Mutmaßlicher Spitzel: Für Ankara „unbegründete Behauptung“

In der Causa um einen vermeintlichen Spionagefall in Österreich hat sich das türkische Außenministerium zu Wort gemeldet. Ankara weise die „unbegründeten Behauptungen“ zurück, sagte der Sprecher Hami Aksoy laut Nachrichtenagentur Reuters heute. Wien sei nicht in der Lage, „der populistischen Rhetorik und seiner Anti-Türkei-Besessenheit zu entkommen“.

Er fügte hinzu: „Wir fordern die österreichische Regierung nachdrücklich auf, die Verfolgung der künstlichen Agenda mit flachen und innenpolitischen Berechnungen über die Türkei einzustellen und mit staatlichem Ernst, gesundem Menschenverstand und aufrichtiger Zusammenarbeit zu handeln.“

Gestern gab Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bekannt, dass eine Person gestanden habe, im Sinne des türkischen Geheimdienstes in Österreich gespitzelt zu haben. Eine Anklage steht bevor. Das Außenministerium in Wien bat unterdessen einen Vertreter der türkischen Botschaft um ein Gespräch.

Ministerium weist Kritik zurück

Das Innenministerium wies die Kritik des türkischen Außenministeriums zurück und sprach von einer „völlig falschen Interpretation der Umstände“. Die Regierung schütze und gewährleiste die Ausübung der Grund- und Freiheitsrechte aller Menschen, die in Österreich lebten – ohne Unterscheidung ihrer Herkunft oder Religion. Wer sich mit den demokratischen Grundwerten identifiziere, sei Teil der Gesellschaft und genieße den Schutz der österreichischen Behörden.

Experte: Kein Spion

Der Geheimdienstexperte Thomas Riegler relativierte die Rolle der festgenommenen Person. Sie sei „kein echter Spion, sondern ein Informant“, erläuterte er. „Es ist ein altes Gesetz in der Spionage, dass man Leute unter Druck zur Zusammenarbeit überredet“, sagte der Experte.

Auf die Frage nach der Größe des türkischen Informantennetzes in Österreich verwies Riegler auf frühere Schätzungen des damaligen Nationalratsabgeordneten Peter Pilz, dass es „mindestens 200 Informanten“ gebe. Das sei „das größte Netz nach jenem der Russen“, so Riegler.

Geht es nach dem Extremismusexperten Thomas Rammerstorfer, sei die türkische Spionagetätigkeit in der Community in Österreich „seit vielen Jahren ein offenes Geheimnis“. Nach Einschätzung von Rammerstorfer werde derzeit „gegen mehrere Dutzend“ Personen wegen Spionage für die Türkei ermittelt. Rammerstorfer lobte in diesem Zusammenhang die Arbeit der Verfassungsschützer, übte zugleich aber Kritik an der „politischen Vermarktung“ der Causa vor der Wien-Wahl, was er „sehr zweifelhaft“ finde.