Philip Kucher, Gabriela Schwarz, Gesundheitsminister Rudolf Anschober, Sigrid Maurer und Gerald Loacker im Rahmen einer Pressekonferenz
APA/Roland Schlager
Ampel und Ausgangssperre

Überarbeitetes CoV-Gesetz auf dem Tisch

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat nach der sehr kritischen Begutachtungsphase der geplanten neuen CoV-Gesetzesbestimmungen am Montag einen neuen Entwurf zum Epidemiegesetz, zum Tuberkulosegesetz und zum Covid-19-Maßnahmengesetz vorgelegt und die Parlamentsfraktionen zu einem Gespräch über diese Gesetzesvorhaben getroffen. SPÖ und NEOS zeigten sich versöhnlich, die FPÖ blockiert weiter.

Der neue Entwurf, der ORF.at vorliegt, bietet die Grundlage für die Ampelregelung und für eine weitgehende Ausgangssperre. Letztere muss nun im Gegensatz zur Ursprungsfassung vom Hauptausschuss des Nationalrats genehmigt werden. Auch weniger weitreichende Betretungsverbote in Unternehmen und an öffentlichen Orten müssen durch den Hauptausschuss. Zudem bekommen Landesbehörden die Möglichkeit, regional unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen.

Mit dem neuen Entwurf reagiert Anschober auf die schwere Kritik, die sein erster Vorschlag in der Begutachtung ausgelöst hatte. Unter anderem hatte die Rechtsanwaltskammer kritisiert, dass bei Betretungsverboten nur zwischen „bestimmten Orten“ und „öffentlichen Orten“ unterschieden wird. Das wird im neuen Entwurf deutlich genauer geregelt. Damit hofft das Gesundheitsministerium, künftige Ausgangsbeschränkungen rechtlich wasserdicht verfügen zu können. Die im ersten Lockdown verhängten Verordnungen waren vom Verfassungsgerichtshof nämlich im Juli aufgehoben worden.

Philip Kucher, Gabriela Schwarz, Gesundheitsminister Rudolf Anschober, Sigrid Maurer und Gerald Loacker im Rahmen einer Pressekonferenz
APA/Roland Schlager
Anschober hofft, dass mit dem neuen Gesetz künftige Maßnahmen wasserdicht sind

Fünf Gründe zum Verlassen des Hauses

Im Entwurf heißt es nun konkret: „Sofern es zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 unerlässlich ist, insbesondere um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung zu verhindern“, und die bereits vorhandenen Maßnahmen nicht ausreichen, „kann durch Verordnung angeordnet werden, dass das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zwecken zulässig ist.“

Aufgelistet werden fünf Punkte: „Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben und Eigentum“, „Betreuung von und Hilfeleistung für unterstützungsbedürftige Personen“, „Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens“, „berufliche Zwecke, sofern dies erforderlich ist“, und „Aufenthalt im Freien zur körperlichen und psychischen Erholung“.

Privater Wohnbereich ausgenommen

Das neue Covid-19-Maßnahmengesetz soll eigene Regeln für Betretungsverbote in Betriebsstätten, Arbeitsorten und Verkehrsmitteln sowie an sonstigen öffentlichen Orten enthalten. Explizit ausgenommen ist nur der private Wohnbereich. Für Wohnungen und Häuser (inklusive Gärten, Keller, Garagen etc.) kann die Regierung also auch künftig keine Einschränkungen erlassen. Sehr wohl sollen aber Eingriffe in privaten Räumlichkeiten möglich sein, die nicht für Wohnzwecke angemietet wurden. Dazu zählen auch Vereinslokale und Sportstätten, wie es in den Erläuterungen heißt.

Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die Pandemie einzudämmen, und etwa ein Zusammenbruch der medizinischen Versorgung drohen, dann soll es die Möglichkeit einer weitgehenden Ausgangssperre geben. In Abstimmung mit dem Hauptausschuss des Nationalrats könnte Anschober dann verfügen, „dass das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zwecken zulässig ist“. Eine ähnliche Regelung hatte die Regierung schon im ersten Lockdown erlassen, sie war aber rechtswidrig. Nun werden die fünf Ausnahmen gesetzlich geregelt.

Umstrittene Datenaufbewahrung gestrichen

Ein in der Begutachtung besonders umstrittener Punkt wurde im neuen Entwurf gestrichen. Ursprünglich sollten „Betriebe, Veranstalter und Vereine“ verpflichtet werden, personenbezogene Kontaktdaten von Gästen, Besuchern, Kunden und Mitarbeitern 28 Tage aufzubewahren. Das findet sich im neuen Entwurf nicht mehr.

Mit der Verpflichtung, die Daten zu speichern, sollte das Contact-Tracing – also die Rückverfolgung von Infektionen – erleichtert werden. Harte Kritik daran gab es vor allem aus der Gastronomie. Geplant ist nun nur noch die Verpflichtung, Daten über grenzüberschreitende Reisen auf Verlangen dem Gesundheitsministerium zur Verfügung zu stellen. Explizit angesprochen werden etwa Hotels, Fluglinien und die Bahn. Eine Pflicht zur Datensammlung ergibt sich daraus aber nicht, heißt es in den Erläuterungen. Vielmehr zielt die Regelung nur auf Daten, die ohnehin zur Verfügung stehen.

Keine Hausdurchsuchungen an Arbeitsorten

Am Abend widersprach das Gesundheitsministerium in einer Stellungnahme gegenüber der APA Mutmaßungen in Medien, wonach der überarbeitete Entwurf für die Novelle des Covid-19-Maßnahmengesetzes (COVID-19-MG) Hausdurchsuchungen an Arbeitsorten ermöglichen würde. Es gehe stattdessen „um Vorlage von Unterlagen zur Überprüfung der Umsetzung von Corona-Bestimmungen“, hieß es aus dem Ressort.

Das sei ähnlich den Bestimmungen für Arbeitsinspektorate zu sehen. Zuvor war in der Gratiszeitung „Heute“ und in einem Tweet von „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk der Paragraf 9 des COVID-19-MG publiziert worden, die Zeitung spekulierte vom Ende des Amtsgeheimnisses. Es gehe bei der vorgesehenen Bestimmung keineswegs darum, dass die Bezirksverwaltungsbehörden im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeiten eine Hausdurchsuchung machen dürften, stellte das Ministerium klar. Das sei dieser selbst als auch den Erläuterungen dazu zu entnehmen.

Paragraf 9 sehe vor, dass Behörden prüfen könnten, ob Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung des Covid-19-Virus wie ein Hygienekonzept oder die Einhaltung eines Dienstrades getroffen wurden, von den Arbeitgebern umgesetzt werden, hieß es weiter. „Auf keinen Fall dürfte dabei in andere Unterlagen Einsicht genommen werden! Das Redaktionsgeheimnis, das Arzt-Patienten-Verhältnis oder auch das Anwaltsgeheimnis bleiben selbstverständlich vollständig gewahrt und sind von dieser Bestimmung absolut nicht betroffen!“, stellte das Gesundheitsministerium klar.

Die Bestimmung wäre vergleichbar mit jener des Arbeitsinspektionsgesetzes, wonach Arbeitgeber dazu verpflichtet sind, den Arbeitsinspektionsorganen auf Verlangen alle Unterlagen zur Einsicht vorzulegen, die mit dem Arbeitnehmerschutz im Zusammenhang stehen: „Wir werden das in den Erläuterungen noch zusätzlich präzisieren, damit es für niemanden zu dieser Fehlinterpretation kommen kann.“

Beschluss im Eilverfahren

Geht es nach den Plänen der Regierungsfraktionen, soll am Montag im Anschluss an die Sondersitzung des Nationalrats der Gesundheitsausschuss zusammentreten. Dort will man eine viertägige Ausschussbegutachtung beschließen. Ein zweiter Gesundheitsausschuss am 21. September soll die Novelle absegnen, und zwei Tage später wäre der Beschluss in der ersten regulären Plenarsitzung nach dem Sommer fällig. Ob die Opposition hier mitspielt, bleibt abzuwarten.

Die Oppositionsparteien SPÖ und NEOS zeigten sich im Vorfeld verärgert darüber, dass sie die umfassenden Gesetzesänderungen erst am Sonntag kurz vor Mitternacht bekommen haben und somit kaum Zeit hatten, sich damit ausführlich zu befassen. Nach dem Gespräch mit Anschober am Montag zeigten sich SPÖ und NEOS bereit zur Zusammenarbeit.

SPÖ und NEOS fordern genaue Analyse der Gesetzestexte

Die Gesundheitssprecher von SPÖ und NEOS, Philip Kucher und Gerald Loacker, forderten allerdings eine möglichst genaue Analyse und Überprüfung der neuen Gesetzestexte, denn es gehe hier um einen „Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte“, so Loacker.

Die SPÖ sei für eine „pragmatische Lösung“, „uns ist es wichtig, dass eine kritische Analyse und zweite Begutachtung vorgenommen wird und keine Fehler passieren. Wir sind verhandlungsbereit.“ Für eine inhaltliche Beurteilung habe man noch keine Zeit gehabt, so Kucher.

Der SPÖ kommt in der Gesetzesentstehung eine zentrale Rolle zu, weil sie eine Verzögerung im Bundesrat erwirken kann. Blockiert sie mit den Freiheitlichen das Gesetz im Bundesrat, könnte es bis zu acht Wochen dauern, bis es in Kraft tritt – dann nämlich, wenn man die Novelle in der Länderkammer einfach abliegen lässt. Würden Rot und Blau hingegen aktiv ein Veto einlegen, könnte der Nationalrat mittels Beharrungsbeschluss praktisch sofort den Bundesrat aushebeln, und es ergäbe sich nur eine Verzögerung von wenigen Tagen.

FPÖ blockiert

Die FPÖ war erst gar nicht zu dem Treffen erschienen. Klubobmann Herbert Kickl bezeichnete den Entwurf in einer Aussendung als „gesundheitspolitisches Kriegsrecht und fortgesetzten Raubbau an den Grund- und Freiheitsrechten“. „Als Staffage für diesen ungeheuerlichen Angriff auf verfassungsmäßig geschützte Rechte der Bürger geben wir uns nicht her“, begründete er sein Fernbleiben.

Anschober sagte, er habe kein Verständnis für die FPÖ, die den Gesundheitsausschuss blockiere, „weil man vielleicht Corona nicht so schlimm findet“. Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer zeigte sich über die Blockade der FPÖ „einigermaßen entrüstet“. „Das hat es noch nie gegeben, dass ein Ausschussvorsitzender aus inhaltlichen Gründen den Ausschuss nicht abhält.“