Blick in den Sitzungssaal mit Abgeordneten in den Sitzreihen
APA/Roland Schlager
Geflüchtete in Moria

Anträge für Aufnahmen ohne Abstimmung

Die Sondersitzung im Nationalrat ist am Montag eigentlich zum Thema Arbeitsmarkt einberufen worden. Bedeutsam für die Regierung war aber auch die Frage nach der Aufnahme von Geflüchteten aus dem abgebrannten griechischen Flüchtlingslager Moria. Die Grünen befanden sich in der Zwickmühle zwischen Koalitionsräson und ihrer lange beworbenen politischen Haltung. Die entscheidenden Anträge wurden Ausschüssen zugewiesen.

Die Sondersitzung des Nationalrats kam auf Betreiben der SPÖ zustande, um über die angespannte Lage auf dem Jobmarkt zu beraten. Die Sitzung drehte sich aber auch um eine Frage, die das Potenzial hat, einen dauerhaften Konflikt in der Koalition hervorzurufen: ob sich Österreich an der europäischen Verteilaktion zur Aufnahme von Geflüchteten aus Moria beteiligt. Zum Vergleich: Deutschland erklärte sich zur Aufnahme von bis zu 150 unbegleiteten Minderjährigen bereit, weitere Aufnahmen könnten folgen.

Die SPÖ ersuchte die Regierung in ihrem Antrag, gemeinsam mit Griechenland und anderen EU-Mitglieder für eine menschenwürdige Unterbringung der Asylwerber aus Moria zu sorgen. Und „als humanitäre Notmaßnahme“ sollte aus Sicht der SPÖ auch die Aufnahme von Kindern und unbegleiteten Minderjährigen ermöglicht werden. Dafür plädierte auch NEOS in zwei Anträgen. Die Freiheitlichen kündigten im Vorfeld der Sitzung einen Entschließungsantrag an, in dem Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) aufgefordert wurde, „auf nationaler Ebene sicherzustellen, dass eine Aufnahme von Moria-Migranten nicht stattfindet“ und das auch auf EU-Ebene abzulehnen.

„Unmissverständliche Signale“ der ÖVP

Eine Mehrheit gab es am Montag für keine der beiden Seiten. Dem FPÖ-Antrag folgten nur die Freiheitlichen. Die Anträge von SPÖ und NEOS wurden den zuständigen Ausschüssen zugewiesen. Beide Parteien wollten mit Fristsetzungen erreichen, dass ihre Anträge dort bis zum nächsten Plenum behandelt werden. Damit blieben SPÖ und NEOS aber in der Minderheit. Damit sind die Anliegen vorerst vom Tisch.

Die ÖVP hatte sich schon im Vorfeld gegen die Aufnahme von Geflüchteten gestellt: Man begünstige das Geschäft von Schleppern, wenn Europa die nun obdachlosen Geflüchteten verteile. Österreich helfe stattdessen an Ort und Stelle, so die ÖVP. 400 Hilfsunterkünfte sowie ein Arzt und zehn Sanitäter des Bundesheeres sollen nach Griechenland geschickt werden. Die Grünen treten zwar innerhalb der Koalition vehement für die Aufnahme auf. Dennoch kündigten sie im Vorfeld bereits an, aus Rücksicht auf die Koalition bei den Anträgen nicht mitzugehen.

Die Klubchefs Sigrid Maurer (Grüne) und August Wöginger (ÖVP)
APA/Robert Jaeger
Nicht auf einer Linie: Die Klubchefs der Koalitionsparteien, Maurer (Grüne) und August Wöginger (ÖVP)

Die Meinungsunterschiede in der Koalition waren schon am Sonntagabend in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ evident. Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer hielt mit ihrer Kritik am Regierungspartner nicht hinter dem Berg. „Kinder, die seit Monaten, teilweise Jahren, in absolut unerträglichen Zuständen leben, denen eine Zukunftsperspektive zu geben, eine gewisse Sicherheit, das könnte Österreich problemlos leisten, und das sollte auch passieren“, sagte Maurer. Dass die Grünen dennoch gegen die Anträge stimmen wollten, begründete Maurer mit der fehlenden Mehrheit für die Aufnahme. Zudem wäre es ein Koalitionsbruch.

Antrag auf Aufnahme von Kindern aus Moria

Ein zweites Thema war am Montag im Parlament nicht weniger spannend: wie ÖVP und Grüne stimmen werden, wenn es um die Aufnahme von Kindern aus dem griechischen Lager Moria geht.

Die ÖVP habe auch für diesen Fall ein Mitstimmen mit der FPÖ angekündigt, sagte Maurer am Sonntag. Dafür habe es „unmissverständliche Signale“ gegeben. Eine grüne Zustimmung würde den Anträgen von SPÖ und NEOS keinen Erfolg bescheren. Sehr wohl eine Mehrheit hätte dagegen ein gemeinsamer Beschluss von ÖVP und FPÖ.

Im Regierungsabkommen zwischen ÖVP und Grünen besteht ein „Krisenmechanismus“, der bei Uneinigkeit in Migrationsfragen schlagend werden kann. Der auch als „koalitionsfreier Raum“ bezeichnete Mechanismus war vorausschauend geschaffen worden, um die Koalition nicht sprengen zu müssen im Fall einer neuen Migrationskrise. Beide Parteien hatten sich stets optimistisch gegeben, dass der Krisenfall nicht eintreten werde.

Landesparteien geben Rückendeckung

Die Landesparteien beider Koalitionäre hatten sich schon vor der Sondersitzung am Montag auf Linie gezeigt. Von den ÖVP-Landeshauptleuten gab es Unterstützung für den Kurs „Hilfe vor Ort“: „Denn natürlich blutet einem bei den schrecklichen Bildern aus Griechenland das Herz. Aber christlich-sozial ist es nicht, populistisch eine Kleinigkeit zu tun, sondern wirksam zu helfen“, so etwa der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP).

Bundeskanzler Sebastian Kurz und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im Rahmen einer Sondersitzung des Nationalrates
APA/Robert Jaeger
Kanzler Kurz und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner: Über Kreuz beim Thema Arbeitsmarkt und Moria

Auch bei den Grünen kam keine Kritik am Kurs der eigenen Bundespartei: Die steirische Grünen-Chefin Sandra Krautwaschl sagte zur APA, dass ihre Parteikollegen und -kolleginnen „mit allen Mitteln bei der ÖVP für die Flüchtlinge in Moria kämpfen“ würden. Krautwaschl meinte allerdings auch, dass die grüne Bundespartei beim Stimmverhalten keinen Koalitionsbruch riskieren sollte: „Ein Regierungsbruch wäre in jedem Fall die schlechtere Variante für die Flüchtlinge in diesem Land. Es ist unsere Pflicht, innerhalb der Koalition für die Flüchtlinge weiterzukämpfen.“