Eine Frau wischt mit einem Finger auf einem Tablet
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EuGH-Urteil

Keine Überholspur für Onlinevideos

Videostreaming, ohne auf das Datenvolumen achten zu müssen – derartige Angebote der Handyanbieter klingen oft verlockend. Werden dabei bestimmte Services anderen vorgezogen, ist aber die Netzneutralität gefährdet. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied nun, dass solche Tarife gegen die Regeln der EU verstoßen. Das ist richtungsweisend, sagen Datenschützer und Juristen.

Im konkreten Urteil vom Dienstag ging es um einen Fall in Ungarn, bei dem der Telekomanbieter Telenor einen bevorzugten Zugang zu verschiedenen Anwendungen und Services zum „Nulltarif“ anbot. Der Datenverkehr wurde dabei nicht auf das gesamte Datenvolumen angerechnet, sprich das gebuchte Datenvolumen reduzierte sich nicht. Zudem konnten diese Services ohne Einschränkungen weiter genutzt werden, wenn das eigentliche Datenpaket aufgebraucht war, während alles anderes blockiert bzw. deutlich reduziert und verlangsamt wurde.

Diese Vorgehensweise entspreche nicht dem Prinzip der Netzneutralität, so die Entscheidung des EuGH. Diese besagt, dass alle Daten im Internet gleich behandelt werden müssen, also nicht bevorzugt oder diskriminiert werden dürfen, egal welcher Art. Die Richter argumentierten, dass solche Tarife die Rechte der Nutzer erheblich einschränken könnten. Sie könnten unter anderem dazu beitragen, dass die Nutzung der bevorzugt behandelten Anwendungen erhöht und der anderen Anwendungen verringert werde.

Videokonferenz auf einem Mobiltelefon
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Daten im Internet sollen alle gleich behandelt werden, egal ob Text oder bewegtes Bild

Stärkung der Netzneutralität

Laut dem Rechtsprofessor Nikolaus Forgo von der Universität Wien ist das Urteil des EuGH wichtig, da es die Netzneutralität betone, die Umlegung des konkreten Urteils auf heimische Rechtsprechung sei aber womöglich etwas diffizil. Das Urteil greife voll, wenn bestimmte Merkmale (wie etwa die uneingeschränkte Nutzung der Services, auch wenn das Datenvolumen aufgebraucht ist) erfüllt seien, ansonsten werde es schwieriger. Abweichende, obwohl ähnlich gelagerte Fälle müsse man in weiterer Folge womöglich erneut vor den EuGH bringen.

Die Datenschützer von epicenter.works sehen das ähnlich. Der EuGH habe grundsätzlich entschieden, dass die Regeln für die Netzneutralität immer gelten, auch wenn in einem Vertrag anderes geregelt werde, heißt es gegenüber ORF.at. Damit werde auch die bisherige Spruchpraxis der Regulierungsbehörde RTR bestätigt, die etwa im Fall von „Free Stream“ von A1 entsprechende technische Diskriminierung untersagt habe.

A1 sieht sich nicht betroffen

Für den heimischen Mobilfunkanbieter A1 hat das Urteil laut eigenen Aussagen keine direkten Auswirkungen – schließlich behandle man beim A1-Angebot „Free Stream“ alle Daten nach Aufbrauchen des Datenvolumens gleich. Grundsätzlich können bei „Free Stream“ mit unterschiedlichen Zusatzpaketen verschiedene Dienste und Services wie Netflix, Spotify und WhatsApp unlimitiert und unabhängig vom gebuchten Datenvolumen genutzt werden.

Sendemast
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Mobilfunker und Internetanbieter wollen Dienste gerne priorisieren – der EuGH schiebt dem einen Riegel vor

Allerdings gilt das nur so lange, bis das gebuchte Datenvolumen aufgebraucht ist. Wenn das Datenvolumen weg oder gesperrt ist, wird „Free Stream“ gemeinsam mit der anderen Internetnutzung gedrosselt, wie in den Nutzungsbedingungen vermerkt ist. Damit würden die Dienste gleich behandelt, und das Angebot sei vom aktuellen Urteil nicht betroffen, heißt es von A1. Zudem würden die Angebote regelmäßig von RTR geprüft.

RTR will heimische Angebote prüfen

Die RTR und die Telekom-Control-Kommission (TKK) begrüßen die Entscheidung als erstmalige Bestätigung der Rechte von Endnutzerinnen und Endnutzern im Zusammenhang mit Netzneutralität durch das europäische Höchstgericht. Die Regulierungsbehörde RTR sehe sich zudem in ihrer bisherigen Praxis bestätigt, wonach es Anbietern untersagt sein soll, im Rahmen von Zero-Rating-Angeboten einzelne Dienste und Services zu verlangsamen oder zu blockieren. Die TKK habe bereits 2017 eine entsprechende Rechtsauffassung vertreten.

Die RTR werde nun die aktuell auf dem heimischen Mobilfunkmarkt befindlichen Zero-Rating-Produkte genauer untersuchen und die Entwicklung weiter beobachten. Die TKK werde in Zukunft weiterhin die Einhaltung der Regeln der Netzneutralität und die damit verbundene Gleichbehandlung von Daten, auch bei neuen 5G-Angeboten und damit verbundenen Technologien, „beobachten und, wenn nötig, auch eingreifen“.