Wasserkraftwerk Gössendorf (Steiermark)
ORF.at/Christian Öser
In CoV-Krise

Klimapolitik gewinnt weiter an Bedeutung

Die Coronavirus-Krise war das bestimmende Thema der vergangenen Monate. Die Erderwärmung und die Bemühungen im Kampf dagegen rückten in der Berichterstattung in den Hintergrund. Dem Bewusstsein für das Thema tat die Pandemie hierzulande allerdings keinen Abbruch. Darauf lässt zumindest eine aktuelle Umfrage schließen.

Wie halten es die Menschen in Österreich mit erneuerbaren Energien? Wie stehen sie zum Klimawandel? Welche Verantwortung geben sie der Politik? Einmal im Jahr geht eine Studie von Universität Klagenfurt, Wirtschaftsuniversität Wien, Deloitte Österreich und Wien Energie diesen Fragen nach. Seit fünf Jahren werden dafür rund 1.000 Menschen zwischen 18 und 70 Jahren befragt – bisher immer im Herbst.

Nun brachte das Frühjahr 2020 aber eine Pandemie und diese eine ausgewachsene Wirtschaftskrise mit sich. So schoben die Studienautorinnen und -autoren im Juni des heurigen Jahres eine zusätzliche Befragung ein. Die Ergebnisse der – erneut repräsentativen – Erhebung fielen dabei durchaus bemerkenswert aus. Die Bedeutung, die der Klimakrise zugewiesen wurde, stieg im Vergleich zum Herbst 2019 noch einmal merklich an.

Fast 60 Prozent wollen Klimaschutz in der Verfassung

Waren etwa vor einem Jahr rund 53 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Auswirkungen der Erderwärmung in Österreich spürbar sind, teilten diese Ansicht im Juni bereits 57 Prozent. Auch die Zustimmung zu klima- und energiepolitischen Maßnahmen wuchs in den vergangenen Monaten. Der Forderung, den Klimaschutz als Staatsziel in die Verfassung zu heben, stimmten zwar bereits im März mehr als die Hälfte der Befragten – konkret 53 Prozent – eher bzw. voll und ganz zu. Inzwischen stieg dieser Wert noch einmal um sechs Prozentpunkte auf 59 Prozent. Ähnlich sieht es bei den Fragen nach einer Kerosinbesteuerung oder der Einführung von CO2-Zöllen aus.

„Fridays for Future“-Demo in Linz
APA/Kerstin Scheller
Um die „Friday for Future“-Bewegung wurde es zuletzt zwar leiser, doch die Zustimmung zu ihren Forderungen stieg

Weniger stark fällt die Zustimmung bei manchen Forderungen der „Fridays for Future“-Bewegung aus. Die Ausrufung eines Klimanotstands unterstützten 34 Prozent. Das sind allerdings um vier Prozentpunkte mehr als noch im vergangenen Herbst. Der Einführung einer Steuer auf Treibhausgase konnten im Juni 39 Prozent etwas abgewinnen. Vor einem Jahr lag die Zustimmung noch bei 32 Prozent.

Fragt man ein wenig anders, nämlich nach einer Ökologisierung des Steuersystems, dann konnten dem bei der aktuellen Befragung sogar 57 Prozent etwas abgewinnen. Vermutungen, dass die Pandemie für ein gesunkenes Bewusstsein gegenüber der Klimakrise sorgen könnte, scheinen sich ob dieser Zahlen also nicht zu bestätigen. „Die Umfrageergebnisse belegen ein gestiegenes Verantwortungsbewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher“, sagte Nina Hampl, Studienautorin von der Universität Klagenfurt.

Bemühungen im privaten Umfeld

Gestiegen sei auch die Zahl der Menschen, „die im privaten Umfeld Maßnahmen zum Klimaschutz setzen wollen“, so die Ökonomin. Tatsächlich gaben 32 Prozent der Befragten an, oft oder immer bewusster auf die Nutzung eines Pkw zu verzichten. Für Studienautor Robert Sposato von der Uni Klagenfurt könnte das auch durch die verstärkte Nutzung des Homeoffice unterstützt werden. 82 Prozent versuchen nach eigenen Angaben möglichst oft, saisonale und regionale Lebensmittel zu konsumieren.

Allerdings: Dass auch sehr viele andere Menschen ihren Energieverbrauch einschränken, um den Klimawandel zu reduzieren, erwarten dann doch weniger als die Hälfte. Hier ist im Vergleich zum Vorjahr also kaum eine Veränderung feststellbar. Ebenso geht eine überwältigende Mehrheit von 83 Prozent davon aus, dass die positiven Auswirkungen der Verkehrsbeschränkungen durch die Coronavirus-Krise schnell wieder vergessen sein werden.

Mehr Tote durch Klima- als durch CoV-Krise erwartet

Als größere Bedrohung für das Leben der Menschen wird im Vergleich von Klima- und Coronavirus-Krise jedenfalls erstere angesehen. Fast die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass die Erderwärmung in den kommenden Jahren zu mehr Toten führen könnte als die CoV-Pandemie. Immerhin ein Drittel der Befragten wollte sich dazu allerdings gar nicht äußern. In einem Punkt wird allerdings der Coroanvirus-Krise eine schlimmere Wirkung zugeschrieben. 81 Prozent denken, dass sie eine Finanzkrise auslösen könnte. Bei der Klimakrise halten das „nur“ 44 Prozent für möglich.

Photovoltaikanlage
ORF.at/Christian Öser
Die Auftraggeber der Studie sehen in dem Ergebnis den Ruf nach höheren Investitionen in erneuerbare Energien bestätigt

Dennoch gehen aber 56 Prozent der Befragten davon aus, dass „die nächste Krise vorprogrammiert ist“, wenn der Staat weiter klimaschädliche Unternehmen finanziell unterstützt. „Die Klimakrise hat durch die Pandemie keineswegs an Bedeutung verloren – viel mehr unterstreicht sie die Notwendigkeit für rasches Handeln“, heißt es dazu von Gerhard Marterbauer von Deloitte. In dasselbe Horn stößt Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl. „Jetzt braucht es entsprechende Weichenstellungen der Politik und Investitionen der Wirtschaft“, so der Manager.

Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz im September

Einen entscheidenden Schritt neben den bisher bereits angekündigten Förderungen der Regierung stellt das lang erwartete Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) Gesetz dar. Mit ihm soll die Ökostromförderung auf neue Beine gestellt werden. Die Nachfolgeregelung für das derzeitige Ökostromgesetz soll im September in Begutachtung gehen. Wie Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) vor wenigen Tagen ankündigte, soll es auch Wasserkraft-Naturschutzkriterien erhalten. Sie sieht in der Studie „Rückenwind aus der Bevölkerung für mutige Klimapolitik“ und eine Unterstützung für Investitionen in den Klimaschutz.

Eine Allianz aus 40 Umweltschutzorganisationen sowie Vertretern aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft hatte Mitte Juli vor einem „ungezügelten“ Ausbau der Wasserkraft auf Kosten der Allgemeinheit gewarnt und wirksame Naturschutzkriterien gefordert. Es ist nur ein Beispiel dafür, dass auch bei einer breiten Akzeptanz für den Klimaschutz Raum für Konflikte bleibt.