Gesundheitsminister Rudolf Anschober
APA/Georg Hochmuth
„Pressestunde“

CoV-Ampel soll Ballungsgebiete beachten

Die Coronavirus-Ampel soll Risikogebiete in Zukunft weiträumiger fassen: In Zentralräumen wie Wien, Graz und Linz soll auch das unmittelbare Umfeld der Stadt einbezogen werden, kündigte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) in der „Pressestunde“ an. Für den Wintertourismus soll es „strenge“ Regeln geben, so Anschober, der die Zusammenarbeit mit dem Regierungspartner lobte – jedoch nicht überall.

Man werde bei der Ampel „schrittweise“ auf ein Stadtrandmodell umstellen, so Anschober am Sonntag in der „Pressestunde“. Man könne das unmittelbare Umfeld einer Region, die zusammengehört, nicht mit einer Stadtgrenze trennen. Vielmehr müssten Siedlungsräume mit ähnlichen Strukturen und Bevölkerungsdichte betrachtet werden, ein Beispiel sei die von vielen Wienerinnen und Wienern frequentierte Shopping City Süd im Süden Wiens, wo andere Regeln gelten als aktuell im Wiener Stadtgebiet.

Umgekehrt könne es eine Situation geben, wenn ein Bezirk aus zwei Tälern bestehe, dass etwas je nach Lage Maßnahmen auf ein Tal reduziert werden, sagte der Minister. Man habe bewusst die Arbeitsdichte der Kommission für die Risikoanalyse erhöht, weil die kommenden Wochen „ganz entscheidend“ werden, so Anschober weiter. Wichtig sei dabei auch, dass die Coronavirus-Kommission nicht auf Politikerzuruf agiere.

Zusammenarbeit laut Anschober gut

Gesundheitsminister Anschober über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der CoV-Ampel

Die Ampel selbst nahm Anschober in Schutz. Diese behandle eine „völlig neue Risikokultur“. Denn es würden nicht nur die Infektionszahlen, sondern eine Reihe anderer Parameter berücksichtigt, etwa absolvierte Tests und wie gut die Clusteranalyse gelingt. Damit werde die Situation gesamthaft bewertet. Die Leitlinien zu den Ampelphasen bildeten nur eine Arbeitsgrundlage, zu der die Kommission weitere bundesweite Vorschläge machen könne.

„Strenge Auflagen“ für Wintertourismus

Für den Wintertourismus soll es „strenge“ Auflagen wie Abstandhalten, Hygiene und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) geben. Konkrete Maßnahmen nannte Anschober nicht, vieles hänge von der Situation in dem Ort ab. Apres-Ski in der bisherigen Form werde es aber nicht geben, stattdessen klare Rahmenbedingungen wie eine „normale“ Lautstärke und Sitzplätze statt Bargetümmel, skizzierte der Minister. In Ischgl seien Fehler passiert.

Wie viele Menschen in einer Gondel fahren dürfen, werde unter anderem davon abhängen, ob diese geschlossen oder offen sei. Man müsse bei allem eine Balance finden zwischen dem, was die Wirtschaft brauche und dem Schutz der Gesundheit. Man habe wochenlang an strengen Standards gearbeitet und stehe nun kurz vor einer Einigung, die kommende Woche präsentiert werden soll. „Es kommt nur infrage, was verantwortbar ist“, so Anschober.

„Strenge Regeln“ für Wintertourismus

Abstandhalten und Masketragen soll ausreichend Sicherheit für den Wintertourismus bieten.

Zu dem für den Nachmittag angekündigten Treffen der Sozialpartner mit der Bundesregierung im Bundeskanzleramt in Wien sagte Anschober, dass der Dialog über Maßnahmen und Details mit allen Stakeholdern – auch den Landeshauptleuten und den Religionsgemeinschaften – verstärkt werde. Es gehe um eine Einschätzung der Lage und welche Auswirkungen es hätte, wenn Österreich durch einen exponentiellen Anstieg der Coronavirus-Infektionen „in eine echte zweite Welle kippt“.

„Hervorragende“ Zusammenarbeit in Regierung

Angesprochen auf die Kritik bei den ersten zwei Ampelschaltungen sagte Anschober, dass man mit den Landeshauptleuten gut zusammenarbeite, schließlich würden auch die Bundesländerchefs nicht wollen, dass die Zahlen weiter steigen. Jeder wolle „ernsthaft“ seinen Beitrag leisten. Man arbeite als Team in Sachen Pandemie „hervorragend“ mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zusammen, so der Minister weiter, man sei gut aufgestellt.

„Es ist ernst“

Gesundheitsminister Anschober warnt wie Bundeskanzler Kurz davor, die aktuelle Lage zu leicht zu nehmen.

Der Bundeskanzler habe recht und sage dasselbe wie er, Anschober, dass die nächsten Tage wichtig seien und eine entscheidende Phase. Dass es im Sommer mehr Freiheiten gab, sei gut gewesen, „wer hält denn das sonst aus“, so der Minister, aber nun werde es ernster. Es brauche eine Bewusstseinsänderung, vor allem bei den Jüngeren. Das Durchschnittsalter der Infizierten liege bei 35 Jahren, im April sei es noch bei 59 gelegen.

Der Mund-Nasen-Schutz, der nun wieder in geschlossenen Bereichen gelte, sei als Sensorium dafür wichtig, „dass es ernst ist“. Auch die Reduktion der Veranstaltungsgrößen sei ein wichtiger Schritt. Die nächsten Tage und Wochen seien „entscheidend“. Dass die Bevölkerung teilweise noch nicht mitziehe, liege daran, dass „das Risikobewusstsein kein Schalter ist, den man umlegt, sondern ein längerer Prozess“.

Expertenbeirat soll helfen

Das neue Maßnahmengesetz will Anschober am Montag den Klubobleuten präsentieren. Selbstkritisch gab sich Anschober in der Frage der Kritik an den Verordnungen, und verwies darauf, dass es nicht selbstverständlich sei, wenn sich ein Politiker hinstelle und einen Fehler zugebe. Das Ministerium sei auf die Pandemie nicht hinreichend vorbereitet gewesen, auch wegen Maßnahmen seiner Vorgängerinnen, man habe kurzfristig das ganze Haus umstrukturieren müssen, und die Legistik sei andauernd „extrem“ gefordert.

Legistik „extrem“ gefordert

Die Legistik im Gesundheitsministerium sei „extrem“ gefordert, so Anschober, und werde nun von einem Expertenrat unterstützt.

Man sei auch unter einem enormen Zeitdruck, es gebe aber kein Land in Europa, wo es keine Kritik an Maßnahmen und Verordnungen gebe. Als Unterstützung gebe es nun einen externen Expertenbeirat, der ehrenamtlich arbeite. In Sachen Bereitstellung von Zahlenmaterial sieht Anschober Österreich im Vergleich mit anderen EU-Staaten voran, dass es oftmals unterschiedliche Zahlen gebe, liege an den stündlichen Updates.

Kritik von Opposition

Kritik an Anschober kam FPÖ und NEOS. Während Kurz von einer zweiten Welle spreche, erkläre Anschober, es handle sich derzeit noch um keine „richtige“ zweite Welle, sagte NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. Überhaupt fehle der Bundesregierung eine klare Linie und eine einheitliche Kommunikation. Die Ampel müsse für die Menschen nachvollziehbar gemacht werden. Anschober habe das „Dickicht im Ampel-Chaos nicht lichten“ können.

Auch die freiheitliche Abgeordnete Dagmar Belakowitsch vermisst einen Plan: „Es scheint, als blicke die Regierung lediglich wie das Kaninchen vor der Schlange auf die täglichen Neuinfektionszahlen.“ Die Ampel sei bereits „demontiert, bevor sie überhaupt so richtig eingeschaltet wurde“. Und Anschober sei nicht mehr als „der Beifahrer“ eines Kanzlers, der einfach die zweite Welle ausrufe.

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher sieht die Regierung „irrlichtern durch den Ampeldschungel“. Widersprüchliche Maßnahmen und Aussagen würden nur Unklarheit und das Vertrauen in die gesundheitspolitischen Maßnahmen senken. Statt mit Sachpolitik beschäftige sich die Regierung mit Eitelkeiten, bei der Sondersitzung am Montag betehe nun die Chance, Sachpolitik zu betreiben.