Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Hans Punz
Anschober

Erste Impftranche „im Jänner“ möglich

„Jetzt wird es wieder ernst“, hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) den Beginn der Phase vier im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie eingeleitet. Wenige Tage nach Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gab auch Anschober eine Erklärung zur aktuellen Situation ab. Aufhorchen ließ Anschober mit einer ersten detaillierteren Prognose zur Coronavirus-Impfung.

„Es könnte sein, dass bereits im Jänner eine Impfung in Österreich möglich ist.“ Zum Jahreswechsel könnten 600.000 Impfdosen für 300.000 Menschen geliefert werden. Anschober: „Es sieht derzeit ganz gut aus.“ Voraussetzung sei allerdings, dass die Zusagen der Pharmafirmen und die Marktzulassungen rechtzeitig erfolgen.

Mit den ersten Chargen sollen Mitarbeiter des Gesundheitsbereichs und in der Pflege geimpft werden. Insgesamt sollen fünf Impfstoffe verschiedener Hersteller zum Einsatz kommen. Im Sommer könnten dann all diejenigen folgen, die sich ebenfalls impfen lassen wollen. Offene Fragen bleiben für den Gesundheitsminister aber noch: Wie hoch ist der Wirkungsgrad der Impfung? Wie lange hält sie an? Und wie viele Menschen lassen sich tatsächlich impfen? Umfragen zufolge könnten sich 50 Prozent gegen das Coronavirus impfen lassen. Das wäre für Anschober bereits ein Erfolg.

Schutz auch vor anderen Infektionskrankheiten

Bis dahin vergingen aber noch einige Monate, die besonders herausfordernd werden. Hygienemaßnahmen und der Mund-Nasen-Schutz würden wichtige Begleiter sein, denn sie schützen auch vor anderen Infektionskrankheiten, so Anschober. Mit der Kälte und dem engen Beisammensein in schlecht durchlüfteten Räumen steige auch die Infektionsgefahr mit dem Coronavirus, aber auch mit anderen für die Jahreszeit typischen Infektionskrankheiten. Man müsse auch versuchen, die Grippe unter Kontrolle zu halten, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Nicht zuletzt deshalb wurde für Kinder die Grippeimpfung ins Gratisimpfprogramm aufgenommen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
APA/Hans Punz
Anschober: „Jetzt wird es wieder ernst“

Das Entscheidende sei, in jedem Fall eine zweite Welle zu verhindern, so Anschober. Denn die historischen Erfahrungen anderer Pandemien hätten gezeigt, dass die zweite Welle stärker war als die erste. Unterstützen soll dabei die CoV-Ampel, die am Freitag mit Details präsentiert werden soll.

„Kein Lockdown bei roter Ampel“

Die Coronavirus-Ampel werde ein Kulturwechsel mit einer wesentlich breiteren Risikoanalyse sein, sagte Anschober. Berücksichtigt werden dabei nicht nur die Infektionszahlen der letzten sieben Tage, sondern auch, wie viele Tests dahinterstecken. Anschober: „Denn wenn die Zahlen sinken, aber auch keine Tests durchgeführt werden, bedeutet das ja nicht, dass das Virus besiegt wurde.“

Als weiterer Indikator dienen die Clusteranalyse und die Frage, ob geklärt werden kann, woher die Infektionskette kommt. Die Kapazitäten im Gesundheitssystem sind ein weiteres Kriterium für die Entscheidung einer Kommission, in welcher Farbe die Ampel je nach Region geschaltet wird – grün, gelb, orange oder rot. Anschober: „Eine rote Ampel bedeutet aber keinen Lockdown.“ Sondersituationen würden dann gemeinsam mit der Regierung und dem Nationalrat besprochen.

Die Ampel-Kommission setzt sich aus Wissenschaftlern, Mitarbeitern des Gesundheitsministeriums und Vertretern der Bundesländer zusammen. Auf einer eigenen Homepage sollen die jeweiligen Werte und Empfehlungen aufgeführt werden. Anschober: „Wundern Sie sich nicht, wenn wir nicht gleich bei der ersten Schaltung Alarmfarben haben werden. Wir haben derzeit eine gut kontrollierte Situation.“

„Zahl zu früh zu hoch“

Dennoch seien die Zahlen nicht zuletzt aufgrund der Öffnungsschritte der Phase drei im Juli und August gestiegen. Gab es Mitte Juli rund 1.300 aktive Fälle, sind es derzeit etwa 3.300. Die Zahl der aktiven Fälle gehe zurück, so Anschober, aber: „Diese Zahl ist zu früh zu hoch. Das Virus war nie weg, ist aber wieder sichtbarer.“

Solange die Cluster nachvollzogen werden können, sei das aber nicht besonders beunruhigend. Hauptursachen für die steigenden Zahlen seien Cluster im Familienbereich und bei kleineren Festen. Anschober: „Zahlen durch Reiserückkehrer sind nicht der prioritäre Grund für die erhöhten Zahlen.“ Aufgrund der steigenden Zahl an aus Kroatien zurückkehrenden Infizierten habe man hier aber die Notbremse ziehen müssen.

Konzept für Wintertourismus in Arbeit

Wie die Situation zu Weihnachten sein werde, könne man derzeit nicht sagen, so Anschober auch in Bezug auf Christkindlmärkte und Bälle. Auch bei größeren Veranstaltungen – 5.000 Zuschauer bei Indoor- und 10.000 bei Outdoor-Events –, die nun wieder möglich sind, müsse man sehr genau hinschauen, wie die Umsetzung funktioniert. Schon seit einiger Zeit wird über eine Verschärfung diskutiert, Anschober vertröstete aber auf eine für Mittwoch erwartete Stellungnahme der Regierung und auf die Präsentation der CoV-Ampel am Freitag.

„Wir arbeiten an Maßnahmen, um möglichst viel davon zu ermöglichen“, so Anschober. Wintertourismus werde möglich sein – unter bestimmten Rahmenbedingungen. Ein Konzept dafür soll Ende September präsentiert werden.

FPÖ-Chef Norbert Hofer sagte, er halte ein Konzept für den Wintertourismus Ende September für zu spät. Er befürchte „negative Auswirkungen auf die Wintersportregionen und die dort Beschäftigten haben“. Hofer kritisierte Anschobers Erklärung als „Geste der Hilflosigkeit“. Er forderte ein Ende der „Panikmache“. FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sprach angesichts der Covid-19-Gesetzespläne der Regierung von einem „antidemokratischen Schurkenstück“. Er verlangte einen kompletten Neustart mit Einbindung des Parlaments.

Kritik am „Wettbewerb der Erklärungen“

NEOS wiederum sah in den Aussagen von Kurz in den vergangenen Tagen und Anschober unterschiedliche Strategien: „Der Wettbewerb der Erklärungen von Bundeskanzler Kurz und Gesundheitsminister Anschober führt zu gegensätzlichen und verwirrenden Signalen, die keine Klarheit für die Bevölkerung bringen“, so NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Anschober wolle offenbar am Weg festhalten, den Lockerungen Chancen zu geben. Kurz habe hingegen mögliche Verschärfungen angekündigt.

Ähnlich argumentierte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher: „(…) die BürgerInnen verdienen endlich Klarheit- und keinen Wettlauf der schwarz-grünen Eitelkeiten.“ Er vermisste bei Anschobers Erklärung konkrete Antworten und bezeichnete sie als eine „neue Aufführung in der Regierungsshow“.