Bildungsminister Heinz Faßmann
APA/Hans Punz
Faßmann

„Schulen bleiben gelb“

Kurzfristig abgesagte Projekttage, offene Fragen zum Heimunterricht, chaotischer Umgang mit positiven Coronavirus-Fällen: Mit der Ampelschaltung mehrerer Städte und Bezirke auf Orange steigt auch die Nervosität an den Schulen. Es sei aber kein Heimunterricht geplant, sagte ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann in einer rasch einberufenen Pressekonferenz am Dienstag.

Trotz der Umstellung der Coronavirus-Ampel auf Orange in sieben Bezirken „bleiben die Schulen gelb und die Unis ebenso“. Man folge hier der Empfehlung der Ampelkommission, so Faßmann. Das Infektionsgeschehen zeige, dass es „epidemiologisch vertretbar“ sei, die Bildungseinrichtungen offen zu halten. Daher sei in Absprache mit Experten entschieden worden, die „Maßnahmen von der Ampelfarbe zu entkoppeln“. Schüler, Lehrer und Eltern brauchten jetzt vor allem Stabilität und nicht tägliche Veränderungen.

Für die Schulen soll sich also nicht wirklich etwas ändern. Das trug erheblich zur Verwirrung bei, denn eigentlich hatte es geheißen, dass bei Ampelfarbe Orange die Oberstufe in den Heimunterricht wechselt. Auch die Absage von Schulveranstaltungen, Singen nur noch im Freien und Lehrerkonferenzen nur noch online wären die Folge der Ampelfarbe Orange gewesen. Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi (Grüne), dessen Stadt nun ebenfalls auf Orange geschaltet wurde, zeigte sich erfreut, dass Schulen, Sportstätten und Kultureinrichtungen nicht wie ursprünglich in den Maßnahmen vorgesehen betroffen seien.

Schüler und Schülerinnen am ersten Schultag des Schuljahres 2020/21
ORF
Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz und Desinfektionsmittel gehören zum neuen Schulalltag

Es sei sinnvoll, „dass die Expertenkommission hier nachjustiert“. Für den Bildungsbereich gab es am Dienstag keine weiteren Empfehlungen, „da laut Kommission derzeit keine Hinweise vorliegen, dass der Bildungssektor substanziell an der Ausbreitung beteiligt ist“.

Faßmann sieht „Problem“ bei Tests

Bei der raschen Testung von Verdachtsfällen an Schulen sieht Faßmann allerdings „ein Problem“. Es sei ein „empirisches Faktum: Es dauert zu lange.“ Es gehe nicht an, dass bei Verdachtsfällen „Klassen im Schwebezustand“ belassen würden, wenn man sich gleichzeitig ansehe, dass etwa am Wiener Biocenter bestehende Testkapazitäten nicht ausgenutzt werden. Ende September soll ein Testmonitoring an Schulen starten. Freie Ressourcen sollen in das System eingespeist werden, so Faßmann.

Opposition sieht „Farce“ und „Chaos“

SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid kritisierte die Verwendung der CoV-Ampel als „politisches Instrument“. Das Chaos dürfe nicht zum „Schulchaos“ werden: „Keiner kennt sich mehr aus, was die verschiedenen Farben für die Schulen bedeuten“, kritisierte Hammerschmid.

Als „Farce“ bezeichnete NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker den „Zickzackkurs der Regierung“ in Sachen Ampel. Eine regional differenzierte Ampel sei eine gute Idee. Die Schaltung müsse aber nach klaren und nachvollziehbaren wissenschaftlichen Kriterien erfolgen: „Es ist ja Irrsinn, dass die Schulbehörden wieder etwas anderes entscheiden können (…).“ Für NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre bringen „unterschiedliche Ampeln in unterschiedlichen Farben keine Sicherheit“. Es sei nach Faßmanns Ausführungen nicht klar, wer auf welcher Datenbasis entscheidet, „was im Schul- und Hochschulbereich gilt und passiert“.

Der oberste Wiener Pflichtschullehrer-Personalvertreter, Thomas Krebs (FCG), sieht Schulstandorte mit der coronavirusbedingten Situation vielfach von Behörden alleingelassen. Testungen seien „mühsam und langwierig. Die Wartezeiten, bis getestet wird und bis danach endlich ein Ergebnis vorliegt, dauern oft mehrere Tage.“ Schulen würden „dringend Hilfe“ brauchen. Thomas Bulant von den Sozialdemokratischen LehrerInnen Österreich (SLÖ) forderte „von der Regierung einen Maßnahmenkatalog mit Fallbeispielen, damit die Schulen unabhängig von Kompetenzstreitigkeiten und den Warteschleifen bei personell ausgedünnten Behörden die Verdachtsfälle abhandeln können“.

Eigene Ampel für Wiener Schulen

Den Durchblick zu behalten, was gilt und was nicht, ist nicht einfach. Zumal neben der bundesweit geltenden CoV-Ampel die Bundeshauptstadt eine eigene Ampel für Wien hat. Diese bleibt für die Wiener Schulen ebenfalls weiterhin auf der Farbe Gelb. Das bestätigte am Dienstag auch der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer via Twitter. Das bedeute, es gebe keinen Fernunterricht ab 14 Jahren. Schulveranstaltungen, Workshops mit schulfremden Personen und Exkursionen könnten weiterhin stattfinden.

70 positive Fälle an Wiener Schulen

Seit dem Schulstart habe es bisher 202 nachgewiesene Infektionsfälle unter Schülern und 28 unter Pädagogen gegeben, sagte Faßmann am Dienstag. Nur vier Prozent der Fälle stünden mit Schulen in Verbindung, es gebe keine Cluster und nur sehr selten Übertragungen in dem Bereich, der hier eine „nachgeordnete Bedeutung“ insbesondere bei Schülern unter zwölf Jahren habe.

Mit Stand Montagabend waren noch knapp 90 bestätigte Fälle als bisherige Bilanz an Coronavirus-Infektionen in der ersten Schulwoche in Ostösterreich genannt worden – von insgesamt 456.000 Schülern und Schülerinnen in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Der Großteil der positiven Fälle entfiel mit 70 auf Wien – mehr dazu in wien.ORF.at. Wie viele Wiener Standorte betroffen sind bzw. wie viele Personen dadurch in Quarantäne mussten, dazu gab es keine Zahl. In Sachen Absonderung sei das Contact-Tracing zum Teil noch am Laufen, hieß es. Es handle sich aber größtenteils um Einzelfälle.

In Niederösterreich waren 32 Schul- und sechs Kindergartenstandorte betroffen. Nach Aussagen der niederösterreichischen Bildungslandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) werden Schüler aus 20 Klassen wegen behördlicher Quarantäne über das virtuelle Klassenzimmer unterrichtet.

Die positiv getesteten Schüler hätten sich im privaten Bereich angesteckt, bisher habe sich noch kein einziger Schulcluster herausgestellt, sagte der Generalsekretär des Bildungsministeriums, Martin Netzer, am Montag gegenüber Ö1. Es gebe eine „hohe Nervosität im System, aber nicht jeder Schnupfen, jeder Huster, ist ein Covid-Verdachtsfall“, so Netzer, der betonte, dass bei einem reinen Verdachtsfall niemand heimgeschickt werden müsse.

Klassenkollegen in Quarantäne

Bei einem positiven Test eines Schülers müsse meist die ganze Klasse in Quarantäne, da die Klassenkollegen als „Kontaktperson 1“ gelten. Diese würden dann zu Hause getestet, müssten aber auch bei einem negativen Ergebnis zehn Tage in Quarantäne bleiben, sagte Andreas Huber, Sprecher des Krisenstabs der Stadt Wien, gegenüber Ö1. Eltern von negativ getesteten Kindern und Jugendlichen können sich normal bewegen und arbeiten gehen, erst wenn ihr Kind positiv getestet wird, gelten auch für sie die Quarantäneregeln. Für die Quarantänezeit sollten die Schulen Unterricht anbieten.