Der Ausschnitt, der akustisch und damit auch inhaltlich teilweise schwer verständlich war, spielt auf einer Terrasse auf Ibiza. Zu sehen sind der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der damalige FPÖ-Klubchef Johann Gudenus. Strache spricht über Unterstützer der ÖVP, die 20 Millionen Euro in einen Topf werfen würden. Laut SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer geht es um Vereinskonstruktionen, mit denen die Gesetze zu Parteienfinanzierung umgangen werden.
Bevor der Videoausschnitt, von der SPÖ initiiert, gezeigt werden durfte, wurde er von der Vorsitzenden Doris Bures (SPÖ), Verfahrensrichter Wolfang Pöschl und dem Verfahrensanwalt geprüft. Bures hatte vor der Befragung gesagt, dass sie und Pöschl noch keine Zeit gehabt hätten, das am Dienstag gelieferte Video zu sichten.

Sollten also Teile davon bei der Befragung zur Verwendung kommen, müssten diese vorher von ihr, Pöschl und dem Verfahrensanwalt zwecks Wahrung der Persönlichkeitsrechte gesichtet werden – dazu werde die Sitzung jeweils unterbrochen.
Postkasten mit „Tarnvereinen“ geteilt?
Krainer befragte Sobotka im Anschluss zum Alois-Mock-Institut und dessen Nähe zur ÖVP. So teilte das Institut in den vergangenen Jahren laut Krainer einen Postkasten mit mehreren „ÖVP-Tarnvereinen“. Es sei auch die Telefonnummer der ÖVP Niederösterreich angegeben worden, so Krainer. Die SPÖ verteilte im U-Ausschuss Dokumente des „Projekts Ballhausplatz“, das 2017 kurz vor der Nationalratswahl veröffentlicht wurde.

Damals machte der spätere Koalitionspartner FPÖ ein mutmaßliches Strategiepapier für die Übernahme der Obmannschaft in der ÖVP durch Kurz publik – lange bevor dessen Vorgänger an der Parteispitze, Reinhold Mitterlehner, zurücktrat. Unter dem Punkt „Aufgabenverteilung innerhalb der Parteifamilie auf Bundesebene“ scheint auch das Mock-Institut auf. „Wir haben nie von der ÖVP einen Auftrag erhalten, wir haben nie von der ÖVP Strukturen vorgegeben bekommen. Es gibt keinen Einfluss auf das Institut“, so Sobotka.
Sobotka: Compliance immer einzuhalten
Das Institut unterliege auch nicht dem Parteienfinanzierungsgesetz, wiederholte Sobotka mehrfach. Krainer kündigte an, das zu prüfen. Sobotka stellte auch in Abrede, dass Novomatic dem Institut Sachleistungen etwa durch die Bereitstellung eines Buffets zuteilwerden ließ. Das seien Kooperationsleistungen, beharrte Sobotka.
Der FPÖ-Fraktionsvorsitzende Christian Hafenecker wollte im Anschluss wissen, welche Funktion Sobotka in der Politischen Akademie der ÖVP habe. Sobotka stellte den Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand infrage, konnte aber die Frage nicht ad hoc beantworten. Es folgte ein hitziges Frage-Antwort-Gefecht, in das sich auch ÖVP-Fraktionschef Gerstl einschaltete. Sobotka sagte abschließend, dass Vorgaben der Compliance jederzeit und für alle gelten würden. Im Anschluss erinnerte Bures die Anwesenden an das Bild, das der Ausschuss auch in der Öffentlichkeit abgibt.
„Das ist unser Mehrwert“
Die grüne Fraktionsführerin Nina Tomaselli hinterfragte, was Novomatic von der Kooperation mit dem Alois-Mock-Institut hatte. Sobotka führte daraufhin aus, dass große Firmen verschiedene Interessenlagen und Wissensfragen hätten. Die Novomatic habe sich vor allem dafür interessiert, ob der Osten ein interessanter Markt sei. Das Interesse des „großen Konzerns in Niederösterreich“ liege auch im Gründer Johann Graf, „der immer etwas Neues“ machen wolle.

Welche Expertise das Institut in Sachen Osten habe, wollte Tomaselli weiters wissen. Sobotka erklärte ausladend, diese liege in den Referenten. Warum Novomatic diese nicht selber einlade, fragte Tomaselli. Das koste ein Vielfaches, so Sobotka, das Institut kenne viele Experten, das sei „unser Mehrwert. Wir gehen zu Firmen und bieten das an.“ Sobotka sagte weiters, dass das Magazin mit einer Auflage von 2.500 Stück 2017 und 2018 rund 37.000 Euro aus Inseraten eingenommen habe.
Zweites Treffen mit Graf nötig
NEOS-Fraktionsvorsitzende Stephanie Krisper fragte, warum sich der „Mock-Report“ des Instituts bei „unseren Sponsoren“ bedankt habe, wenn es diese nicht gegeben habe. Sobotka bezeichnete das als Fehler. Dass eine ehemalige Mitarbeiterin Sobotkas zu den Beschenkten von Novomatic-Gründer Graf gehört, habe er, Sobotka, aus den Medien erfahren.
Erst bei seinem Besuch bei der Novomatic im Rahmen der Arbeiterkammer-Wahlen habe er zudem erfahren, dass sie mit Graf verwandt sei. Ein weiterer Termin mit Graf, den Sobotka mehrfach lobend erwähnte, sei nötig gewesen, weil man beim ersten Termin nicht alles habe besprechen können. Zum gezeigten Video und den darin angesprochenen 20 Mio. Euro habe er keine Wahrnehmung.
In seiner ersten Befragungsrunde hinterfragte Gerstl zuerst Termine Grafs mit verschiedenen Politikern, vornehmlich der SPÖ. Sobotka erklärte, dass grundsätzlich Politiker immer Kontakt zu wesentlichen Unternehmen halten sollten, sonst würden sie ihre Arbeit nicht ordentlich machen. „Das ist ein wesentlicher Teil.“ Ob ein Treffen von ÖGB-Chef Wolfgang Katzian ein Sponsoring des Wiener Fußballvereins Austria zum Inhalt hatte, konnte Sobotka nicht beantworten. Er könne das aber nur unterstützen, sagte er über seine sportliche Präferenz.
Krainer will mehr zu „Mock-Report“ wissen
Krainer wollte im weiteren Verlauf die in einem „Mock-Report“ aus dem Jahr 2018 genannten „Sponsoren“ sowie die Zuordnung zu öffentlichen und privaten Firmen erfahren und wo die Mitarbeiter des Insituts arbeiteten. Sobotka sah keinen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, woraufhin Bures auf ihre Vorsitzführung verwies. Pöschl erklärte die Frage als zulässig, Sobotka führte entsprechend aus.
Hafenecker fragte anschließend, wie gut Sobotka mit dem ÖVP-Berater K. bekannt ist. Sobotka antwortete, er kenne K. sehr gut und werde weiter mit ihm zusammenarbeiten. Hafenecker zitierte aus einer Aussage, wonach K. schon 2015 von belastendem Material über Strache gewusst habe und an der Beschaffung interessiert gewesen sei. Sobotka verneinte, dass der nunmehrige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) davon wusste oder das beauftragte. Für „Dirty Campaining“ sei die ÖVP nicht zuständig, so Sobotka, womit er bei der Opposition für Gelächter sorgt.
Das Alois-Mock-Institut folge dem Gesetz, so Sobotka auf Fragen von Tomaselli, das Institut sei aber keine Vorfeldorganisation. Krisper fragte nach ÖVP-nahen Vereinen, dazu hatte Sobotka keine Erinnerung. Gefragt nach Kontakt zum ehemaligen Novomatic-Chef Franz Wohlfahrt sagte Sobotka, der sei „ein Guter“. Wer wen kontaktiert habe, könne er nicht sagen, aber derartige Kontakte seien für Politiker wichtig.
Sobotka sieht sich nicht betroffen
In seiner Stellungnahme sagte Sobotka, dass er zu keiner Zeit in die Untersuchungsgegenstände des U-Ausschusses involviert gewesen sei, er sehe es aber als Pflicht, sich dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen. Zusammenhänge des Alois-Mock-Instituts mit Novomatic seien konstruiert. Das Institut sei ein bürgerlicher Thinktank, gegründet, um die politischen Ansätze des verstorbenen ÖVP-Politikers Alois Mock zu erhalten. Er sei Obmann, aber nicht geschäftsführend.

Das Institut sei frei finanziert, rein durch Partnerschaften und Kooperationen, und habe nie Subventionen erhalten. Das Budget bezifferte Sobotka später mit 250.000 Euro. Bei der Befragung durch Verfahrensrichter Pöschl führte Sobotka als Zuwendungen Veranstaltungen in Kooperationen mit Novomativ im Novomativ Forum an, dort sei ein Buffet für ca. 200 Personen von Novomatic finanziert worden.
„Scheinwerfer rausholen“
Tomaselli sagte im Vorfeld der Befragung Sobotkas, man wolle die „Scheinwerfer rausholen, um die finsteren Ecken auszuleuchten“. Hafenecker beklagte neben dem Zeitpunkt der Videoübermittlung, dass der U-Ausschuss nicht das gesamte Material erhalten hat. Man werde den Gang zum Verfassungsgerichtshof antreten. Als „unrühmliche Premiere“ bezeichnete Krisper die Befragung des Ausschussvorsitzenden. Erfreut über die Anlieferung des Videomaterials zeigte sich Gerstl. Krainer wollte sich auf die Vernetzung der Vereine und „verdeckten Parteispenden“ konzentrieren.
Treffen mit Novomatic-Vertretern im Visier
Seit Beginn der Befragungen attestieren die Oppositionsfraktionen Sobotka Befangenheit, weil er sich mit Vertretern des Glücksspielkonzerns Novomatic getroffen hat. Dazu kommt, dass Sobotka eben Präsident des ÖVP-nahen Mock-Instituts ist, das von der Novomatic in den Jahren 2017 bis 2019 Inseratengelder für den „Mock-Report“ erhalten hat. Genau diesen Zeitraum untersucht der U-Ausschuss – „Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“.
Das Alois-Mock-Institut besteht seit 2012. Der achtseitige „Mock-Report“ erschien 2017 insgesamt sechsmal, 2018 sechsmal, 2019 viermal. Die Novomatic hatte laut dem Institut 2017 je zweimal für 2.000 Euro, 2018 und 2019 je zweimal für jeweils 2.500 Euro inseriert. Ende Mai erhielt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einen anonymen Hinweis betreffend des Instituts. Die Prüfung, ob ein Anfangsverdacht bestehe, sei noch nicht beendet, hieß es vonseiten der WKStA auf ORF.at-Nachfrage.
Sobotka will Vorsitzender bleiben
Sobotka hatte im ORF.at-Gespräch bekanntgegeben, dass er den Vorsitz nicht abgeben wird. In der Verfahrensordnung gibt es dazu keinen Automatismus. Lediglich der Vorsitzende kann entscheiden, ob er seine Funktion an die Zweite Nationalratspräsidentin übergibt. Für Sobotka hingegen ist die Ladung kein Grund für einen Rücktritt. Den Abschlussbericht werde er genau so weiterleiten, wie er vom Verfahrensrichter erstellt wird.
Nach Sobotka wird der ehemalige Novomatic-Sprecher Bernhard Krumpel als Auskunftsperson befragt. Krumpel verließ Anfang 2020 den Glücksspielkonzern. In der Vergangenheit war er als Pressesprecher des damaligen ÖVP-Finanzlandesrates von Niederösterreich, Sobotka, tätig. Dann wechselte er in das Kabinett von Ernst Strasser (ÖVP), der damals Innenminister war. Krumpel kommt in den Chatverläufen vor, die schon vor dem „Ibiza“-Ausschuss publik wurden.
Als dritte Auskunftsperson ist Markus Braun, Vorstand der Sigma Investment AG und ehemaliger freiheitlicher ORF-Stiftungsrat, geladen. Ob er befragt wird, ist fraglich. Braun ist unter anderem ÖVP-Mitglied, Obmann des FPÖ-Vereins „Austria in Motion“, Kassier des ISP, Ex-FPÖ-Stiftungsrat im ORF und der Schwager von Peter Sidlo. Gegen Braun wird wegen Untreue ermittelt, damit hat er als Beschuldigter ein weitreichendes Entschlagungsrecht. Ihm wird vorgeworfen, über „Austria in Motion“ Spenden für die FPÖ eingesammelt zu haben. Das dementierte Braun bereits.