Junge Frau mit Schutzmaske und Sonnenbrille
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Verwirrung statt Klarheit

Opposition kritisiert neue Maßnahmen

Die Bundesregierung hat am Freitag eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, die ab Montag bundesweit gelten sollen. Heftige Kritik kam daraufhin von SPÖ, FPÖ und NEOS. Statt Klarheit schaffe die Regierung noch mehr Verwirrung, so der Tenor. Einmal mehr wurde auch die gesetzliche Absicherung der CoV-Ampel gefordert.

„Wir sind für die Ampel, wir wollen, dass sie gut funktioniert, aber im Moment kommt von der Regierung wieder nur Widerspruch um Widerspruch“, so SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher in einer Aussendung: „Die Ampel sollte Klarheit bringen, jetzt stiftet sie noch mehr Verwirrung. Fast ganz Österreich steht auf grün, bundesweite Regelungen schreiben aber gelbe Maßnahmen vor. Es ist höchste Eisenbahn, die gesetzliche Absicherung der Ampel in Begutachtung zu schicken, damit wir sie endlich diskutieren können.“

FPÖ-Obmann Norbert Hofer bezeichnete die Bundesregierung als wandelnden Kollateralschaden. Angst- und Panikmache werde fortgesetzt, mit den Maßnahmen weit übers Ziel hinausgeschossen. Klubobmann Herbert Kickl stieß sich an den geplanten CoV-Gesetzen. Dem Treffen mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Montag will die FPÖ fernbleiben. Erneut forderte er eine dreiwöchige Begutachtung des überarbeiteten Entwurfs. Einmal mehr stellte Kickl eine Blockade im Bundesrat gemeinsam mit der SPÖ in den Raum.

„Man lässt den Großteil des Landes auf Grün, setzt aber bundesweit Maßnahmen, die in Wahrheit schon orange sind. Und dann animiert man einzelne Bundesländer, noch schärfere Maßnahmen zu setzen – siehe Wien“, so Kickl in einer Aussendung.

„Größtmögliche Verwirrung“

Auch NEOS attestierte der Regierung „größtmögliche Verwirrung“ durch ihren Auftritt. „Kein Mensch versteht, warum die Ampel nahezu im ganzen Land auf Grün steht, aber im ganzen Land, auch in den hintersten Tälern, die Maßnahmen verschärft werden“, ärgerte sich Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Eine Ampel müsse nach definierten Schwellenwerten schalten, und nicht nach politischen Erwägungen.

Mit der zweiten Schaltung der Coronavirus-Ampel wurden am Freitag sieben Regionen in Österreich auf Gelb geschaltet. Betroffen sind Wien, Graz, Innsbruck, der Bezirk Korneuburg und die Stadt Wiener Neustadt in Niederösterreich sowie die Bezirke Kufstein und Schwaz in Tirol. Die Informationen zu den Ampelfarben wurden zwischenzeitlich von der Ampel-Website gelöscht. Freitagmittag waren nur noch die Verschärfungen angeführt, die mit der Ampelfarbe Grün gelten sollen.

Mehr Maske, kleinere Veranstaltungen

Angesichts des zuletzt starken Anstiegs von CoV-Fällen nimmt die Bundesregierung die Bevölkerung wieder an die Kandare. Konkret wird das Tragen von Mund-Nasen-Schutz (MNS) im Handel, in Dienstleistungsbereichen, in Behörden und in Schulen außerhalb des Klassenverbandes verpflichtend.

Auch bei Veranstaltungen gibt es Verschärfungen: Ohne zugewiesene Sitzplätze beträgt die maximale Personenzahl im Inneren 50 Personen, im Freien 100 Personen. Bei Großveranstaltungen mit zugewiesenen Sitzplätzen innen liegt sie bei 1.500 Personen, im Freien bei 3.000 Personen. In der Gastronomie gibt es eine Maskenpflicht für Kellnerinnen und Kellner. Speisen und Getränke dürfen drinnen nur am Tisch serviert werden. Die verschärften Maßnahmen werden vom Gesundheitsministerium mit einer Novelle zur Lockerungsverordnung umgesetzt, die mit Montag, 0.00 Uhr in Kraft tritt.

Linzer Bürgermeister fordert Abschaltung

Auch wenn die Ampel für Linz von Gelb auf Grün umgestellt wurde, ist die Kritik von Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) nicht abgeebbt. Trotz Grün gelten wegen der österreichweit angekündigten Ausdehnung der Maskenpflicht verschärfte Regeln. Landeshauptmann Thomas Stelzer und Stellvertreterin Christine Haberlander (beide ÖVP) sahen in der erweiterten Maskenpflicht den „richtigen Schritt“.

„Weil die Bundesregierung plötzlich doch nicht differenziert, sondern mit der Gießkanne vorgehen will“, müssten die Linzer „trotz Grün mit Maskenpflicht, Veranstaltungsabsagen und weiteren Belastungen rechnen“, zeigte Luger kein Verständnis für das Agieren im Bund. Wegen fehlender Differenzierungsmöglichkeiten forderte er „die Abschaltung der Anschober-Corona-Ampel“.

Maske für Hotellerie, Gastronomie und Handel vertretbar

Die Maskenpflicht im Handel sieht WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik als „ein gelinderes Mittel“, um einen zweiten Lockdown zu verhindern. „Doppelt herausfordernd ist für die Branche, dass wieder mehr Personal auf der Fläche eingesetzt werden muss, um die Einhaltung der Maskenpflicht zu kontrollieren“, hieß es in einer Aussendung von Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.

Eine Frau mit Schutzmaske zieht einer Schaufensterpuppe Kleidung an
APA/Herbert Pfarrhofer
Die Maskenpflicht wird bundesweit ausgeweitet

Die heimische Hotellerie und Gastronomie sehen die Maskenpflicht als vertretbare Maßnahme. „Es hat uns überrascht, dass es jetzt plötzlich gekommen ist“, sagte Susanne Kraus-Winkler, Obfrau des WKÖ-Fachverbands Hotellerie, zur APA. In Beherbergungsbetrieben gilt künftig generell Maskenpflicht in geschlossenen Räumen. Auch für Wirtschaftskammer-Gastrospartenobmann Mario Pulker ist die Maskenpflicht „verkraftbar“. Wichtig sei, dass „es keine weiteren Verschärfungen“ gebe, sagte Pulker zur APA.

Kurz: „Maximum an Klarheit“

Auf die Frage, inwieweit das vorgesehene wöchentliche Umschalten der Ampel angesichts der nunmehr beschlossenen bundesweit einheitlichen strengen Regelungen die Bevölkerung verwirren könne, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Freitagvormittag, es gehe um „ein Maximum an Klarheit, keine Verwirrung“. Daher habe man bezirks- und länderübergreifend auf die steigenden Infektionen mit SARS-CoV-2 reagiert.

Die getroffenen Regeln „gelten so lange, bis die Bundesregierung die Notwendigkeit sieht, dass sie verschärft oder wieder zurückgenommen werden“, so Kurz. Er rechne „in den nächsten Wochen“ nicht damit, dass es zu einer Entspannung kommt. „Grün heißt nicht, dass es dort eine Sorglosigkeit geben kann“, sagte der Gesundheitsminister überdies. „Die Ampel ist ein Übersetzungsversuch der Risikoeinschätzung.“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
Reuters/Leonhard Foeger
„Ein Maximum an Klarheit, keine Verwirrung“ fordert Kanzler Kurz

Maßnahmen auf längere Sicht in Kraft

„Das sind Maßnahmen, die wir heute setzen und wo noch nicht klar ist, ob das das Ende der Fahnenstange ist“, sagte Kurz. Einen zweiten Lockdown wolle man jedenfalls verhindern, sagte Kurz. Das Ziel der Maßnahmen sei, mit „Augenmaß und Achtsamkeit“ vorzugehen, so Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Die zuletzt täglich stark steigenden Infektionszahlen seien ihm zu hoch, sagte Anschober. Anschober bat die Bevölkerung zudem, wieder mehr Verantwortung zu übernehmen. Anschober wies auch noch einmal auf die Wichtigkeit der Geschwindigkeit der Tests hin.

An die Eigenverantwortung appellierte auch Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der der Stadt Wien neuerlich polizeiliche Unterstützung beim Contact-Tracing anbot. Er sei zudem dem ungarischen Innenminister dankbar, denn die Einschränkungen für Pendler würden ab sofort nicht mehr gelten.

Wien für fünf Verschärfungen

Der medizinische Krisenstab der Stadt Wien empfahl kurz zuvor eine Reihe von Maßnahmen, um den Anstieg der Coronavirus-Infektionen wieder zu bremsen. Er sprach sich unter anderem für eine Ausweitung der Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus. Wien kann derartige Maßnahmen jedoch nicht im Alleingang umsetzen – mehr dazu in wien.ORF.at.

Der Entscheidung der Kommission waren bereits am Donnerstag eine Reihe an politischen Zurufen vorausgegangen. Den zweiten Tag in Folge lag die Zahl der Neuinfektionen am Donnerstag jenseits der 650 Fälle – und schien damit den Trend vom Wochenbeginn zu bestätigen. Mehr als die Hälfte aller offiziell gemeldeten neuen Fälle kam aus Wien. Das ließ einen Tag vor der neuen Schaltung der Coronavirus-Ampel den Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) ausreiten. Es sei nötig, die Situation mit dem Bund zu besprechen, ließ Hacker ausrichten.

„Standard“: Drängen auf Orange für Wien

Die Forderungen Hackers fielen mit Vermutungen zusammen, wonach Wien auf Orange (hohes Risiko) geschaltet werden könnte. Diese bestätigten sich schließlich nicht. Laut einem Bericht des „Standard“ hätte vor allem das Kanzleramt auf Orange für die Bundeshauptstadt gedrängt. Das hätten aber nicht alle Ländervertreter mittragen wollen, so die Zeitung.

Auch der Ruf nach generellen Verschärfungen in Österreich war am Donnerstag ganz offen aus dem Kanzleramt gekommen. Die starke Zunahme – nicht nur in Wien – werde mit Sorge beobachtet. Kurz erwarte sich von der Ampelkommission „schärfere Maßnahmen“, hieß es aus seinem Umfeld gegenüber der APA. Etwas anders klang das von Gesundheitsminister Anschober – der das letzte Wort bei der Entscheidung über die Ampelfarben hat. Bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten äußerte er sich Donnerstagvormittag eher zurückhaltend.