Innenminister Karl Nehammer, Vizekanzler Werner Kogler, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Robert Jäger
Coronavirus-Ministerrat

Keine Verschärfungen, nur Empfehlungen

Nach der Sommerpause ist die Regierung am Mittwoch zu ihrem ersten regulären Ministerrat zusammengekommen. Das Hauptthema ist dasselbe geblieben wie vor den Ferien: die Pandemie. Trotz steigender Infektionszahlen einigten sich Kanzler Sebastian Kurz, Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (beide Grüne), dass es vorerst bei Empfehlungen bleiben soll – Verschärfungen von Maßnahmen sieht die Regierung nicht vor.

So sprach der Bundeskanzler von „allgemeinen Regeln und Empfehlungen“ für den Herbst und Winter, da sich das öffentliche Leben nun wieder mehr in geschlossene Räumlichkeiten verlagere. Konkrete Änderungen gibt es keine, vielmehr bleibt man bei den bisherigen Maßnahmen. Anschober verwies auf die „drei Grundkonzepte in Zeiten wie diesen“: Die Menschen sollten weiterhin Abstand halten und die Hygienemaßnahmen, allen voran das Händewaschen, beachten. Empfohlen wird auch, auf „Begrüßungsrituale“ eine Zeit lang zu verzichten, ergänzte der Kanzler.

Dort, wo der Abstand nicht eingehalten werden könne, soll ein Mund-Nasen-Schutz (MNS) getragen werden – auch wenn er nicht konkret verordnet sei. „Trauen Sie sich, verwenden Sie ihn dort, wo Sie den Eindruck haben, dass er schützt“, sagte Anschober. Der MNS „schützt die Mitmenschen und auch einen selbst“, so auch Kurz.

„Hausverstand“ bei privaten Treffen

Es brauche ein „Mitmachen der Bevölkerung“ nach „Hausverstand“, sagte der Kanzler, da sich die meisten Cluster im privaten Bereich gebildet hätten: etwa bei Geburtstagsfeiern, beim gemeinsamen Schauen der Champions League. „Dafür könnten Sie, wenn Sie wollten, nicht einmal ein Gesetz machen“, so Kurz. Anders als im Frühling erwähnte die Regierung dieses Mal auf ihrer Pressekonferenz, dass das „verfassungsrechtlich nicht möglich“ sei. Daher sei es sinnvoll, mit Empfehlungen zu arbeiten, so Kurz.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Werner Kogler
APA/Robert Jäger
Beim ersten Ministerrat nach dem Sommer gab es nur ein Thema: das Coronavirus und seine Bekämpfung

Bei Großveranstaltungen habe man andere Möglichkeiten der Regulierung, ergänzte Anschober, und erwähnte etwa die Präventionskonzepte bei den Salzburger Festspielen, die weltweit bereits hochangesehen seien. Für private Feiern empfahl er, dass sie „maximal in der Größe von 25 Personen stattfinden“ sollen. „Je kleiner die Gruppe, desto kleiner die Ansteckungszahlen“, sagte Kurz. Das gelte auch für Weihnachten. „Das gehört zu unserer Kultur und Gesellschaft dazu, aber heuer mit Hausverstand und Vernunft.“ Doch sollten große Menschenansammlungen generell vermieden werden. Doch jener Passus, laut dem bei Veranstaltungen in Innenräumen 5.000 Zuschauerinnen und Zuschauer zugelassen werden, bleibt vorerst unangetastet.

„Virus kuschelt mit“

Doch auch Vizekanzler Kogler mahnte zum Abstandhalten: „Wenn wir uns im Herbst und Winter zusammenkuscheln, dann kuschelt das Virus mit“, so Kogler, das dürfe die Bevölkerung nicht vergessen. Das Motto der Bundesregierung bleibe daher: „So viel Freiheit wie möglich und so wenige Einschränkungen wie notwendig.“

Der Gesundheitsminister erwähnte indes erneut die Wichtigkeit des regelmäßigen Lüftens und sagte, dass die Raumtemperatur nicht über 23 Grad liegen sollte. Außerdem sei gerade jetzt der Zeitpunkt gut, als Ergänzung zum Kontaktpersonenmanagement der Behörden die „Corona-App“ herunterzuladen. Dass der Pharmakonzern Roche am Mittwoch einen Schnelltest ankündigte, nannte der Gesundheitsminister eine grundsätzlich gute Nachricht. Zunächst müsse aber die Funktionsfähigkeit untersucht werden. Kurz wiederum pochte darauf, dass die Behörden in der Logistik schneller werden müssten, damit sich der Zeitraum zwischen Test und Ergebnis verkürze.

Nehammer kündigt mehr Kontrollen an

Innenminister Nehammer sagte, die Behörden würden nun noch genauer darauf achten, dass Quarantänemaßnahmen auch wirklich eingehalten werden. Mehr als 23.000 Menschen wurden bisher von Gesundheitsbehörden in Quarantäne geschickt, viele davon freilich nur auf Verdacht. Jedem, der sich nicht daran halte, müsse klar sein, dass er mit Konsequenzen zu rechnen habe, so der Innenminister.

Bei Zuwiderhandeln sei mit einer Strafe von bis zu 1.450 Euro zu rechnen. Wenn man bestätigterweise mit dem Coronavirus infiziert sei und die Quarantäne verletze, könne sich diese Strafe erhöhen, so Nehammer und kündigte an: „Wir müssen bei den Maßnahmen noch schärfer werden.“ Auch jenen, die die Ernsthaftigkeit des Coronavirus nicht erkennen würden, müssten diese klar werden. Bisher sind laut dem Innenminister 343 bekannte Verletzungen gegen die Quarantäne bekannt.

Kurz garantiert Verschärfungen

Der Bundeskanzler sieht „ein Ende in Sicht, ein Licht am Ende des Tunnels“ der Pandemie, jedoch sei er sicher, dass im Laufe des Jahres schärfere Maßnahmen nötig sein werden, um die Coronavirus-Pandemie einzugrenzen: „Wir werden in betroffenen Regionen stärkere rechtsverbindliche Maßnahmen erleben. So viel kann ich Ihnen heute schon garantieren. Alles andere wäre ein Wunder.“ Das Bündel an möglichen Maßnahmen sei bekannt, etwa Beschränkungen bei Feiern in Lokalen.

Über den Sommer sei Österreich aber verhältnismäßig gut gekommen. Der heimische Tourismus habe gut und sicher funktioniert. Jene wenigen Cluster, etwa in St. Wolfgang, habe man „schnell einfangen“ können, so Kurz. Allerdings gab es eine große Zahl an infizierten Reiserückkehrerinnen und Rückkehrern insbesondere aus Kroatien.

Anschober sagte, dass durch die nun geltende Reisewarnung bereits zu einem enormen Sinken gekommen sei. Vorletzte Woche lag die Infektionszahl der Heimkehrenden aus Kroatien noch bei 430, letzte Woche nur noch bei 89. Allgemein müsse aber festgehalten werden, dass es „keine Industrienation der Welt gibt, die derart geringe Todes- und Schwererkranktenzahlen hat“, so der Gesundheitsminister, doch gab er zu bedenken: „Mir persönlich sind die Zahlen noch etwas zu hoch für diese Zeit, aber sie sind nicht dramatisch.“

Coronavirus-Ampel angekündigt

Jedenfalls gelte es mit den Empfehlungen eine „unkontrollierte exponentielle Zunahme“ zu verhindern – daher der neue Appell an die Einhaltung der „drei Grundkonzepte“. Anschober erinnerte auch daran, dass gerade im Herbst Erkältungskrankheiten, grippeähnliche Erkrankungen und die Grippe selbst wieder mehr werden. „All das kommt dazu – zu Corona“, so der Gesundheitsminister weiter. Sollte man Symptome haben, rief Anschober die Bevölkerung einmal mehr auf: „Zu Hause bleiben, Arzt anrufen!“

Einen Ausblick auf die heimische Wirtschaft gab Kurz. Nach einem Einbruch der Wirtschaft von sieben Prozent in diesem Jahr geht er nächstes Jahr schon wieder von einem „deutlichen Wachstum“ aus. Ähnlich prognostizierte er die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Die nächsten Monate werde es noch Herausforderungen geben, aber nächstes Jahr bereits „positive Entwicklungen“.

Der nächste Schritt sei dann die Coronavirus-Ampel, die am Freitag präsentiert werden soll, kündigte Kurz an. So soll Österreich in Regionen geteilt und gegebenenfalls Warnungen ausgesprochen werden können, damit „zielgerichtet regional reagiert“ werden könne, so Kurz. Kogler ergänzte, dass man auf diese Weise einen zweiten österreichweiten Lockdown verhindern wolle. Die Ampel sei daher „Teil der Lösung und nicht des Problems“.

SPÖ ortet Ausweichspiel

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher stellte nach dem Ministerart per Aussendung fest, dass die „schwarz-grüne Showpolitik“ weitergehe. Er sei nach den Pressestatements enttäuscht: „Ein lange Liste an Empfehlungen für die Bevölkerung – warum müssen dazu Kanzler und drei Minister auftreten?“ Anschober hätte diese Empfehlungen am Dienstag in seiner „Erklärung“ bekanntgeben können, so Kucher. Bezüglich der Coronavirus-Ampel stellte er ein Ausweichspiel fest, zudem hätte sie seiner Meinung nach vor den Lockerungen im Sommer in Betrieb gehen sollen. Zwei Tage vor „ihrem überfälligen Einsatz“ erinnere man sich nun aber plötzlich, dass die gesetzlichen Grundlagen für ihren Einsatz noch fehlen würden.

Ebenfalls enttäuscht war FPÖ-Chef Norbert Hofer: Konkrete Aussagen – vor allem in Bezug auf die Coronavirus-Ampel – habe er sich laut Aussendung erwartet. „Die Regierungsspitze schlüpft immer mehr in die Rolle von Zeitdieben – sie redet viel, ohne dabei aber auch etwas zu sagen“, kritisierte Hofer. Zwei Tage vor Inkrafttreten des Ampelsystems kenne sich „in diesem Durcheinander“ niemand aus. Zudem ortete der FPÖ-Chef Dissonanzen zwischen den Regierungsparteien, die spürbar seien, und nannte als Beispiel einen „Schlagabtausch zwischen dem grünen Gesundheitsministerium und dem ÖVP-geführten Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes“ über den Begutachtungsentwurf zum Covid-19-Maßnahmengesetz.

Nachdem NEOS-Vizeklubobmann Gerald Loacker nach den „Erklärungen“ von Kurz und Anschober bereits am Dienstag „gegensätzliche und verwirrende Signale“ wahrgenommen hatte, sei er nach dem Ministerrat „verärgert“ über diese Kombination: „Die Bevölkerung hat sich Klarheit und verständliche Maßnahmen verdient“, sagte Loacker in einem Statement. Bei der Pressekonferenz habe er den Neuigkeitswert vermisst, die Empfehlungen hätte man „bei den zahlreichen Erklärungen und Medienauftritten“ der vergangenen Tage bekanntgeben können. Zudem vermisse er ein leicht verständliches Ampelsystem.