa.

Um dieses Ziel zu erreichen, sollte laut dem ACC-Handelsdirektor ein Handelsvertrag zwischen den USA und Kenia Einschränkungen für die Produktion und für den Gebrauch von Kunststoff verbieten. Zudem sollte in dem Vertrag sichergestellt werden, dass Kenia weiterhin Handel mit Plastikmüll erlaubt. Solche Forderungen seien im Hinblick auf Handelsverträge sehr ungewöhnlich und würden einen äußerst starken Eingriff darstellen, schreibt die „NYT“ unter Berufung auf Experten.

Land mit strengem Platiksackerlverbot

Dass die Mineralölindustrie gerade auf die Vertragsverhandlungen mit Kenia setzt, kommt nicht von ungefähr. Das Land ist eine der wirtschaftlich aufstrebenden Nationen des Kontinents. Dafür setzt es auch auf den Freihandel. Kenias Präsident Uhuru Kenyatta machte bereits deutlich, wie sehr er an einem Abkommen mit den USA interessiert ist. Noch kann das Land seine Exporte als Teil eines regionalen Abkommens zollfrei in die USA schicken. Doch diese Vereinbarung läuft 2025 aus.

Plastikmüllhalde in Kenia
AP/Ben Curtis
Kenia erließ zwar 2017 ein strenges Plastiksackerlverbot – Einwegverpackungen stellen aber immer noch ein großes Problem dar

Zugleich erließ das Land 2017 ein strenges Verbot von Plasiksackerln. Auf Verstöße drohen hohe Geld- und sogar Gefängnisstrafen. Heuer folgte ein Gesetz, mit dem die Verwendung von Einwegplastik wie Strohhalmen und Flaschen in Nationalparks und anderen Schutzgebieten verboten wurde.

Import von Plastikmüll stark eingeschränkt

Überdies schränkte Kenia den Import von Plastikmüll stark ein. Vergangenes Jahr war Kenia auch eines von 187 Ländern weltweit, die eine verschärfte Regelung des Baseler Abkommens zur Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung verabschiedeten.

Die „norwegische Novelle“ sorgt dafür, dass vermischte Kunststoffabfälle ab 2021 nicht mehr frei gehandelt werden dürfen. Eines der wenigen Vetragsländer, die die Novelle nicht ratifizieren, sind die USA. Rund 500.000 Tonnen Plastikmüll exportierten die USA im vergangenen Jahr. Seit China 2018 den Import stoppte, müssen die Exporteure neue Zielländer suchen. Laut „NYT“ stieg die Ausfuhr von Plastikabfall nach Afrika vergangenes Jahr im Vergleich zu 2018 auf mehr als das Dreifache.

Industrie verweist auf Recycling

Viele Kunststoffproduzenten stellten sich gegen die Verschärfung des Baseler Abkommens. Sie forderten, dass nicht der Handel mit Plastikabfall eingeschränkt werden, sondern die weltweite Recyclinginfrastruktur ausgebaut werden solle. Ähnlich steht es auch in dem Brief des ACC an den US-Handelsbeauftragten. Es gebe „einen weltweiten Bedarf, die Entwicklung der Infrastruktur zur Sammlung, Sortierung, Wiederverwertung und Verarbeitung von Altkunststoffen zu unterstützen, insbesondere in Entwicklungsländern wie Kenia“.

Karte zeigt Verschmutzung

Der WFF gibt in einer neuen interaktiven Weltkarte einen Überblick über die globale Plastikverschmutzung.

Umweltschutzorganisationen in Kenia sehen hinter solchen Forderungen allerdings eine Drohung. Sie fürchten, dass Kenia – und ganz Afrika – eine „Mülldeponie für Plastik“ werde, zitierte die „NYT“ eine Vertreterin der lokalen NGO Centre for Environmental Justice and Development (CEJAD). Tatsächlich wird schon jetzt ein großer Teil des Plastikmülls, der offiziell mit dem Ziel des Recyclings exportiert wird, in den Zielländern illegal entsorgt. Laut einem aktuellen Bericht von Interpol ist die Zahl der illegalen Müllhalden zuletzt stark gestiegen.