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APA/AFP/Denis Charlet
„Hass im Netz“-Paket

Facebook und Google kritisieren Alleingang

Neben den geteilten Reaktionen von Opposition und NGOs auf das am Donnerstag von der türkis-grünen Koalition vorgelegte Gesetzespaket gegen Hass im Netz haben nun die US-Onlinegiganten Google und Facebook europäische Lösungen statt nationaler Ansätze gefordert.

Ein Sprecher von Google Austria teilte außerdem mit, dass der Konzern es als seine Verpflichtung sehe, „Hassrede von unseren Plattformen zu verbannen“. „In den vergangenen Jahren haben wir intensiv mit verschiedenen Behörden zusammengearbeitet, um hier Änderungen vorzunehmen, die unsere Nutzerinnen und Nutzer online schützen“, teilte Google Austria in einer kurzen Stellungnahme mit und bekundete Zweifel am neuen Entwurf der Regierung.

„Wir sind uns nicht sicher, wie sich dieses neue Gesetz auf die Grundrechte wie Meinungsfreiheit und den Zugang zu Informationen auswirken wird“, so die Bedenken. Der Sprecher zeigte sich auch besorgt darüber, „dass unterschiedliche nationale Ansätze zu einer Fragmentierung des digitalen europäischen Binnenmarkts führen“ könnten. „Wir treten daher dafür ein, dass die Länder der EU auf einen gemeinsamen europäischen Ansatz hinarbeiten“, hieß es von Google Austria.

Facebook verweist auf ISPA

Facebook verwies in seiner Reaktion auf eine Stellungnahme der Internet Service Providers Austria (ISPA). Darin werden nationale Alleingänge als Stolpersteine für die EU im Kampf gegen Hass im Netz bezeichnet. Auch Facebook wünscht sich als Teil dieses Verbands eine europäische Lösung.

Die ISPA unterstützt zwar das Ansinnen der Bundesregierung, „dass alle Menschen die Vorzüge des Internets ohne Angst vor illegalen Anfeindungen nutzen können“, wie sie in ihrer Stellungnahme schrieb. „Der Verband der österreichischen Internetwirtschaft begrüßt jene Maßnahmen, die Betroffene von Hasspostings unterstützen und Rechtssicherheit für Provider schaffen.“

Heimisches Vorpreschen „Sand im Getriebe“

Dabei dürfe aber nicht vernachlässigt werden, die geplanten Maßnahmen in einem gesamteuropäischen Kontext zu bewerten, so ISPA-Generalsekretär Maximilian Schubert, für den die „national betriebene Fragmentierung“ von einem „schockierenden Mangel an Vertrauen in die Arbeit der EU-Institutionen“ zeuge.

Den angedachten nationalen Alleingang sieht die ISPA kontraproduktiv. Wie Onlineplattformen mit illegalen Inhalten umgehen sollen, werde derzeit „intensiv und mit hoher Umsicht auf europäischer Ebene im Rahmen der Verhandlungen zum Digital Services Act diskutiert“, hieß es in der Stellungnahme. Das österreichische Vorpreschen könne für diesen Prozess zum Sand im Getriebe werden, fürchtet die ISPA.

Keine Kritik, aber eine Befürchtung kommt vonseiten der Richtervereinigung: Diese sieht einen deutlichen Mehraufwand auf Richterinnen und Richter zukommen. Die Ausweitung werde zu einem Anstieg an Verfahren führen, sagte Präsidentin Sabine Matejka gegenüber der ZIB2 und im „Kurier“ (Freitag-Ausgabe). Im Entwurf der Regierung seien zudem keine Personalressourcen berücksichtigt. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zeigte Verständnis und will abwarten.

„Grundsätzlich guter Zugang“

Der Grund für die Sorgen: Zwar müssen bei Delikten wie übler Nachrede und Beleidigung Opfer die Täter selbst ausforschen und bei der Anzeige nennen, da es sich um keine Offizialdelikte handelt. Bei Hasspostings allerdings können betroffene Personen künftig per Antrag das Gericht um die Ausforschung bitten. Das sei ein neuer, enormer Aufwand, sagte Matejka. Das Eilverfahren hält sie aber grundsätzlich für einen „guten Zugang“.

Präsentation des Gesetzespakets gegen Hass im Netz

Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) und Sigrid Maurer (Klubobfrau der Grünen) präsentierten das Gesetzespaket gegen Hass im Netz.

Das österreichische Gesetz muss nun in Begutachtung sowie wegen der Relevanz für den europäischen Binnenmarkt auch ein EU-Notifizierungsverfahren durchwandern. Die dreimonatige Frist läuft auf EU-Ebene gleichzeitig mit Bemühungen der Union, einheitliche Regeln für alle Mitgliedsstaaten zu schaffen. Von europäischer Seite soll allerdings ebenfalls noch in diesem Jahr ein Vorschlag für eine einheitliche Regelung vorgelegt werden, der „Digital Services Act“.

Paket wurde mit Spannung erwartet

Weit länger als geplant war das Gesetzespaket verhandelt worden, am Donnerstag präsentierten dann drei Ministerinnen ihre Maßnahmen gegen Hass im Netz präsentiert. Das Paket hätte schon im Juli fertig sein sollen, nun wurde es von Justizmnisterin Alma Zadic (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, Frauenministerin Susanne Raab (beide ÖVP) und der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer vorgestellt.

Es soll die Handhabe gegen hetzerische und beleidigende Inhalte im Internet vereinfachen und beschleunigen sowie Kommunikationsplattformen stärker in die Pflicht nehmen. Das Paket war mit Spannung erwartet worden.

SPÖ kritisiert Übergabe der Verantwortung

Von der Opposition kam herbe Kritik. Katharina Kucharowits, netzpolitische Sprecherin des SPÖ-Parlamentsklubs, sagte in einer Aussendung, der Gesetzesentwurf übergebe die Verantwortung zur Löschung von Inhalten wieder den großen Plattformen selbst. „Die Entscheidung, ob etwas verboten oder erlaubt ist, muss eine staatliche bzw. unabhängige Stelle treffen und nicht ein privater Onlinemonopolist“, forderte die Abgeordnete.

Außerdem sei ein Mehraufwand für die Justiz, die ohnehin überlastet sei, zu erwarten. Kucharowits bemängelte zudem, die Regierung lege keinen großen Wert auf den Parlamentarismus. „Während dem Nationalrat noch nichts schwarz auf weiß vorliegt, liegt der Gesetzesentwurf bereits bei der EU-Kommission zur Notifikation“, kritisierte sie. Die Begutachtung müsse aber ernst genommen werden.

FPÖ ortet Zensur politischer Mitbewerber

FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst sah das Regelwerk als Justizentlastungspaket, wie sie in einer Aussendung mitteilte. „Statt österreichischer Juristen werden zukünftig Praktikanten von Großkonzernen – auf Zuruf – über Österreicher urteilen“, kritisierte die Freiheitliche.

Kritik kam auch von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl: „Der tatsächliche Hintergrund des neuen Gesetzes ist nichts anderes als die geplante Ausübung von Zensur. Man will den politischen Mitbewerber damit mundtot machen, indem man jedes Posting dann generalstabsmäßig meldet und die Netzbetreiber unter Androhung horrender Strafen zum Löschen zwingt“,so Kickl.

NEOS sah das neue Gesetz grundsätzlich positiv, vermisste aber die Zielgenauigkeit: „Jedes Gesetz, das Opferrechte stärkt und es Betroffenen leichter macht, gegen Hass im Netz vorzugehen, ist zu begrüßen“, sagte NEOS-Digitalisierungssprecher Douglas Hoyos. „Entgegen der Absicht der Ministerinnen, hauptsächlich die großen Plattformen erwischen zu wollen, sind die Grenzen mit 100.000 Userinnen und Usern und 500.000 Euro Umsatz zu niedrig“, kritisierte er aber.

Justizministerin Zadic über das Gesetz gegen Hass im Netz

Mit 700 bis 1.000 Eilverfahren pro Jahr rechnet Justuzministerin Alma Zadic (Grüne) durch das neue Gesetzespaket. Die auf den Weg gebrachte Plattformregulierung ziele auf all jene ab, auf die in Österreich kein direkter Zugriff bestehe – also auf Unternehmen wie Twitter, Facebook, TikTok und Ähnliche.

Organisationen für Wahrung der Meinungsfreiheit

Lob und Kritik gab es von Organisationen, die sich schon lange mit dem Thema beschäftigen. Amnesty International bezeichnete die Maßnahmen etwa am Donnerstag als wichtig und überfällig. „Hass im Netz hat gravierende negative Auswirkungen auf das Zusammenleben“, sagte Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, in einer Aussendung. Sie wies aber auch darauf hin, dass diese Maßnahmen nicht zulasten der Meinungsäußerungsfreiheit gehen dürften.

Grünen-Klubchefin Sigi Maurer, Justizministerin Alma Zadic (G), Verfassungs- und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP)
APA/Roland Schlager
Maurer, Zadic, Edtstadler und Raab präsentierten das Gesetzespaket. Kritik daran blieb nicht aus.

Die Beratungsstelle ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) begrüßtedas Gesetzespaket, pochte aber ebenso auf die Wahrung der Meinungsfreiheit. Positiv bewertet wurde etwa, dass die Verantwortung für die Strafverfolgung nicht mehr im Bereich der betroffenen Personen liege. Ähnlich wie von Amnesty kam auch von ZARA die Forderung, Betroffene nicht nur durch gesetzliche Rahmenbedingungen, sondern auch in der Praxis zu unterstützen.

„Auf Google gezielt, das halbe Internet erwischt“

Die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works kritisierte vor allem das Fehlen von Ausnahmen für kleinere Plattformen. „Mit der Schrotflinte auf Google gezielt und dabei das halbe Internet erwischt“, hieß es. Die Experten und Expertinnen kritisierten, dass kleinere Plattformen von den neuen Verpflichtungen ebenso betroffen sind, ohne Ausnahmen. Daniela Grabovac, Initiatorin von BanHate, sagte, das Paket sei insgesamt ein großer Schritt in die richtige Richtung. Die Regierung unterschätze aber den Umfang des Problems.

Bei „Upskirting“ droht Haft

Kernpunkt des Gesetzespakets ist, dass Hasspostings künftig leichter geahndet werden können und betroffene Userinnen und User sich rasch, kostengünstig und niederschwellig wehren können. Der Verhetzungstatbestand soll verschärft und Cybermobbing auch dann strafbar werden, wenn beleidigendes Bildmaterial nur einmal hochgeladen wird. Für das unbefugte Fotografieren des Intimbereichs – „Upskirting“ – soll künftig bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe drohen.

Das jetzt in Begutachtung gehende Paket gegen Hass im Netz bringt eine neue Plattformverantwortlichkeit für große Onlineforen (ausgenommen Enzyklopädien wie Wikipedia, Handelsportale und Medienforen). Mit einem neuen – und in den ersten drei Jahren kostenfreien – Schnellverfahren können Betroffene rasch die Löschung beleidigender oder übergriffiger Forenbeiträge erreichen.

Plattformen mit mehr als 100.000 Nutzern und einem Umsatz von über 500.000 Euro müssen dazu künftig ein Meldeformular zur Verfügung stellen, mit dem man strafbare Hassreden melden kann. Die Betreiber der Seiten sind dann verpflichtet, binnen 24 Stunden gemeldete Verstöße zu prüfen und, sofern das Gesetz zutrifft, gegebenenfalls zu sperren. Ist ein Posting offensichtlich rechtswidrig, muss es „unverzüglich“ gelöscht werden.