Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny
AP/Dmitry Serebryakov
Vergifteter Kreml-Kritiker

Zustand Nawalnys hat sich verbessert

Der Gesundheitszustand des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hat sich laut dem Berliner Klinikum Charite weiter verbessert. Er muss nicht mehr beatmet werden und kann sein Krankenbett zeitweise verlassen, teilte das Spital am Montag mit. Laut der deutschen Regierung haben nun auch Labore in Frankreich und Schweden bestätigt, dass der 44-Jährige mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet wurde.

Der russische Oppositionspolitiker habe inzwischen „vollständig von der maschinellen Beatmung entwöhnt“ werden können, teilte die Charite mit. Er werde „zunehmend mobilisiert“, hieß es weiter. Nawalny wird seit dem 22. August in dem Berliner Krankenhaus behandelt, nachdem er zwei Tage zuvor während eines Flugs in Russland zusammengebrochen war.

Nach Angaben der deutschen Regierung wurde Nawalny „zweifelsfrei“ mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Der Befund sei mittlerweile von Labors in Frankreich und Schweden bestätigt worden, so der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Eine weitere Untersuchung werde von der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OVCW) ausgeführt.

Macron sieht „Mordversuch“

Damit hätten nun „drei Labore unabhängig voneinander den Nachweis eines Nervenkampfstoffes aus der Nowitschok-Gruppe als Ursache der Vergiftung von Herrn Nawalny erbracht“, sagte Seibert. Berlin bekräftigte seine Forderung, „dass sich Russland zu den Geschehnissen erklärt“. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits zuvor von einem „versuchten Giftmord“ an dem russischen Oppositionspolitiker gesprochen und Russland zur Klärung aufgefordert.

Das Charite-Krankenhaus in Berlin
AP/Markus Schreiber
Nawalny wird seit 22. August in der Charite behandelt

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von einem „Mordversuch“ an Nawalny. Macron drängte Russlands Präsident Wladimir Putin am Montag in einem Telefonat zu „vollständiger Aufklärung“, wie das Präsidialbüro in Paris mitteilte.

„Frankreich teilt auf der Grundlage eigener Untersuchungen die Schlussfolgerungen mehrerer europäischer Partner zu einer Vergiftung mit dem neurotoxischen Wirkstoff Nowitschok“, hieß es in der Erklärung von Macrons Büro weiter. Russland müsse nun seinerseits eine „glaubwürdige und transparente Untersuchung veranlassen“.

Deutschland weist russische Kritik zurück

Die deutsche Regierung wandte sich indes auch gegen auf russischer Seite verbreitete Mutmaßungen, Nawalny könnte erst nach seiner Ausreise aus Russland mit dem Gift in Berührung gekommen sein, zum Beispiel während des Fluges nach Deutschland. Solchen Theorien folge er in keiner Weise, sagte Regierungssprecher Seibert.

Das Auswärtige Amt wies zudem Vorwürfe zurück, Deutschland würde den russischen Behörden die bei Nawalny entnommenen Proben vorenthalten. „Nawalny war 48 Stunden in russischer Behandlung im Krankenhaus“, sagte Außenamts-Sprecherin Maria Adebahr in Berlin. Insofern lägen dort Proben vor.

Schweden: „Können Nowitschok bestätigen“

Bei dem schwedischen Labor handelt es sich um die Swedish Defence Research Agency, die dem Verteidigungsministerium untersteht. „Wir können dieselben Ergebnisse wie in Deutschland bestätigen, also dass es sich um Nowitschok handelt“, sagte dessen Leiterin Asa Scott der Nachrichtenagentur AFP.

Scott bestätigte auch, dass es sich dabei um ein in Russland entwickeltes Nervengas handle. Zur Herkunft des konkret bei Nawalny eingesetzten Gifts könnten zwar keine Angaben gemacht werden, allerdings sei es unwahrscheinlich, dass andere Länder als Russland darüber verfügten.

Die russische Regierung hatte zuvor wiederholt Zweifel an den von einem Bundeswehr-Labor erstellten Befund geäußert. Nowitschok war in den 70er Jahren von sowjetischen Wissenschaftlern entwickelt worden.

Nawalny-Lager feiert Erfolge bei Regionalwahl

Unterdessen haben sowohl das Nawalny-Lager als auch die Kreml-Partei Geeintes Russland Erfolge bei den Regionalwahlen in Russland verbuchen können. In der Metropole Nowosibirsk, die drittgrößte Stadt Russlands, ist die Kreml-Partei seit Sonntag nicht mehr stärkste Kraft im Stadtrat. „Hurra, wir haben die Stadt von Geeintes Russland befreit“, schrieb der regionale Stab des Nawalny-Lagers am Montag auf Twitter.

Sergej Boiko von Nawalnys Team wurde in das Stadtparlament von Nowosibirsk gewählt. Boiko arbeitet bereits seit drei Jahren für den Kreml-Kritiker. Nawalny unterstützte den 37-Jährigen auch im August aktiv. Boikos Team wurde vor der Wahl auch angegriffen. In der Stadt Tomsk, wo sich Nawalny zuletzt aufhielt, schafften zwei seiner Mitarbeiter den Einzug in den Stadtrat, wie die Agentur Interfax meldete. Dort verlor die Kreml-Partei ihre Mehrheit.

Trotz der Erfolge in einzelnen Städten hält die Kreml-Partei weiter alle wichtigen Posten. Ex-Ministerpräsident Dmitri Medwedew, der auch Parteichef von Geeintes Russland ist, hatte schon nach der Schließung der letzten Wahllokale seine Partei zur Siegerin erklärt. Alle von Geeintes Russland unterstützten Gouverneure in den 18 Regionen bleiben den jeweiligen Wahlleitungen zufolge im Amt. Allein sechs erhielten Zustimmungswerte von über 80 Prozent. Unabhängige Wahlbeobachter sprachen von mehr als 1.000 Berichten über mögliche Verstöße. Sie seien zugleich vielfach an ihrer Arbeit gehindert worden, beklagten sie. Dagegen sagte Russlands Wahlleiterin Ella Pamfilowa, alles sei insgesamt „ruhig und sauber“ verlaufen.

EU erkennt Ergebnisse teils nicht an

Die EU wird indes einen Teil der russischen Regionalwahlergebnisse nicht anerkennen. Die Europäische Union habe die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und von Sewastopol durch die Russische Föderation nicht anerkannt und erkenne daher auch die Wahlen auf der Halbinsel Krim nicht an, teilte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit. Wer in der von Russland organisierten Abstimmung auf der Halbinsel Krim gewählt werde, sei für die EU kein Vertreter der Krim und von Sewastopol. Die Gebiete seien Teil der Ukraine.