Screenshot aus dem „Ibiza-Video“
Screenshot: ORF/Spiegel/Süddeutsche
U-Ausschuss

„Ibiza-Video“ ist da

Das von den Abgeordneten des „Ibiza“-Untersuchungsausschusses lang ersehnte Video, das zum Platzen der ÖVP-FPÖ-Koalition geführt hatte, ist von der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien dem Ausschuss übermittelt worden – zumindest Teile davon. Zuvor hatte es teils scharf geführte Debatten über Zuständigkeiten und Schwärzungen gegeben – über Letzteres wird wohl noch weiter diskutiert werden.

Am Dienstag hatten NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper und ihr SPÖ-Pendant Kai Jan Krainer via Twitter mitgeteilt, dass man einen Anruf aus dem Parlament erhalten habe: Das Video ist eingetroffen. Der Großteil sei geschwärzt bzw. unkenntlich, teilte Krainer mit. Beide übten Kritik am Timing der Übermittlung – nämlich ausgerechnet einen Tag vor der Befragung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) im U-Ausschuss. „Das ist ganz sicher reiner Zufall“, sagte Krainer ironisch. Für Krisper ist das Timing „besonders auffällig“ und „absurd“.

Aus der Parlamentsdirektion hieß es: Derzeit werde das Material gesichtet, daher könne bis dato nichts über den Umfang gesagt werden, also etwa, ob das Video vollständig ist, oder ob Teile fehlen. Konkret eingelangt sind laut Parlament zwei Datenträger, die sowohl Bilddateien als auch Transkripte enthalten. Sie seien mit der Sicherheitsstufe eins klassifiziert. Am Dienstagnachmittag sollen die Fraktionen die Möglichkeit erhalten, sich das Bildmaterial anzuschauen, wie Krisper sagte. Sie werde allerdings „nicht hineilen“.

„Ibiza-Video“: Kritik an Schwärzungen

Das vom Untersuchungsausschuss eingeforderte „Ibiza-Video“ ist zwar übermittelt worden – für Kritik und anhaltenden Gesprächsstoff sorgen die vielen geschwärzten Stellen.

FPÖ ortet ÖVP-Ablenkungsmanöver

FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker zeigte sich bezüglich der Übermittlung ebenfalls skeptisch. „Wir haben in einer ersten Prüfung feststellen müssen, dass es sich nicht um das gesamte Video, sondern nur um etwa vier Stunden Material handelt“, kritisierte er und ortete ein mediales Ablenkungsmanöver der ÖVP. „Die ÖVP und das von ihr kontrollierte Innenministerium spielen seit dem Auffinden des Videos im April Katz und Maus mit dem Parlament“, sagte Hafenecker.

ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl hingegen findet die Kritik der Oppositionsparteien am Zeitpunkt „befremdlich“. „Jede an Aufklärung interessierte Fraktion müsste eigentlich zufrieden sein, mehr Informationen für die Ausschussarbeit zu erhalten“, teilte er per Aussendung mit. Gerstl forderte, der U-Ausschuss möge sich wieder seinem Ursprungszweck widmen.

Laut Ö1-Mittagsjournal wurden bisher Bild- und Tondokumente sowie Transkripte an das Parlament übermittelt. Die WKStA nimmt gemäß Gesetz nur Teile zum Akt, die ermittlungsrelevant sind. Ein Sprecher der OStA sagte, die Aktenlieferung sei deshalb am Dienstag erfolgt, „weil es diesbezüglich einen Auftrag der Frau Bundesminister (Alma Zadic, Grüne, Anm.) gibt. Dieser Auftrag stammt vom vorigen Freitag und wurde mit der heutigen Aktenlieferung durchgeführt.“

Langes Hin und Her

Zuletzt hatte es wiederholt Debatten über die Verzögerungen gegeben und darüber, dass einige Medien bereits über Passagen berichtet hatten, die die Öffentlichkeit bisher nicht kennt. Sie dürften bereits im Besitz des Videos oder zumindest von einigen Sequenzen gewesen sein. Auch der Anwalt des damaligen FPÖ-Chefs und Vizekanzlers Heinz-Christian Strache hatte zuletzt mehrere Zitate seines Mandanten veröffentlicht. Diese sollten ihn entlasten, so der Anwalt. Viele der Sager waren aber schon bekannt und wurden auch direkt oder indirekt zitiert.

Stephanie Krisper (NEOS und Kai Jan Krainer (SPÖ) im Lokal VII
ORF.at/Carina Kainz
Am Mittwoch geht es mit den Befragungen im „Ibiza“-U-Ausschuss weiter

Das offenbar geschwärzte Material ging einen langen Weg. Über die „SoKo Ibiza“, die das Video im Frühjahr 2020 beschlagnahmen konnte, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und dann über die OStA Wien kam das Video in den U-Ausschuss. Die FPÖ hatte etwa auch den Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka für das Fehlen des Videos verantwortlich gemacht. Dieser hätte nämlich das Angebot des Anwalts des mutmaßlichen „Ibiza“-Drahtziehers annehmen sollen. Dieser bot dem U-Ausschuss das Video an. Laut einem Gutachten des Parlaments wäre die Annahme zumindest fragwürdig gewesen.

Sobotka als Auskunftsperson

Sobotka ist übrigens am Mittwoch auch die erste Auskunftsperson. Auch wenn das Timing der Video-Übermittlung für Sobotka „äußerst opportun“ sei, werde das laut Krisper keine Auswirkungen auf die Befragung des Vorsitzenden haben, kündigte die NEOS-Fraktionsführerin an. Es bewirke einzig, dass sich die Berichterstattung im Vorfeld wieder nur um das Video drehe, kritisierte sie.

Geht es nach der Opposition, könnte Sobotka nämlich selbst ein Teil eines vermuteten Netzwerks rund um Korruption und Gesetzeskauf sein. Argument von SPÖ und NEOS ist, dass der ÖVP-Politiker auch Präsident des Alois Mock Instituts ist. Dieser Verein mit Sitz in St. Pölten erhielt in den vergangenen Jahren Geld vom Glücksspielkonzern Novomatic, dessen Involvierung in die Casinos-Affäre und mutmaßliche verdeckte Parteispenden im Ausschuss geprüft werden.

Sobotka wird aber auch von der Opposition vorgeworfen, die Arbeit des Ausschusses selbst zu behindern. Aber trotz der Vorwürfe war und ist Sobotka nicht bereit, seinen Vorsitz zurückzulegen. Aufgrund seiner Befragung am Mittwoch wird er sich den ganzen Tag von der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) vertreten lassen. An diesem werden weiters der ehemaliger Leiter der Konzernkommunikation von Novomatic, Bernhard Krumpel, und Markus Braun, Vorstand der Sigma Investment AG und freiheitlicher ORF-Stiftungsrat, befragt.

Novomatic klagt Krainer

Neben „Ibiza-Video“ und Befragung des Ausschussvorsitzenden wurde am Mittwoch auch eine Klage publik. Der Glücksspielkonzern Novomatic klagt SPÖ-Fraktionschef Krainer wegen Kreditschädigung. Einen Bericht der Zeitung „Österreich“ bestätigte der Politiker am Dienstag. Novomatic stößt sich an einer Behauptung Krainers über einen „schmutzigen Deal“ mit der ÖVP. Krainer hält die Aussage für nicht klagbar und zeigt sich dementsprechend gelassen.

Laut dem „Österreich“-Bericht geht es der Klagsschrift an das Handelsgericht Wien zufolge um einen Streitwert von 60.000 Euro. Krainer habe demnach im Juli 2020 in einer SPÖ-Aussendung von einem „schmutzigen Deal“ der ÖVP mit Novomatic gesprochen und behauptet, die ÖVP habe die CASAG-Miteigentümer Novomatic gebraucht, um die Kontrolle im Aufsichtsrat zu behalten. Ein Novomatic-Anwalt sieht diesen Vorwurf demnach als gerichtlich strafbare Handlung und den Vorwurf der Kreditschädigung erfüllt. Bevor Krainer belangt werden könnte, müsste er erst ausgeliefert werden, denn als Abgeordneter genießt er Immunität.

Krainer zeigte sich am Dienstag in einer ersten Reaktion allerdings nur wenig reumütig. Er meinte, dass es sich bei seinen Aussagen nicht um Behauptungen, sondern um Tatsachen handle. Das werde im Untersuchungsausschuss auch nachgewiesen werden, ist er überzeugt. Er sieht der Klage gelassen entgegen, betonte er – auch weil er die Aussagen als nicht klagbar einordnet. Die Frage, was ein „schmutziger Deal“ sei, sei eine reine Wertungsfrage, so Krainer.