Donald Trump salutiert vor Absolventen der Militärakademie
Reuters/Mike Segar
US-Wahlkampf

Trumps Fehlstart in das Finale

Nichts zu feiern hat es für Donald Trump am diesjährigen „Labor Day“ in den USA am Montag gegeben: Knapp zwei Monate vor der US-Präsidentschaftswahl geriet der Amtsinhaber stark in die Defensive. Ein neues Enthüllungsbuch, parteiinterner Widerstand, vor allem aber angebliche abfällige Äußerungen über US-Soldaten gefährden seine Wiederwahl.

Bisher wurden nur zehn der 44 Präsidenten in der US-Geschichte abgewählt, derzeit deutet einiges daraufhin, dass Trump Nummer elf werden könnte. Vor allem die vergangenen Woche verlief denkbar schlecht für ihn. Das US-Magazin „The Atlantic“ hatte am Donnerstag berichtet, Trump habe während einer Frankreich-Reise im November 2018 im Ersten Weltkrieg gefallene US-Soldaten als „Verlierer“ und „Trottel“ bezeichnet. Der US-Präsident habe einen geplanten Besuch des US-Militärfriedhofs Aisne-Marne bei Paris mit den Worten abgelehnt: „Warum sollte ich diesen Friedhof besuchen? Er ist voller Verlierer.“

Offiziell hatte die US-Delegation die Absage des Friedhofsbesuchs mit zu schlechtem Wetter für einen Hubschrauberflug begründet. „The Atlantic“ schrieb dagegen, Trump habe den Besuch damals abgesagt, weil er Angst um seine Frisur gehabt habe und weil er nicht daran glaube, dass es wichtig sei, amerikanische Gefallene zu ehren. In einem weiteren Gespräch auf derselben Reise habe Trump die mehr als 1.800 auf dem Friedhof bestatteten US-Soldaten als „Trottel“ bezeichnet, berichtete „The Atlantic“ unter Berufung auf vier Zeugen.

Demonstranten vor Trump-Golfclub
AP/Patrick Semansky
Trump-Gegner empfingen den Präsidenten am Wochenende vor seinem Golfclub in Virginia

Heer hat heilig zu sein

Die Anschuldigung, gefallene Soldaten nicht zu ehren, ist für einen prominenten US-Politiker ein schwerer Vorwurf – und erst recht für den Präsidenten, der auch der Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. Das Militär genießt in den USA einen sehr hohen Stellenwert. Entsprechend voll waren die US-Medien und Sozialen Netzwerke mit Berichten über Trumps angebliche Äußerungen.

Trumps Herausforderer Joe Biden etwa schrieb auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „Herr Präsident: Wenn Sie unsere Truppen nicht respektieren, dann können Sie sie auch nicht führen.“ Die Anschuldigungen seien „abscheulich“. Auch der ehemalige Verteidigungsminister Chuck Hagel, ein Republikaner, sagte dem ABC-Magazin „This Week“, dass die Bemerkungen, wenn sie wahr seien, „verabscheuungswürdig“ seien. Hagel sagte, die Berichte seien insofern „glaubwürdig“, als sie mit früheren Äußerungen Trumps übereinstimmten, in denen er Militärangehörige verunglimpfte, darunter den ehemaligen US-Verteidigungsminister James Mattis sowie den verstorbenen US-Senator John McCain.

Trump selbst bestritt die Vorwürfe in einer Serie erzürnter Tweets – es handle sich um eine „Fake-Geschichte“. Für ihn seien gefallene Soldaten „absolute Helden“. Den Autoren des ursprünglichen Berichts, „Atlantic“-Chefredakteur Jeffrey Goldberg, bezeichnete Trump als „Schleimkugel“. Zudem habe er McCain nie als „Verlierer“ bezeichnet: „Ich war nie ein großer Fan von John McCain“, räumte Trump ein. Er habe aber, „ohne zu zögern“, Trauerbeflaggung angeordnet und ein Flugzeug nach Arizona geschickt, um den Sarg mit dem Leichnam McCains nach Washington zu bringen. Auch First Lady Melania Trump verteidigte ihren Mann auf Twitter.

Selbst Fox News zeigt sich kritisch

Trumps Zorn ergoss sich selbst über den ihm sonst treu ergebenen Sender Fox News. Die Fernsehjournalistin Jennifer Griffin solle wegen ihrer Berichterstattung „gefeuert“ werden, forderte Trump am Samstag. Griffin hatte in Bezug auf den „Atlantic“-Artikel auf Twitter geschrieben, zwei ehemalige Trump-Mitarbeiter hätten ihr bestätigt, dass der Präsident Veteranen verunglimpft habe. Das Wort „Trottel“ sei allerdings in Verbindung mit dem Vietnam-Krieg gefallen. Trump habe dazu gesagt: „Es war ein dummer Krieg. Alle, die teilgenommen haben, waren Trottel.“

Anschuldigungen „erst die Spitze des Eisbergs“

Die Aufregung dürfte sich, glaubt man „Atlantic“-Chefredakteur Goldberg, noch lange nicht legen – sein Artikel vergangene Woche sei „nur die Spitze des Eisbergs“, sagte er gegenüber CNN. „Ich würde absolut erwarten, dass in den kommenden Tagen und Wochen mehr darüber berichtet wird und mehr Bestätigungen und neue Informationen veröffentlicht werden.“ Kritik daran, dass das Magazin seine Quellen nicht publikmachte, wies Goldberg zurück: „Wir alle müssen anonyme Quellen nutzen, besonders in einem Klima, in dem der Präsident der Vereinigten Staaten versucht aktiv einzuschüchtern“, sagte Goldberg über seine redaktionelle Entscheidung, namenlose Personen zu zitieren. „Ich kenne ihre Namen.“

Inzwischen wurde eine weitere Anekdote von Trumps Frankreich-Reise vor zwei Jahren publik: Er hat damals Kunstwerke aus der Botschafterresidenz kurzerhand in die USA mitgenommen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Trumps Sprecher Judd Deere bestätigte: Der Präsident habe sie nach Washington mitgenommen, um sie an „prominenter“ Stelle im Weißen Haus auszustellen. Juristen des US-Außenministeriums prüften das Ansinnen damals im Schnellverfahren und gaben grünes Licht, weil die Kunstwerke ohnehin im Besitz der US-Regierung seien.

BUchcover von Michael Cohens „Disloyal“
Skyhorse Verlag
Cohens Abrechnung mit Trump erscheint dieser Tage

Diese Woche dürfte sich eine neue Flanke gegen Trump auftun, wenn das Buch „Disloyal“ seines langjährigen Anwalts Michael Cohen erscheint. Darin bezeichnet Cohen, der vor zwei Jahren wegen Falschaussage vor dem US-Kongress und Verstößen gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt worden war, Trump als „Lügner“, „Betrüger“, „Hochstapler“ und „Rassisten“.

Hass auf Obama, Ehrfurcht vor Putin

„Nennen Sie mir ein einziges Land, das von einer schwarzen Person regiert wird, und das kein Sch…land ist. Sie sind alle völlig fürs Klo“, zitierte die „Washington Post“ vorab aus dem Buch. Südafrikas erster schwarzer Präsident Nelson Mandela sei „kein guter Führer“ gewesen, vielmehr habe er das Land nach Ende der Apartheid heruntergewirtschaftet. Barack Obama wiederum habe es nur wegen der „Scheiß-Affirmative-Action“ (Quotensystem zugunsten von Minderheiten) an renommierte Universitäten geschafft.

Dagegen habe Trump Wladimir Putin verehrt, weil er den Kreml-Chef für den reichsten Mann der Welt gehalten habe und für Trump Geld über alles gehe, schreibt Cohen laut „Washington Post“ weiter. Es habe ihm auch imponiert, wie Putin als Alleinherrscher das Land führe. Putins Fähigkeit, alles zu kontrollieren – von der Landespresse bis hin zu den Finanzinstituten –, habe ihn ehrfürchtig gemacht. Er habe außerdem gehofft, einen Trump Tower auf dem Roten Platz in Moskau errichten zu können. Das Weiße Haus bezeichnete das Buch als reine „Erfindung“ – Cohen sei als Lügner bekannt.

Joe Biden
Reuters/Kevin Lamarque
Biden hat gegen Amtsinhaber einige Trümpfe in der Hand

Zusammenschluss der „Sumpfkreaturen“

Was Trumps demokratischen Herausforderer zusätzlich in die Hände spielt, ist, dass sich immer mehr Republikaner explizit gegen dessen Wiederwahl aussprechen. Etwa 100 aktuelle und ehemalige Spitzenvertreter der Regierungspartei und unabhängige Politiker haben sich zu der Gruppe „Republicans and Independents for Biden“ zusammengetan. Finanziert wird die Gruppe vom Lincoln Project, bis Ende Juni hatte das Projekt fast 20 Millionen Dollar an Spenden eingesammelt.

Wie einflussreich die Gruppe sein wird, muss sich aber erst zeigen. Umfragen zufolge kommt Trump bei der republikanischen Basis immer noch auf fast 90 Prozent Zustimmung. Darauf baut auch der Sprecher von Trumps Wahlkampfstab, Tim Murtaugh, auf. Der Präsident genieße bei den „echten republikanischen Wählern“ eine nie da gewesene Unterstützung. „Joe Biden war ein halbes Jahrhundert lang ein Versager im Washingtoner Sumpf. Niemand sollte überrascht sein, wenn sich Sumpfkreaturen zusammentun, um einen der Ihren zu verteidigen.“