Teenager mit Smartphones
Getty Images/Westend61/zerocreatives
Hass im Netz

Reaktionen zu Gesetzespaket geteilt

Weit länger als geplant ist das Gesetzespaket verhandelt worden, am Donnerstag haben drei Ministerinnen ihre Maßnahmen gegen Hass im Netz präsentiert. Die Opposition reagierte großteils unzufrieden, ein großer Wurf wird nicht gesehen. Auch NGOs üben Kritik – aus Sorge um die freie Meinungsäußerung und wegen des österreichischen Alleingangs.

Das Paket hätte schon im Juli fertig sein sollen, nun wurde es von Justizmnisterin Alma Zadic (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, Frauenministerin Susanne Raab (beide ÖVP) und der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer vorgestellt. Es soll die Handhabe gegen hetzerische und beleidigende Inhalte im Internet vereinfachen und beschleunigen sowie Kommunikationsplattformen stärker in die Pflicht nehmen.

Das Paket war mit Spannung erwartet worden, die Reaktionen fielen geteilt aus. Von der Opposition kam herbe Kritik. Katharina Kucharowits, netzpolitische Sprecherin des SPÖ-Parlamentsklubs, sagte in einer Aussendung, der Gesetzesentwurf übergebe die Verantwortung zur Löschung von Inhalten wieder den großen Plattformen selbst. „Die Entscheidung, ob etwas verboten oder erlaubt ist, muss eine staatliche bzw. unabhängige Stelle treffen und nicht ein privater Onlinemonopolist“, forderte die Abgeordnete.

Außerdem sei ein Mehraufwand für die Justiz, die ohnehin überlastet sei, zu erwarten. Kucharowits bemängelte zudem, die Regierung lege keinen großen Wert auf den Parlamentarismus. „Während dem Nationalrat noch nichts schwarz auf weiß vorliegt, liegt der Gesetzesentwurf bereits bei der EU-Kommission zur Notifikation“, kritisierte sie. Die Begutachtung müsse aber ernst genommen werden.

FPÖ ortet Zensur gegen politische Mitbewerber

FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst sah das Regelwerk als Justizentlastungspaket, wie sie in einer Aussendung mitteilte. „Statt österreichischer Juristen werden zukünftig Praktikanten von Großkonzernen – auf Zuruf – über Österreicher urteilen“, kritisierte die Freiheitliche.

Präsentation des Gesetzespakets gegen Hass im Netz

Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) und Sigrid Maurer (Klubobfrau der Grünen) präsentierten das Gesetzespaket gegen Hass im Netz.

Fürst sieht in dem Paket der Regierung außerdem einen „weiteren Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte“, wie sie sagte. „Unter dem Vorwand, eine bessere und schnellere Rechtsdurchsetzung zum Beispiel für Mobbingopfer gewährleisten zu können, will die Regierung missliebige Meinungen kriminalisieren lassen“, so Fürst. Ähnlich FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl: „Von der Gesundheit bis zur Wirtschaft, vom Arbeitsmarkt bis zum Schulbesuch – diese schwarz-grüne Regierung produziert in der Corona-Krise nur Mist. Und dann müssen zur Ablenkung vier Frauen auftreten und ein Gesetz präsentieren, das so notwendig ist wie ein Kropf“, sagte Kickl.

„Der tatsächliche Hintergrund des neuen Gesetzes ist nichts anderes als die geplante Ausübung von Zensur. Man will den politischen Mitbewerber damit mundtot machen, indem man jedes Posting dann generalstabsmäßig meldet und die Netzbetreiber unter Androhung horrender Strafen zum Löschen zwingt“,so Kickl.

NEOS sah das neue Gesetz grundsätzlich positiv, vermisste aber die Zielgenauigkeit: „Jedes Gesetz, das Opferrechte stärkt und es Betroffenen leichter macht, gegen Hass im Netz vorzugehen, ist zu begrüßen“, sagte NEOS-Digitalisierungssprecher Douglas Hoyos. „Entgegen der Absicht der Ministerinnen, hauptsächlich die großen Plattformen erwischen zu wollen, sind die Grenzen mit 100.000 Userinnen und Usern und 500.000 Euro Umsatz zu niedrig“, kritisierte er aber.

Justizministerin Zadic über das Gesetz gegen Hass im Netz

Mit 700 bis 1.000 Eilverfahren pro Jahr rechnet Justuzministerin Alma Zadic (Grüne) durch das neue Gesetzespaket. Die auf den Weg gebrachte Plattformregulierung ziele auf all jene ab, auf die in Österreich kein direkter Zugriff bestehe – also auf Unternehmen wie Twitter, Facebook, TikTok und Ähnliche.

Organisationen wollen mehr Hilfe für Opfer

Lob und Kritik gab es von Organisationen, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen. Amnesty International bezeichnete die Maßnahmen etwa am Donnerstag als wichtig und überfällig. „Hass im Netz hat gravierende negative Auswirkungen auf das Zusammenleben“, sagte Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, in einer Aussendung.

Sie wies aber auch darauf hin, dass diese Maßnahmen nicht zulasten der Meinungsäußerungsfreiheit gehen dürften. Diese müsse geschützt werden. „Es muss für alle Menschen möglich sein, eine Meinung in eine Debatte einzubringen“, so Schlack. Die Entscheidung, ob Inhalte rechtswidrig sind oder nicht, dürfe nicht an private Unternehmen ausgelagert werden, hieß es. Außerdem forderte Amnesty weitere Maßnahmen und ausreichende Ressourcen für Beratungsstellen, Schulungen und zur Unterstützung von Betroffenen.

Grünen-Klubchefin Sigi Maurer, Justizministerin Alma Zadic (G), Verfassungs- und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP)
APA/Roland Schlager
Maurer, Zadic, Edtstadler und Raab präsentierten das Gesetzespaket. Kritik daran blieb nicht aus.

Die Beratungsstelle ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) begrüßten das Gesetzespaket, pochte aber ebenso auf die Wahrung der Meinungsfreiheit. Positiv bewertet wurde etwa, dass die Verantwortung für die Strafverfolgung nicht mehr im Bereich der betroffenen Personen liege. Es stelle sich die Frage, „ob Meinungsfreiheit insofern gegeben ist, dass weder Menschen in ihrer Menschenwürde verletzt und aus dem Netz vertrieben werden noch dass Plattformen aufgrund mangelhafter Vorgaben zu viele und intransparente Löschungen vornehmen“, so ZARA. Ähnlich wie von Amnesty kam auch von ZARA die Forderung, Betroffene nicht nur durch gesetzliche Rahmenbedingungen, sondern auch in der Praxis zu unterstützen.

„Auf Google gezielt, das halbe Internet erwischt“

Die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works kritisierte vor allem das Fehlen von Ausnahmen für kleinere Plattformen. „Mit der Schrotflinte auf Google gezielt und dabei das halbe Internet erwischt“, hieß es. Die Experten und Expertinnen kritisierten, dass kleinere Plattformen von den neuen Verpflichtungen ebenso betroffen sind, ohne Ausnahmen. Bei der Inhaltsmoderation der globalen Internetkonzerne wie Google, Facebook und TikTok gebe es außerdem grobe Mängel. Für sehr problematisch hielt epicenter.works auch die Strafbestimmungen des neuen Gesetzes.

Daniela Grabovac, Initiatorin von BanHate, sagte, das Paket sei insgesamt ein großer Schritt in die richtige Richtung. Die Regierung unterschätze aber den Umfang des Problems. Es drohe eine Überlastung der Gerichte, sollte es nicht zu einer Aufstockung des Personals kommen. Zudem seien österreichische Zeitungsforen vom geplanten Gesetz ausgenommen.

Alleingang als „Sand im Getriebe“

Das österreichische Gesetz muss nun in Begutachtung sowie wegen der Relevanz für den europäischen Binnenmarkt auch ein EU-Notifizierungsverfahren durchwandern. Die dreimonatige Frist läuft auf EU-Ebene gleichzeitig mit Bemühungen der Union, einheitliche Regeln für alle Mitgliedsstaaten zu schaffen. Von europäischer Seite soll allerdings ebenfalls noch in diesem Jahr ein Vorschlag für eine einheitliche Regelung vorgelegt werden, der „Digital Services Act“.

Der Netzpolitik-Journalist Alexander Fanta fragte im Rahmen des täglichen Briefings der EU nach der Position der Kommission zu dem Gesetzesentwurf aus Wien. Er verwies darauf, dass ein entsprechendes Gesetz in Frankreich etwa von Gerichten großteils gekippt wurde. Johannes Bahrke, Sprecher der Kommission, sagte, man „teilt das Ziel, illegale Inhalte im Netz zu bekämpfen“, jedoch verwies er darauf, dass ein konzertiertes Vorgehen der EU mehr bringe und Vorteile für alle Anwenderinnen und Anwender in den Mitgliedsländern bedeute.

Auch die Internet Service Providers Austria (ISPA) sprach sich gegen Österreichs Alleingänge aus. Diese seien „Stolpersteine für die EU“ im Kampf gegen Hass im Netz, so der Verband der österreichischen Internetwirtschaft. Es dürfe bei aller Unterstützung für Opfer „nicht vernachlässigt werden, die geplanten Maßnahmen in einem gesamteuropäischen Kontext zu bewerten“, so ISPA-Generalsekretär Maximilian Schubert. Österreichs Vorpreschen könne „zum Sand im Getriebe“ für die Debatte zum „Digital Services Act“ werden.

Bei „Upskirting“ droht Haft

Kernpunkt des Gesetzespakets ist, dass Hasspostings künftig leichter geahndet werden können und betroffene Userinnen und User sich rasch, kostengünstig und niederschwellig wehren können. Der Verhetzungstatbestand soll verschärft und Cybermobbing auch dann strafbar werden, wenn beleidigendes Bildmaterial nur einmal hochgeladen wird. Für das unbefugte Fotografieren des Intimbereichs – „Upskirting“ – soll künftig bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe drohen.

Das jetzt in Begutachtung gehende Paket gegen Hass im Netz bringt eine neue Plattformverantwortlichkeit für große Onlineforen (ausgenommen Enzyklopädien wie Wikipedia, Handelsportale und Medienforen). Mit einem neuen – und in den ersten drei Jahren kostenfreien – Schnellverfahren können Betroffene rasch die Löschung beleidigender oder übergriffiger Forenbeiträge erreichen.

Plattformen mit mehr als 100.000 Nutzern und einem Umsatz von über 500.000 Euro müssen dazu künftig ein Meldeformular zur Verfügung stellen, mit dem man strafbare Hassreden melden kann. Die Betreiber der Seiten sind dann verpflichtet, binnen 24 Stunden gemeldete Verstöße zu prüfen und, sofern das Gesetz zutrifft, gegebenenfalls zu sperren. Ist ein Posting offensichtlich rechtswidrig, muss es „unverzüglich“ gelöscht werden.