Schienenbau
APA/AFP/Philippe Desmazes
Rechnungshof warnt

Kaum Durchblick bei China-Investments in EU

Als zweitwichtigster Handelspartner spielt China für die EU eine besonders große Rolle. Über die Hälfte der Investments aus China stammt von staatseigenen Firmen – die in strategisch wichtige Sektoren Geld stecken, wie etwa Infrastruktur. Der Europäische Rechnungshof warnt nun: Überblick gibt es praktisch keinen, die EU-Staaten gehen zu fahrlässig mit dem Thema um.

Spätestens mit der Initiative für eine „Neue Seidenstraße“ hat Peking in den vergangenen Jahren keinen Zweifel daran gelassen, den Einfluss außerhalb der eigenen Landesgrenzen erhöhen zu wollen. Das betrifft freilich auch Länder in der EU, so der Rechnungshof in seiner Analyse, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Das „Belt and Road“-Vorhaben, so der Projektname für die „Neue Seidenstraße“, solle auch Chinas Einfluss auf die EU selbst erhöhen, heißt es.

Und: Unternehmen in Staatseigentum haben sich zu globalen Giganten gemausert, die vor allem in „strategische Sektoren“ im Ausland investieren. Gemeint sind etwa Energie, Eisenbahn und Telekommunikation. Vor allem im Hinblick auf den neuen Mobilfunkstandard 5G war China durch den Telekomriesen Huawei zuletzt häufig in den Schlagzeilen.

Chinesische Betriebe fallen nicht unter EU-Regeln

Problematisch für die EU ist das vor allem deshalb, weil die staatseigenen Betriebe natürlich von China unterstützt werden – und eine gesteigerte Aktivität Chinas innerhalb der EU damit den Markt verzerren könnte, so der Rechnungshof in seinem Papier. Die Unternehmen würden nicht unter die strengen Staatshilferegeln der EU fallen – ein Thema, das momentan auch beim Brexit wieder akut geworden ist, weil von Brüssel befürchtet wird, dass Großbritannien den Markt aus dem Gleichgewicht bringen könnte.

Verlässliche Daten fehlen

Hinzu kommt, dass der Rechnungshof nach Aussage der Prüferin Annemie Turtelboom eigentlich keine verlässlichen Daten besitzt, welche Investments China in den Mitgliedsstaaten tätigt. Die EU-Mitglieder würden ihre nationalen Interessen in den Vordergrund stellen – und deshalb handeln sie auf bilateraler Ebene direkt mit China, analysieren die Prüfer. Das würde wiederum eine gemeinsame China-Strategie erschweren, so Turtelboom.

Als konkretes Beispiel für eine zweifelhafte Entwicklung nennen die Rechnungsprüfer die Tatsache, dass bereits 15 EU-Staaten eine Absichtserklärung mit China über Investitionen und Vorhaben im Rahmen der Initiative „Neue Seidenstraße“ unterzeichnet haben. Kritisch merken sie dabei vor allem an, dass die Mitgliedstaaten die EU-Kommission vorab nicht darüber unterrichteten – obwohl sie nach EU-Regeln eigentlich dazu verpflichtet sind, damit sichergestellt werden kann, dass die nationale Handelspolitik der Handelspolitik der EU entspricht.

18 Risiken, 13 Chancen

Der Rechnungshof verweist auf 18 Risiken, die aus derartigen chinesischen Investitionen hervorgehen können. Dazu zählen unter anderem politische – etwa die Gefährdung der Sicherheit und öffentlichen Ordnung – und wirtschaftliche Risiken – zum Beispiel eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit durch den forcierten Technologietransfer an China.

Gleichzeitig sieht man 13 Chancen, die dadurch entstehen: So würde die „Neue Seidenstraße“ etwa den Handel ausweiten und die Handelskosten in der EU senken, außerdem wird auch die Weiterentwicklung des Schienenverkehrs als Alternative für See- und Luftverkehr positiv gewertet. Nicht zuletzt würden chinesische Investitionen auch EU-Nachbarstaaten stabilisieren und die Sicherheit erhöhen.

Die EU und der „systemische Rivale“

Die Analyse des Rechnungshofes legt auch offen, wie gespalten das Verhältnis zwischen EU und China ist. Erst im Vorjahr änderte Brüssel seinen Kurs und nannte China erstmals einen „systemischen Rivalen“. Doch Investitionen Chinas sind für viele Mitglieder offenbar wesentlich – und werden laut Rechnungshof gegebenenfalls eben ohne Absprache mit der EU vereinbart.

Und Brüssel ist freilich selbst bewusst, dass China ein ganz wesentlicher Partner ist und die Investitionen auch positive Effekte haben, etwa die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Für die Rechnungsprüfer ist aber klar: Um auch die Chancen nutzen zu können, würde es ein stärkeres gemeinsames Handeln in der EU brauchen.

Investitionsabkommen bei Gipfel Thema

Eine Chance dazu gibt es möglicherweise nächste Woche: Da treffen EU-Spitzenvertreter zu Beratungen mit Chinas Präsidenten Xi Jinping zusammen. Neben dem Coronavirus wird es dabei auch um Wirtschafts- und Handelsfragen gehen – darunter auch ein Investitionsabkommen.

In den Verhandlungen darüber warf die EU China zuletzt mangelnden Einigungswillen vor. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte nach Gesprächen im Juni, dass China für einen Abschluss „substanzielle Verpflichtungen“ eingehen müsse. Als Beispiel nannte sie Transparenz bei erzwungenen Technologietransfers und Subventionen sowie Regelungen für Staatsunternehmen. Es bleibt abzuwarten, ob in der kommenden Woche Fortschritte gemacht werden.