Pressekonferenz der Bundesregierung
APA/Roland Schlager
Maske, Veranstaltungen

Regierung verschärft CoV-Maßnahmen

Die Coronavirus-Maßnahmen werden in manchen Bereichen für ganz Österreich wieder verschärft. Das kündigte die Regierung am Freitag bei einer Pressekonferenz an. Konkret kommt es zur Ausweitung der Maskenpflicht und zu verschärften Regeln bei Veranstaltungen und der Gastronomie. Die Verschärfungen sind ab Montag gültig.

Konkret wird das Tragen von Mund-Nasen-Schutz (MNS) im Handel, in Dienstleistungsbereichen, in Behörden und in Schulen außerhalb des Klassenverbandes verpflichtend. Im Unterricht – also in der Klasse und etwa auch im Physik- und Turnsaal – und im Schulhof gelte die Maskenpflicht nicht, wie das Bildungsministerium in einer Aussendung betonte. Diese Maßnahme sei „ein zusätzlicher Schritt, um den Regelschulbetrieb aufrechtzuerhalten und die Gesundheit der Kinder nicht zu gefährden“.

Auch bei Veranstaltungen gibt es Verschärfungen: Ohne zugewiesene Sitzplätze beträgt die maximale Personenzahl im Inneren 50 Personen, im Freien 100 Personen. Bei Großveranstaltungen mit zugewiesenen Sitzplätzen innen liegt sie bei 1.500 Personen, im Freien bei 3.000 Personen.

Maßnahmen auf längere Sicht in Kraft

In der Gastronomie gibt es eine Maskenpflicht für Kellnerinnen und Kellner. Speisen und Getränke dürfen drinnen nur am Tisch serviert werden, der Barbereich bleibt also tabu. Die neuen Maßnahmen werden durch eine Novelle der Lockerungsverordnung geregelt. „Das sind Maßnahmen, die wir heute setzen und wo noch nicht klar ist, ob das das Ende der Fahnenstange ist“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Einen zweiten Lockdown wolle man jedenfalls verhindern, sagte Kurz.

Eine Frau mit Schutzmaske verlässt ein Bekleidungsgeschäft
APA/EXPA/Erich Spiess
Die Maskenpflicht wird ab Montag unter anderem auf den Handel ausgeweitet

Kurz sagte, er gehe davon aus, dass die Maßnahmen die Bevölkerung während des gesamten Winters „und womöglich darüber hinaus“ begleiten würden. Das Ziel sei, mit „Augenmaß und Achtsamkeit“ vorzugehen, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).

Siebenmal Gelb

Mit der zweiten Schaltung der Coronavirus-Ampel wurden am Freitag sieben Regionen in Österreich auf Gelb geschaltet. Betroffen sind Wien, Graz, Innsbruck, der Bezirk Korneuburg und die Stadt Wiener Neustadt in Niederösterreich sowie die Bezirke Kufstein und Schwaz in Tirol. Die zuletzt täglich stark steigenden Infektionszahlen seien ihm zu hoch, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Anschober bat die Bevölkerung zudem, wieder mehr Verantwortung zu übernehmen.

Anschober wies auch noch einmal auf die Wichtigkeit der Geschwindigkeit der Tests hin: „Je schneller die Gesundheitsbehörden reagieren können, umso besser kann die Pandemie kontrolliert werden.“ Und: „Grün heißt nicht, dass es dort eine Sorglosigkeit geben kann“, sagte der Gesundheitsminister überdies. „Die Ampel ist ein Übersetzungsversuch der Risikoeinschätzung.“ Während der Pandemie brauche es „Klarheit“, sagte Kurz.

An die Eigenverantwortung appellierte auch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der der Stadt Wien neuerlich polizeiliche Unterstützung beim Contact-Tracing anbot. „Ich bin sehr dankbar, dass es auch in der Wiener Stadtregierung zu einem Umdenken gekommen ist“ – was es in Wien und im Bundesgebiet brauche, seien „Testungen und schnelle Testergebnisse“ und die „Überwachung der Quarantänemaßnahmen“. Er sei zudem dem ungarischen Innenminister dankbar, denn die Einschränkungen für Pendler würden ab sofort nicht mehr gelten.

Wien für fünf Verschärfungen

Der medizinische Krisenstab der Stadt Wien empfahl kurz zuvor eine Reihe von Maßnahmen, um den Anstieg der Coronavirus-Infektionen wieder zu bremsen. Er sprach sich unter anderem für eine Ausweitung der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus. Wien kann derartige Maßnahmen jedoch nicht im Alleingang umsetzen – mehr dazu in wien.ORF.at .

Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) geht davon aus, dass die Ampel für die Stadt noch bis Oktober auf Gelb bleibt. Das sagte Willi im APA-Gespräch. Im Hinblick auf den Schulbeginn am Montag und dem Start des Wintersemesters an der Uni im Oktober sei jetzt besondere Vorsicht geboten – vor allem bei privaten Zusammenkünften. Weniger Sorgen mache er sich hinsichtlich der Kultur, meinte er: „Hier wurden die Auflagen teilweise sogar übererfüllt“.

Opposition übt heftige Kritik

Mit den präsentierten Verschärfungen der Maßnahmen habe „die österreichische Bundesregierung dargelegt, dass sie ein wandelnder Kollateralschaden ist und ihre chaotische Linie fortsetzt“, so FPÖ-Chef Norbert Hofer in einer Aussendung. „Was bringt eine regional schaltbare Ampel, wenn der Kanzler dann erst wieder ganz Österreich über einen Kamm schert und die Menschen im ganzen Land wieder mit überbordenden Maßnahmen schikaniert?“

„Sinn einer Ampel ist es, Klarheit zu schaffen und bundesweite Verschärfungen zu verhindern. Die Regierung hat weder das eine noch das andere erreicht", sagte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker in einer Aussendung. „Es ist höchste Eisenbahn, die gesetzliche Absicherung der Ampel in Begutachtung zu schicken, damit wir sie endlich diskutieren können“, kritisierte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher.

Die Maskenpflicht im Handel sieht WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik als „ein gelinderes Mittel“, um einen zweiten Lockdown zu verhindern. „Doppelt herausfordernd ist für die Branche, dass wieder mehr Personal auf der Fläche eingesetzt werden muss, um die Einhaltung der Maskenpflicht zu kontrollieren“, hieß es in einer Aussendung von Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.

Viele Zurufe vor Sitzung der Kommission

Der Entscheidung der Kommission waren bereits am Donnerstag eine Reihe an politischen Zurufen vorausgegangen. Den zweiten Tag in Folge lag die Zahl der Neuinfektionen am Donnerstag jenseits der 650 Fälle – und schien damit den Trend vom Wochenbeginn zu bestätigen. Mehr als die Hälfte aller offiziell gemeldeten neuen Fälle kam aus Wien.

Das ließ einen Tag vor der neuen Schaltung der Coronavirus-Ampel den Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ausreiten. Es sei nötig, die Situation mit dem Bund zu besprechen, ließ Hacker ausrichten. „Wir brauchen einige Spielregeln wieder“ – mehr dazu in wien.ORF.at .

Kanzlererklärung offenbar abgeblockt

Die Forderungen Hackers fielen mit Vermutungen zusammen, wonach Wien auf Orange (hohes Risiko) geschaltet werden könnte. Diese bestätigten sich schließlich nicht. Laut einem Bericht des „Standard“ hätte vor allem das Kanzleramt auf Orange für die Bundeshauptstadt gedrängt. Das hätten aber nicht alle Ländervertreter mittragen wollen, so die Zeitung.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
APA/AFP/Joe Klamar
Der Ruf nach Verschärfungen kam am Donnerstag auch aus dem Bundeskanzleramt

Wie der „Standard“ außerdem berichtete, habe ein Vertreter des Bundeskanzleramtes vor der Kommission eine Erklärung von Kanzler Kurz verlesen wollen. Das sei in der Runde von Expertinnen und Experten aber auf Widerstand gestoßen. Man habe sich schließlich darauf verständigt, dass die Kommission ohne politischen Einfluss arbeiten können müsse.

Expertengespräch zu Neuinfektionen und Ampelschaltung

Aufgrund des Anstiegs an Neuinfektionen sollen Veranstaltungen sollen in ganz Österreich wieder eingeschränkt und die Maskenpflicht in Innenräumen ausgeweitet werden.

Auch der Ruf nach generellen Verschärfungen in Österreich war am Donnerstag ganz offen aus dem Kanzleramt gekommen. Die starke Zunahme – nicht nur in Wien – werde mit Sorge beobachtet. Kurz erwarte sich von der Ampelkommission „schärfere Maßnahmen“, hieß es aus seinem Umfeld gegenüber der APA. Der Kanzler verwehre sich gegen ein „Schönrechnen der Zahlen“.

Anschober verweist auf Kommission

Etwas anders klang das von Gesundheitsminister Anschober – der das letzte Wort bei der Entscheidung über die Ampelfarben hat. Bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten äußerte er sich Donnerstagvormittag eher zurückhaltend.

Neben der reinen Zahlenentwicklung wertet die Kommission auch die Übertragbarkeit der Fälle, die Quellensuche (Cluster), Ressourcen der Spitäler und Tests (auch den Anteil der positiven Tests). Was die Städte betrifft, will man laut dem Vorsitzenden der Coronavirus-Kommission, Ulrich Herzog, nun auch berücksichtigen, dass es eine gewisse Mobilität der Bevölkerung ins Umland gebe. Die Empfehlungen der Kommission bespreche er innerhalb der Regierung, das sei „keine Soloentscheidung“ des Gesundheitsministers, so Anschober.

Novelle der Verordnung am Freitag

Damit die Coronavirus-Ampel zum Werkzeug werden kann, fehlt noch ihre vollständige gesetzliche Verankerung. Erst mit der Novellierung des Epidemiegesetzes und des Covid-19-Maßnahmengesetzes können alle Regeln aufgrund der vier Farbstufen von Grün bis Rot rechtlich durchgesetzt werden. Ein Beschluss ist für den 23. September geplant. Bis dahin soll die Lockerungsverordnung angepasst werden.