Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP)
APA/Robert Jaeger
Zehnter Integrationsbericht

Bildung als größtes Problem

Der Bildungsbereich ist eine der wichtigsten „Baustellen“ in der Integration, so die Vorsitzende des Expertenrats für Integration, Katharina Pabel, bei der Vorstellung des zehnten Integrationsberichts des unabhängigen Expertenrats für Integration am Dienstag. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) definierte auf Basis dieses Berichts fünf Eckpfeiler für die Integration von Flüchtlingen und Zuwanderern und Zuwanderinnen in Österreich.

Zwei Drittel der Kinder mit Migrationshintergrund erreichten die Bildungsstandards im Lesen nicht, das sei alarmierend, so Pabel weiter. Bedingt ist das auch durch die mittlerweile sehr hohe Zahl an Kindern mit nicht deutscher Umgangssprache. In den Pflichtschulen ist diese zuletzt auf 26 Prozent gestiegen, in Wien sogar auf über 50 Prozent. Pabel plädiert hier unter anderem für ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr.

„Die Flüchtlingskrise 2015 war eine Zäsur, die Österreich und die Integration nachhaltig verändert hat“, so Raab. Man habe in der Integration viel erreicht, aber es liege noch „ein steiniger Weg vor uns“. Themen wie Deutschkenntnisse, Bildungsrückstände von Kindern mit Migrationshintergrund, die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen und auch kulturelle Abschottung und die Entstehung von Parallelgesellschaften blieben sehr große Herausforderungen, vor denen man die Augen nicht verschließen dürfe. Raab stellte in diesem Zusammenhang fünf Eckpfeiler vor.

Neben Bildung Frauenerwerbsquote im Fokus

Eine Verbesserung der Bildungsstruktur und der Frauenerwerbsquote gilt als enorm wichtig. Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas sieht die Erwerbsquote bei Zuwanderinnen auch im Zusammenhang mit niedrigerem Bildungsstand. Man werde um den Weg der verbindlichen Integrationspolitik nicht umhinkommen, so Raab. Die Mitwirkung des Zuwanderers bzw. der Zuwanderin sei wichtig.

Raab sprach von einem Zweiklang aus Migration und Integration. Migration sei punktuell, Integration aber dauere und sei die Folge davon. Man werde den vollen Fokus auf Integration setzen, und gegen illegale Migration weiter vorgehen, so die Ministerin. Raab sieht fünf Eckpfeiler, wie sie in der Pressekonferenz sagte. Zu diesen fünf Säulen soll der Expertenrat für Integration Vorschläge und weiterführende Maßnahmen erarbeiten.

Neuer Integrationsbericht präsentiert

Mittlerweile ist ein Viertel der österreichischen Bevölkerung entweder selbst zugewandert oder hat zugewanderte Eltern, so der aktuelle Integrationsbericht, der am Dienstag präsentiert wurde.

Frauen als „Integrationsmotoren“

Frauen sollten gestärkt werden, so Raabs erster Pfeiler. Ihnen kommt bei der Integration eine Schlüsselrolle zu. Als „Integrationsmotoren“ würden sie Werte an die nächste Generation weitergeben. Ziel sei es, vor allem Frauen aus patriarchal geprägten Kulturen in ihrer Selbstbestimmung sowie beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu stärken, so Raab weiter.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt sei ein wesentlicher Faktor für die Integration. Allerdings sei die Erwerbsbeteiligung von geflüchteten Frauen immer noch sehr niedrig. „Nur etwas mehr als jede zehnte Frau, die während der Flüchtlingskrise nach Österreich gekommen ist, hat nach vier Jahren einen Job. Daher wird sich der Expertenrat intensiv mit weiteren Möglichkeiten der Frauenförderung in der Integration befassen“, so Raab.

Wichtig sei auch die Identifikation mit Österreich. Emotionale Zugehörigkeit zur neuen Heimat sei ein wichtiger Faktor für die Integration. Neue Konzepte sollen auch hier helfen, um die Identifikation mit Österreich zu stärken sowie Migranten und Migrantinnen vor schädlichem Einfluss aus dem Ausland zu schützen, so Raab.

Raab: Eltern bei Bildung mehr in die Pflicht nehmen

Als weitere Säule sieht Raab das ehrenamtliche Engagement. Sie verwies darauf, dass sich rund 3,5 Millionen Österreicher und Österreicherinnen ehrenamtlich betätigten, unter anderem auch in der Flüchtlingsbetreuung. Freiwilliges Engagement dürfe nicht nur in eine Richtung gehen. Für Flüchtlinge und Migrantinnen könne eine ehrenamtliche Tätigkeit einen Integrationsturbo darstellen. „Sie stärkt die emotionale Zugehörigkeit und fördert den Kontakt zu Österreichern und Österreicherinnen“, so Raab.

Präsentation des Integrationsberichts 2020

Der Bericht wurde mit Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP), der Vorsitzenden des Expertenrats für Integration, Katharina Pabel, und dem Generaldirektor der Statistik Austria, Tobias Thomas, präsentiert.

Ein weiterer Fokus soll auf Bildung liegen. „Kinder sind unsere Zukunft“, so Raab. Sie will daher auch Eltern mehr in die Pflicht nehmen. „Sie müssen ihre Mitwirkungspflicht an der Bildung ihrer Kinder wahrnehmen und mit Schule und Lehrern und Lehrerinnen zusammenarbeiten“, so die Ministerin. "Ein erster wichtiger Schritt dazu waren die neuen Elternkurse diesen Sommer, so Raab weiter.

Gegen Parallelgesellschaften

Als fünften Punkt nannte Raab den Kampf gegen Parallelgesellschaften. Parallelgesellschaftliche Strukturen seien ein Zeichen für gescheiterte Integration „und können den Nährboden für Ausschreitungen und Gewalt bilden“. „Mit der Schaffung der Dokumentationsstelle Politischer Islam und dem Frühwarnsystem für Parallelgesellschaften setzen wir hier erste wichtige Schritte“, so Raab.

Die Grünen fordern Selbstkritik: Man müsse sich „mit den Ergebnissen des Integrationsberichts auch selbstkritisch auseinandersetzen“, so die Integrationssprecherin der Grünen, Faika El-Nagashi. Der Bericht hielte fest, dass Zugewanderte und ihre Kinder die gleichen Chancen erhalten und an zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens teilhaben können sollten. Das sei aber nicht der Fall. „Nun liegt es an der Politik, hier dringend einen Kurswechsel zu vollziehen und Chancengerechtigkeit und Partizipation ins Zentrum der Integrationspolitik zu stellen“, so El-Nagashi.

Kritik der Opposition

Die Opposition kritisierte den Bericht. „Das Aufzählen und Problematisieren von statistischen Zahlen ersetzt noch keine Integrationspolitik und keinen Einsatz für Teilhabe und Gleichstellung“, so SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz. „Kluge Integrationspolitik muss in die gemeinsame Zukunft investieren, das Miteinander stärken und Strukturen schaffen, die Selbstbestimmung – vor allem von Frauen – ermöglichen“, so Yilmaz weiter.

Die FPÖ sieht in dem Bericht „praktisch einen fast reinen Problembericht“. Die einzig richtige Folgerung sei es, die Zuwanderungsampel auf Rot zu stellen, so FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. „Unser Arbeitsmarkt und unsere Schulen zeigen die Überforderung, die durch die Massenzuwanderung entstanden ist. Aber die Regierung ist weder willens noch fähig, diese Probleme zu lösen“, so Kickl.