Blick ins Plenum im Ausweichquartier des Parlaments, in dem auch die Sitzungen des Bundestags stattfinden
APA/Robert Jaeger
Verzögerung möglich

Weiter Kritik an CoV-Ampel

Lange war sie angekündigt, am Freitag ist sie präsentiert worden: Die CoV-Ampel soll Österreichs Regionen einen Überblick über die Lage sowie Handlungsanweisungen geben, um das Virus zu bekämpfen. Doch die Kritik reißt nicht ab. Die betroffenen Bezirke sind ebenso unzufrieden wie die Opposition.

Freitag ist nun „Ampel-Tag“: Am Ende der Arbeitswoche wird die CoV-Ampel neu geschaltet, also das Infektionsrisiko in den Bezirken neu bewertet. Bei der Premiere wurde der Großteil des Landes grün eingestuft (geringes Risiko), vier Regionen aber gelb (mittleres Risiko): die Städte Linz, Graz, Wien und der Bezirk Kufstein. Seither reißt die Kritik nicht ab.

Ein Anlass dafür sind unterschiedliche Ansichten über die gesetzliche Basis: Steht die Ampel in einem Gebiet auf Gelb, sind zusätzliche Schutzmaßnahmen vorgesehen. So ist ein Mund-Nasen-Schutz in Kundenbereichen von Betriebsstätten zu tragen. In der Gastronomie muss das Personal mit Kundenkontakt Maske tragen. Dazu ist aber zunächst eine Novelle der Lockerungsverordnung nötig, die das Gesundheitsministerium kommende Woche erlassen will.

Die umfassende rechtliche Verankerung der Ampel kann aber erst Ende September erfolgen, dazu ist die Novellierung des Epidemiegesetzes und des Covid-19-Maßnahmengesetzes notwendig. Sie kann erst bei der nächsten Nationalratssitzung am 23. September beschlossen werden. Der Bundesrat ist dann am 8. Oktober an der Reihe.

Abwägen und abwarten

SPÖ und FPÖ wollen den Beschluss womöglich aber bekämpfen. Die Zeitung „Österreich“ hatte gemeldet, beiden Oppositionsparteien wollten dem geplanten Gesetz im Bundesrat nicht zustimmen, zumindest nicht in der vorliegenden Version. Die Handhabe der Ampel sei chaotisch und nicht nachvollziehbar, so der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried. Das Büro von FPÖ-Chef Norbert Hofer schloss sich der Ablehnung an. Gegenüber der APA betonte die SPÖ wenig später, dass man noch keine Entscheidung getroffen habe. Man wolle abwarten, wie die vom Gesundheitsministerium angekündigten Änderungen dann tatsächlich aussehen.

Sollte die SPÖ im Nationalrat nicht zustimmen, wäre das realpolitisch ohne Folgen. Eine Ablehnung im Bundesrat würde aber gegebenenfalls eine Verzögerung von bis zu acht Wochen zur Folge haben. Die Opposition, die in der Länderkammer die Mehrheit hat, hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten, ihre Ablehnung zu deponieren. Legt man aktiv ein Veto ein, kann der Nationalrat nach wenigen Tagen mittels Beharrungsbeschlusses die Materie dennoch durchdrücken. Lässt man das Gesetz allerdings einfach liegen, behandelt es also gar nicht im Plenum des Bundesrats, ergibt sich eine Verzögerung von bis zu acht Wochen. Dann könnte die gesetzliche Basis für die Ampelmaßnahmen überhaupt erst Ende November geschaffen werden.

Debatte über CoV-Ampel hält an

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat in Sachen CoV-Ampel eine „weitere regionale Differenzierung auch innerhalb von Bezirksgrenzen“ in Aussicht gestellt.

Scharfe Kritik hatten zuvor auch die auf Gelb geschalteten Städte Wien und Linz geübt. Anhand der Zahlen sei die Einstufung nicht nachvollziehbar, hieß es. In Linz hatte Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) angekündigt, die Maßnahmen infolge der Ampel erst umzusetzen, wenn die gesetzliche Basis dafür in Kraft sei.

Hacker sieht politische Färbung

Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sagte, eine regionale Differenzierung ergebe in Wien keinen Sinn, da die Menschen ja nicht ausschließlich innerhalb von Bezirken leben würden. Auch sonst ließ er kein gutes Haar an der Ampel und vermutete eine politische Färbung bei den Schaltungen.

Im Ö1-Mittagsjournal erkannte er eine Lust, rote Städte gelb einzufärben. Bezugnehmend auf die Bundeshauptstadt meinte Hacker, das sei wahrscheinlich dem Wiener Wahlkampf geschuldet. An sich sei die Ampel zu begrüßen, aber sie sei noch nicht fertig, und die Konsequenzen seien nicht klar, so Hacker. „Ich glaube, dass da noch ein bisschen Unseriosität drinnen ist. Und diese Seriosität, die da notwendig ist, um ein brauchbares Gesundheitsinstrument zu machen, die müssen wir uns erst erkämpfen und erarbeiten“, sagte Hacker – mehr dazu in wien.ORF.at.

Anschober stellt weitere Differenzierung in Aussicht

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte bereits Präzisierungen des Gesetzes angekündigt. Auch am Samstag sprach er über mögliche Änderungen. So könnte die „regionale Differenzierung“ auch innerhalb von Bezirksgrenzen stattfinden, wurde Anschober in einer Aussendung des Landes Tirol zitiert. Der Minister hatte sich am Freitagabend mit Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) in Innsbruck zu einem Arbeitsgespräch getroffen.

Platter hatte eine derartige Differenzierung im Vorfeld des Treffens urgiert und als Beispiel das derzeit infektionsfreie Alpbachtal im auf Gelb geschalteten Bezirk Kufstein genannt. „Die ersten Erfahrungen haben gezeigt, dass einzelne Talschaften oder Regionen bei der Bewertung der epidemiologischen Situationen nicht treffsicher genug abgebildet sind“, unterstrich der Landeschef am Samstag – mehr dazu in tirol.ORF.at.

„Wo Bedarf ist“

Bei einer Pressekonferenz am Nachmittag konkretisierte Anschober seinen Vorstoß: Es gehe ihm darum, dass man die Abgrenzung noch spezifischer vornehme, nicht nur auf Bezirksebene. „Dort, wo der Bedarf da ist. Das kann ein halber Bezirk sein oder auch drei Gemeinden.“ Als mögliches Anschauungsbeispiel für eine solche noch stärkere regionale Differenzierung nannte Anschober etwa Niederösterreich, wo es einen Flächenbezirk gebe, der vom Wiener Umland „bis ins Gebirge“ reiche. Dort könnte dann eine unterschiedliche virologische Situation vorliegen, die letztlich für eine Abgrenzung gegeben sein müsse.

Gleichzeitig warnte Anschober aber vor einem „Fleckerlteppich“. Bei Gemeinden mit etwas unterschiedlicher Infektionslage, die „eng beisammen“ liegen würden, weiter zu differenzieren, sei etwa „nicht machbar“.

Anschober reagiert auf Kritik gelassen

Anschober blieb hinsichtlich der Kritik aus Linz und Wien gelassen. Die Expertenkommission habe „faktenbasierte Vorschläge“ bzw. Empfehlungen abgegeben – und diese setze er um. Einen konkreten Grund für die Einschätzung der Situation in Linz wollte Anschober nicht nennen, aber: Er habe der öffentlichen Diskussion, an der sich auch diese Experten beteiligt hätten, entnommen, dass in Linz Clusterbildungen „schon relativ lange und relativ stabil“ bestehen.

Die Reaktion der politisch Verantwortlichen in Oberösterreich habe ihn „verwundert“, so der Minister, selbst Oberösterreicher. Denn schließlich hätten im Bundesland bis vor einer Woche hinsichtlich Mund-Nasen-Schutz dieselben Rahmenbedingungen gegolten, die nun mit der Gelb-Stellung einhergehen.

VfGH-Präsident nimmt Regierung ein wenig in Schutz

Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Christoph Grabenwarter, verglich die Ampel in der Ö1-Interviewreihe „Im Journal zu Gast“ mit der echten Ampel im Straßenverkehr. Auch hier gehe es darum, den Menschen rasch zu signalisieren, was sie tun müssten, um sich selbst und andere zu schützen. Die Frage, ob diese Verordnungsdichte der Bevölkerung zumutbar sei, bejahte Grabenwarter. „Das muss zumutbar sein“, schließlich stehe das Leben und die Gesundheit von Menschen auf dem Spiel.

Der VfGH-Präsident zeigte auch ein gewisses Verständnis dafür, dass Gesetze und Verordnungen in der Coronavirus-Krise so mangelhaft gestaltet waren, dass sie vom Höchstgericht aufgehoben werden mussten. Er sprach von einer speziellen Situation, in der sich die Regierung befunden habe, auch da etwa der Gesundheitsminister erst kurz im Amt war.