Der Titel der Ausstellung geht auf ein Zitat von Karl Marx zurück, sagt Kunsthaus-Direktorin Bettina Leidl, und legt gleich noch mit Slavoj Zizek nach: „Der Planet Erde hat keinen Notausgang.“ Kurzversion: Kapitalisten ruinieren die Erde, ausbaden müssen es die Armen – die sich keine Klimaanlage oder gar Übersiedlung an sichere Orte leisten können; besonders dann, wenn es um die An- und Abwesenheit von Wasser geht: Überschwemmungen, steigende Meeresspiegel wegen des Schmelzens der Polkappen, untergehende Regionen und Inseln, ausgedorrte Böden in Afrika.
All das weiß man. Was also bringt eine Ausstellung, in der man noch mehr Fotos sieht, die das scheinbar Unausweichliche belegen? Woraus bezieht Kunst ihre Spannung, wenn sie sich mit Eindeutigkeiten beschäftigt? Ist das nicht eher Journalismus – oder gar Pädagogik? Die Kuratorinnen Sophie Haslinger und Verena Kaspar-Eisert sind um Antworten nicht verlegen.
Der Resignation überdrüssig werden
Denn an Ambivalenzen mangle es nicht in der Klimadebatte. Man will etwas tun, aber fühlt sich gelähmt. Man hat Angst um die Zukunft, um den Status quo, während sich eine düstere Katastrophe anbahnt, die zunächst aber hauptsächlich mittelbar spürbar ist, vor der eigenen Nase aber nicht. Dieses Spürbarmachen, und sei es nur für ein paar Tage des Nachklingens, das ist es, was Kunst kann. Im besten Fall geht man aus der Ausstellung und ist motiviert, gegen die Katastrophe anzukämpfen, und ist, anstatt resigniert zu sein, nur der Resignation überdrüssig.
Tatsächlich stechen die meisten der Kunstwerke aus der Bilderflut zur Klimathematik hervor. Besonders eindringlich wirken die Werke einer Künstlerin und eines Künstlers, schlicht durch das verwendete Material: Gabriele Rothemann hat in Island 2019 Fotos einer schmelzenden Gletscherzunge fotografiert, ganz im Stile Forschungsreisender vergangener Jahrhunderte – und diese Fotos auf Elfenbein von Mammuts gedruckt, die wegen des Schmelzens des Permafrostbodens in der Tundra zutage treten. Die Assoziationskette führt in viele Richtungen – am Ende gar zum Aussterben der Menschheit.
Und Douglas Mandry druckt alte Fotos von Gletschern auf Vlies aus, das seit einigen Jahren in der Schweiz zum Abdecken der Gletscher verwendet wird. Auf den Bildern sind diese Gletscher noch intakt. Heute müssen sie mit Vlies abgedeckt werden, damit sie nicht noch schneller schmelzen. Durch das Zusammenspiel aus dem dreckigen, gebrauchten Material und den Fotos meint man, den schwindenden Gletscher greifen zu können.
Das Verschwinden der Pasterze
Dem Pasterzen-Gletscher in Österreich widmet sich wiederum der Künstler Axel Braun in seinem Projekt „Records of loss“. Schon seit Jahren beschäftigt er sich mit künstlerisch-wissenschaftlichen, interdisziplinären Arbeiten zur Klimakatastrophe. Dabei, erzählt er, ist es nicht immer er, der auf die Wissenschaftler zugeht. Auch Wissenschaftler selbst melden sich bei ihm, weil es ihnen wichtig ist, dass ihre Ergebnisse auch künstlerisch reflektiert werden und in neuem Kontext an andere Zielgruppen als gewöhnlich kommen.
Im Fall der Pasterze hat Braun ein monatelanges Stipendium genutzt, um sich mit der Geschichte der Abbildung und Erforschung des Pasterzen-Gletschers zu beschäftigen. Er hat Bibliotheken und Archive durchforstet und so eine Ausstellung innerhalb der Ausstellung zusammengestellt. Die Abbildungen waren nicht nur wichtig bei der Aneignung der Gletscherzone. Sie sind es auch heute – als einzige Dokumente, die das langsame Verschwinden des Gletschers dokumentieren.
Nicht das Private, das Politische ist politisch
Sinnliche Erfahrbarkeit und Unmittelbarkeit vermitteln auch viele andere der ausgestellten Fotos. Bei Benoit Aquin etwa sieht man die dramatischen Auswirkungen der Umweltsünden Chinas, Benedikt Partenheimer zeigt „Drunken trees“, die zur Seite kippen, weil der Permafrostboden in Alaska auftaut, bei Anastasia Samoylova, wiederum sieht man, wie der Klimawandel in Miami auch die Reichen an der Küste trifft – die dann in höhergelegene Gebiete umsiedeln, wo der Wohnraum in der Folge für Ärmere unleistbar wird – eine Art Klimagentrifizierung.
Am Ende geht jeder mit etwas anderem aus der Ausstellung hinaus. Wehmut um das, was verloren scheint, Mitgefühl mit den Betroffenen – und/oder schlechtes Gewissen wegen der letzten Fernreise. Aber das Private sollte jetzt nicht mehr das Politische sein. Das Politische sollte das Politische sein. Das ist das Fazit von Kunsthaus-Direktorin Leidl. Recyclen, bio, „Öffi“-Fahren, alles schön und gut. Aber jetzt sei die Politik am Zug, es brauche die nächste Ebene, die des politischen Handelns. Diesbezüglich, möchte man auf so viel pragmatischen Optimismus zynisch antworten, sind sicher schon Pläne in der Schublade: fürs Abschieben von Klimaflüchtlingen.