Grafik zeigt Österreichkarte mit „CoV-Ampel“
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Coronavirus

Erste Ampelschaltung erhitzt Gemüter

Die erste Schaltung der Coronavirus-Ampel hat für gemischte Gefühle gesorgt. Aus Linz gab es teils scharfe Kritik. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) ortete einen „klassischen Fehlstart“, der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) sprach von „Willkür“ bei der „Farbgebung“.

Am Freitag nahm die Ampel offiziell ihren Betrieb auf. Die Städte Wien, Graz und Linz sowie der Bezirk Kufstein wurden auf Gelb gesetzt und müssen demnächst eine erweiterte Maskenpflicht umsetzen. Das war die erste Empfehlung der CoV-Kommission. Das Gremium berät sich ab sofort wöchentlich und gibt auf Basis mehrerer Indikatoren (Fallzahl, Zahl der Tests, Kapazitäten im Gesundheitsbereich und Virusquelle) dem Gesundheitsminister eine Empfehlung, auf welche Ampelfarbe ein Bezirk bzw. eine größere Stadt springen soll. Mit der Farbe gehen die Maßnahmen einher, die die jeweilige Behörde umzusetzen hat.

Dass es künftig zu Debatten über die Schaltungen kommen wird, dürfte auch an der Zusammensetzung der 19-köpfigen Kommission liegen. Neben den fünf von der Regierung nominierten Expertinnen und Experten und den fünf Vertreterinnen und Vertretern des Bundes schicken auch die neun Bundesländer jeweils einen Vertreter bzw. eine Vertreterin in die Kommission. Für die erste Schaltung wurden zehn Bezirke, die über dem „Signalwert“ lagen, angeschaut. Bei jenen sechs Bezirken, die auf Grün blieben, gab es eine einstimmige Empfehlung der Kommission, bei den vier anderen Gebieten „nur“ mehrheitliche.

„Wir waren einigermaßen überrascht“

Der Linzer Bürgermeister Luger kündigte bereits an, obwohl die Stadt nun auf Gelb steht, keine weiteren Verschärfungen durchzuführen. Für ihn ist die „Farbgebung absolut nicht nachvollziehbar und steht in keiner Relation zur Realität in der Stadt“. Landeshauptmann Stelzer stieß wenig später ins selbe Horn: „Wenn die Politik und Verwaltung Maßnahmen setzen, müssen sie sich immer die Frage stellen, ob diese Maßnahmen für die Menschen nachvollziehbar und verständlich sind. In diesem Fall und bei dieser Entwicklung in Linz ist das eindeutig zu verneinen“ – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Zuvor hatte der Leiter der Kommission, Ulrich Herzog, die erstmalige Schaltung der Ampel verteidigt. „Die Lage in Linz ist schon eine langfristige, und die aufgetretenen Erkrankungsfälle haben einen regionalen Bezug“, sagte Herzog im Ö1-Mittagsjournal. In Oberösterreich habe es auch mehrere „Auffälligkeiten“ gegeben. Laut Stelzer hat man die Lage jedenfalls in ganz Oberösterreich im Griff. Umso unverständlicher sei für ihn die Entscheidung, Linz auf Gelb zu schalten.

Platter reagierte zurückhaltend

In Wien reagierte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gelassener. „Die Entscheidung für eine gelbe Ampelschaltung für größere Städte und urbane Zentren war erwartbar“, hieß es in einer Stellungnahme. Die Schaltung auf Gelb nahm er zur Kenntnis, forderte allerdings gleichzeitig mehr Transparenz bei der Einstufung. Außerdem brauche es eine rechtliche Basis für die Folgen der Ampelschaltungen. Es sei nämlich nicht ganz klar, wie die Veränderungen der Ampel zustande kommen und welche konkreten Auswirkungen sie nach sich ziehen, so der Bürgermeister – mehr dazu in wien.ORF.at.

Ähnlich äußerten sich der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und der Grazer Bürgermeister Sigfried Nagl (beide ÖVP) zur Gelbschaltung der steirischen Landeshauptstadt. Für Ballungszentren sei die Schaltung „nicht überraschend“, und es gebe „auch keinen Grund für übertriebene Aufregung. Bei aller notwendigen Vorsicht dürfen wir auch die Zuversicht nicht verlieren, damit sich die Wirtschaft erholt und Arbeitsplätze gesichert sind“, sagte der Landeshauptmann – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Das Land Tirol reagierte hingegen verhalten auf die Schaltung im Bezirk Kufstein. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) sagte, er wolle nicht mit Kritik beginnen, „schließlich stehen wir noch am Beginn der Ampelregelung“. Er pochte auf eine Differenzierung der Maßnahmen je nach Region. Und er will die Verordnung abwarten – mehr dazu in tirol.ORF.at. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sprach sich auch für eine regionale Differenzierung aus und zeigte sich erfreut, dass das Land Kärnten auf Grün geschaltet wurde – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

Novellierung der Gesetze noch nicht durch

Bereits seit einer Woche war die Ampel auf Probebetrieb. Am Freitag ging aber auch die Website Corona-ampel.gv.at mit allen Daten und Informationen online. Das System operiert mit den Farben Grün (niedriges Risiko), Gelb (mittleres), Orange (hohes) und Rot (sehr hohes Risiko). Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprachen von einem entscheidenden Schritt für den Herbst. Wichtig sei, dass es je nach Ampelfarbe regionale Maßnahmen gibt. Allerdings gilt auch weiterhin Eigenverantwortung jeder einzelnen Person.

Pressekonferenz zum Start der CoV-Ampel

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Daniela Schmid (Leiterin Abteilung Infektionsepidemiologie der AGES und Sprecherin der CoV-Kommission) haben am Freitag die erste Schaltung der CoV-Ampel präsentiert.

Für Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sei die Aufgabe der Ampel auch eine Prävention. Es sei nicht nur wichtig zu reagieren, sondern auch vorzusorgen, so der Minister. Zur aktuellen Schaltung betonte Anschober: „Grün ist kein Freibrief.“ Auch bei Grün sei eine Ansteckung möglich. „Man muss genauso aufmerksam sein, vorsichtig sein und die Hygienemaßnahmen einhalten.“ Einen Lockdown wie im März dieses Jahres schloss Anschober bei der Ampelfarbe Rot aus. Jeden Freitag sollen nun die Farbempfehlungen der Kommission veröffentlicht werden.

Welche Farbe letztlich vergeben wird, liegt in der Hand der Politik, also bei Anschober, Landeshauptleuten und Bezirkshauptleuten. Der Minister hatte zuletzt angekündigt, sich an die Empfehlungen der Kommission halten zu wollen. Die umfassende rechtliche Verankerung der Ampel kann erst Ende September erfolgen, dazu ist die Novellierung des Epidemiegesetzes und des Covid-19-Maßnahmengesetzes notwendig – seit Dienstag ist dazu ein „Expertenbeirat Recht“ hinzugezogen. Die Novellierung kann erst bei der nächsten Nationalratssitzung am 23. September beschlossen werden.

SPÖ und FPÖ üben Kritik, NEOS teils zufrieden

Momentan werden die Maßnahmen noch auf Basis der Lockerungsverordnung ergriffen. Da nun drei Städte sowie ein Bezirk auf Gelb gestellt wurden, muss diese Verordnung allerdings präzisiert werden. Das Sozialministerium kündigte bereits eine Novelle an. In Wien, Linz, Graz und Kufstein soll ein Mund-Nasen-Schutz in Kundenbereichen von Betriebsstätten (etwa Einzelhandel) getragen werden. In der Gastronomie muss das Personal mit Kundenkontakt den Schutz tragen. Die Regeln zu Veranstaltungen für den gelben Ampelbereich werden voraussichtlich mit 1. Oktober in Kraft treten.

Grafik zur CoV-Ampel in Schulen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Unterrichtsministerium

Unterschiedlich fielen die Reaktionen der Oppositionsparteien im Bund aus. Die SPÖ sprach von einem „Farbenspiel ohne gesetzliche Grundlagen“. Es herrsche ein rechtliches Vakuum, sagte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Anschober dürfe hier nicht durchpeitschen und verlangen, dass die Opposition ohne Begutachtung die Ampelgesetzgebung abstimmen soll. Auch die FPÖ äußerte sich kritisch zum Ampelsystem. Die CoV-Ampel diene ÖVP und Grünen lediglich dazu, die Grund- und Freiheitsrechte der Österreicher nach Belieben weiter einschränken zu können, so FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl.

Positiv reagierte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker: "Nach einer Reihe von inhaltsleeren Erklärungen hat die Regierung endlich unsere andauernde Kritik aufgenommen und einen Schritt zu mehr Klarheit für die Bevölkerung geliefert. Angesichts des Schulbeginns im Osten am Montag hätten wir uns diesen Schritt jedoch früher erwartet. Offen bleibt noch, ab wann die jeweiligen Maßnahmen gesetzt werden. Auch hier gilt: Die Bürgerinnen und Bürger müssen so bald wie möglich darüber informiert werden.“

Gastronomie und Kultur nicht überrascht

Wirtschaftskammer-Gastrospartenobmann Mario Pulker zeigte sich über die möglichen Regeln im Rahmen der Ampel nicht überrascht. „Es gibt nicht etwas, was wir nicht erwartet haben“, sagte Pulker. Das Wichtigste für die Betriebe sei Planungssicherheit. Die Maskenpflicht für das Servicepersonal bei Stufe Gelb sieht der Gastrovertreter nicht als Problem. Details vermisst Pulker zu Quarantänebestimmungen, sollte es zu einem Infektionsfall unter den Beschäftigten kommen.

Zufrieden mit dem Ergebnis der Ampel ist Grünen-Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer. „Die Ampel stellt ein sinnvolles Arbeitsinstrument dar, um angemessen auf die jeweilige Situation in der jeweils betroffenen Region reagieren zu können. Mit den Rahmenbedingungen können auch die Kulturinstitutionen gut arbeiten“, so Mayer. Ihr sei wichtig gewesen, dass auch bei Ampelfarbe Gelb große Veranstaltungen stattfinden können und den Künstlerinnen und Künstlern Auftrittsmöglichkeiten geboten werden, was der Fall sei.