Mann sitzt mit Maske in einem Zug
APA/AFP/Christophe Archambault
Frankreich

Zugspanne als Menetekel in der Krise

In Frankreich hat sich die Coronavirus-Lage unmittelbar vor Schulstart deutlich verschärft, in den vergangenen Tagen sind jeweils zwischen 5.000 und über 7.000 Neuinfektionen gemeldet worden. Zur Unzeit kam da am Sonntag ein großflächiger Ausfall bei der Bahngesellschaft SNCF: Tausende Fahrgäste saßen – teils ohne Wasser und Nahrung – stundenlang in Waggons fest, ohne aussteigen zu können.

Gute Nerven benötigten insbesondere die Fahrgäste des Hochgeschwindigkeitszugs TGV 8538 von Hendaye an der Grenze zu Spanien nach Paris: Statt wie geplant am Sonntag gegen 22.00 Uhr in der Hauptstadt einzutreffen, mussten sie die ganze Nacht mit rund 1.100 Mitreisenden in dem doppelstöckigen Zug ausharren. Die SNCF sprach von „mehreren Zwischenfällen“, die der Panne zugrunde lagen, primärer Auslöser dürfte aber ein Stromausfall im Gebiet von Dax im Südwesten des Landes gewesen sein, wodurch Oberleitungen auf rund 60 Kilometer Strecke beschädigt wurden.

Auch drei andere Hochgeschwindigkeitszüge blieben auf den Gleisen stecken, die Fahrgäste wurden über Nacht und Montagfrüh zu ihren Abfahrtsorten zurückgebracht, dann in Busse und andere Züge gesetzt, um schließlich doch noch ihr Ziel zu erreichen. SNCF habe 4.000 frische Masken ausgeteilt, um die Gesundheit der Reisenden zu schützen, sagte der stellvertretende Verkehrsminister Jean-Baptiste Djebbari am Montag. In Frankreichs Zügen gilt eine Maskenpflicht – allerdings wurden wegen der langen Verzögerungen Wechselmasken benötigt.

Entschädigung für Betroffene

In Sozialen Netzwerken machten viele der Festsitzenden ihrer Wut Luft. Sie äußerten teils auch Furcht vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus. „Einige der Kinder sind sehr beunruhigt, der Speisewagen ist ausverkauft, kein Essen mehr, kein Wasser mehr. Hinter mir musste eine schwangere Frau ihre eigentlich als Mitbringsel gedachten Vorräte essen“, zitierte das Radionetzwerk France Bleu eine Betroffene. Ihr und allen anderen betroffenen Fahrgästen stellte Vizeminister Djebbari das Dreifache des Ticketpreises zur Entschädigung in Aussicht.

TGV -Züge im Gare de Lyon in Paris
Reuters/Benoit Tessier
Die Panne bei den TGVs fiel ausgerechnet auf das Ende der Schulferien in Frankreich

Der Zwischenfall ist exemplarisch für die Verunsicherung, die derzeit in Frankreich herrscht. Die Coronavirus-Lage hat sich zuletzt deutlich verschärft, das Gesundheitsministerium sprach von einem „exponentiellen“ Anstieg der Neuinfektionen. Ärzte und Ärztinnen fürchten, dass die Schulen für die Rückkehr in die Klassen am Dienstag nicht bereit sind.

Mediziner für Maskenpflicht an Schulen

„Die für den Beginn des Schuljahrs am 1. September geplanten Regeln schützen weder das Personal noch die Schüler und ihre Familien“, hieß es in einem offenen Brief, den die Zeitung „Le Parisien“ veröffentlichte. Die Mediziner fordern in ihrem offenen Brief eine Maskenpflicht für alle, die älter als sechs Jahre sind. „Es darf nicht alles von der gesundheitlichen Realität erdrückt werden“, sagte dagegen Bildungsminister Jean-Michel Blanquer der Sonntagszeitung „Journal du Dimanche“. Einige Schulen könnten am Dienstag wegen der aktuellen Lage geschlossen bleiben – „aber so wenige wie möglich“.

Die Coronavirus-Lage ist in Frankreich regional unterschiedlich. Die Regierung hat 21 Departements als Risikogebiete eingestuft. Dort herrscht erhöhte Ansteckungsgefahr. Diese roten Zonen liegen vorwiegend – aber nicht ausschließlich – an der Mittelmeer-Küste und rund um die Hauptstadt Paris. In zahlreichen Städten gilt nun eine Maskenpflicht unter freiem Himmel. Die Regierung betont immer wieder, landesweite Ausgangsbeschränkungen vermeiden zu wollen.

Die Lage sei nicht mit der Situation im Frühjahr vergleichbar, sagte Premierminister Jean Castex. Man teste viel mehr als damals. Das täusche aber nicht darüber hinweg, dass die Zahl der Neuinfektionen steige. Nach Angaben von Regierungssprecher Gabriel Attal wurde am Wochenende die „historische Marke“ von 900.000 Tests pro Woche geknackt. Der Anteil positiver Coronavirus-Tests steige aber.