Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne)
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Anschober

„Ampel wird nicht jede Woche umgestellt“

Die kürzlich in Betrieb gegangene Coronavirus-Ampel sorgt weiter für Verwirrung. Auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gestand das am Dienstag im ZIB2-Interview ein: „Das war teilweise ein bisschen verwirrend und teilweise ein bisschen zu viel.“ Ein „Arbeitstreffen“ soll am Mittwoch für mehr Klarheit sorgen. Zugleich kündigte der Minister an, dass die Ampel künftig nicht jede Woche umgestellt werde.

„Es wird hier mehr Berechenbarkeit brauchen“, so Anschober. „Das heißt, es wird auch die Ampel nicht jede Woche umgestellt werden.“ Vor zwei Wochen ging die Ampel in Betrieb und wurde mit einer wöchentlichen Schaltung („Freitag ist Ampeltag“) angekündigt. Grundsätzlich hieß es aber auch, dass die Kommission mindestens einmal pro Woche oder auch öfter tagen könne, Ampelschaltungen könnten auch an anderen Tagen als freitags erfolgen. Die jüngste Färbung erfolgte am Dienstag, die Beratungen dafür fanden am Montagabend statt und gelangten via Leaks an die Öffentlichkeit.

Auf die Frage, ob die Ampel schlecht umgesetzt wurde, antwortete Anschober: „Wir versuchen in einer ernsten Situation, richtig zu reagieren.“ Die Ampel sei dabei eine umfangreiche, sehr qualitative Bewertung der CoV-Lage. Es sei immer so geplant gewesen, dass die Expertenkommission eine Einschätzung des Risikos mache und die Regierung „am Ende des Tages über Maßnahmen entscheidet“.

Anschober: „Prognosen machen uns nachdenklich“

Die Ampel mache sichtbar, wie die Situation im Land derzeit aussehe. Es würden herausfordernde Monate auf Österreich zukommen. Anschober wolle die Länder in seine Entscheidungen mit einbinden.

Simulationsexperte warnt vor zweiter Welle

Anschober appellierte eindringlich an die Bevölkerung, „konsequent und verantwortungsvoll gemeinsam wieder zu den Grundmaßnahmen zurückzufinden“. Denn die Zahlen „bei uns sind drastisch gestiegen“. „Wir haben Prognosen, die uns sehr nachdenklich machen.“ Eines der berechneten Modelle gehe von bis zu 1.300 Neuansteckungen pro Tag aus.

Auch Simulationsforscher Niki Popper von der Technischen Universität (TU) Wien warnte im ORF-„Report“ vor einer zweiten Welle. Diese „ist dann da, wenn Testen, Tracen und Isolieren nicht mehr funktioniert“. „Die Zahlen deuten darauf hin, dass wir schon ein Problem haben“, bekräftigte Popper seine Aussagen in der „Presse“, wonach „die Testen-Tracen-Isolieren-Strategie zusammenbricht“.

Studiogespräch zur CoV-Situation

Zu Gast im Studio ist Niki Popper, Simulationsforscher von der TU Wien.

Sieben Bezirke bzw. Städte sind orange

Die Coronavirus-Ampel änderte zuvor zum bereits dritten Mal ihre Farben. Sieben Städte bzw. Bezirke wurden auf Orange geschaltet. Am Dienstag empfahl die Coronavirus-Kommission, die Städte Wien und Innsbruck sowie die Bezirke Kufstein, Dornbirn, Bludenz, Mödling und Neunkirchen auf Orange („hohes Risiko“) zu schalten.

Nach der Färbung, die bereits am Montagabend über Leaks an die Öffentlichkeit gedrungen ist, kündigten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Anschober an, am Mittwoch mit Vertretern und Vertreterinnen der betroffenen Städte und Bezirke über die weitere Vorgehensweise zu beraten. „Ziel ist es, die jeweiligen Hauptursachen für die regionalen Ausbrüche zu beleuchten und diese effizient zu bekämpfen“, hieß es am Dienstag.

Empfehlungen der Kommission

Zuvor hatte die 19-köpfige-Kommission lediglich Empfehlungen für Gebiete mit „hohem Risiko“ ausgesprochen, verpflichtende Maßnahmen für orange Bezirke gibt es abseits der bundesweiten Regelungen keine. Die Regionen werden aber aufgefordert, den Schutz von Pflegeeinrichtungen und Krankenanstalten zu intensivieren. Auch Screening-Untersuchungen sollten erhöht werden, ältere Personen geschützt und präventive Maßnahmen an bestimmten Orten wie beispielsweise Märkten etabliert werden. Außerdem empfahl die Kommission ein Einschränken der Veranstaltungen in geschlossenen Gesellschaften ohne Sicherheitskonzept.

In den Erläuterungen der Kommission heißt es weiter, dass „weitere Maßnahmen im Bereich der Veranstaltungen nicht erforderlich sind, weil die entsprechenden Maßnahmen der Lockerungsverordnung implementiert werden müssen und die verpflichtend vorgesehenen Präventionskonzepte zur Anwendung gebracht werden sollen“. Für den Bildungssektor sind nach Ansicht der Kommission „keine weiteren Maßnahmen erforderlich, da derzeit keine Hinweise vorliegen, dass der Bildungssektor substanziell an der Ausbreitung beteiligt ist“.

Gegenüber ORF.at hielt das Sozialministerium fest, dass es „ganz klare Regelungen“ gibt, die derzeit in Österreich gelten. Gemeint sind die in der Lockerungsverordnung erwähnten Maßnahmen, die bundesweit und unabhängig von der Ampelfarbe gelten. So ist etwa ein Mund-Nasen-Schutz (MNS) in Innenräumen zu tragen, nicht nur in Postfilialen oder Apotheken, sondern im gesamten Handel, im Dienstleistungssektor, bei Behörden mit Kundenkontakt und ebenso in Schulen außerhalb des Klassenverbands. In der Gastronomie gilt Maskenpflicht für das Servicepersonal. Das Konsumieren an der Theke ist verboten.

Zusatzmaßnahmen für Orange

Spezielle Zusatzmaßnahmen für Orange werden am Mittwoch mit den betroffenen Regionen besprochen, so das Sozialministerium. Wie diese konkret aussehen, ist nicht klar. Die betroffenen Bundesländer wollen zwar den Empfehlungen der Kommission folgen, wissen aber selbst noch nicht wie – mehr dazu in tirol.ORF.at und vorarlberg.ORF.at. Das Land Niederösterreich sprach etwa von „großen Unklarheiten“ und forderte am Dienstag eine Klarstellung – mehr dazu in noe.ORF.at. In Oberösterreich bestätigte Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), dass die Verwirrung groß sei – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Kritik an der CoV-Ampel

Unregelmäßige Färbungen, keine gesetzliche Grundlage und Leaks: Die erst vor zwei Wochen fix in Betrieb gegangene Coronavirus-Ampel scheint derzeit mehr Verwirrung zu stiften, als für Klarheit zu sorgen. Zuletzt wurden mehrere Städte auf Orange gestuft.

Gesundheitsminister Anschober sagte allerdings, dass die Schaltungen „kein Alarmismus“ seien, sondern „ganz einfach ein Weckruf“. In einer Aussendung betonte er, die Risikoeinstufung durch die CoV-Kommission – die aktuelle Schaltung wurde einstimmig beschlossen – sei kein Zeugnis. Bundeskanzler Kurz machte auch klar, dass die Ampelschaltungen keinen Automatismus bei den Maßnahmen bedeuten: „Das eine sind Ampelschaltungen, das andere sind Entscheidungen der Bundesregierung.“

Die Opposition kritisiert das „Chaos“ und verlangt etwa die gänzliche Abschaltung der Ampel. Das Sozialministerium hingegen verteidigte das Instrument als „Warnsystem“. Die aktuelle Färbung sei das Resultat der jüngst gestiegenen Coronavirus-Zahlen. Auch der Innsbrucker Infektiologe Günter Weiss, der auch Mitglied der CoV-Kommission ist, bezeichnete die CoV-Situation als „besorgniserregend“ – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Schulampel, Uniampel, Vorarlberg-Ampel und CoV-Ampel

Für weitere Verwirrungen könnten unterschiedliche Ampeln sorgen. Auf Twitter meldete der Bildungsdirektor von Wien, Heinrich Himmer, dass die „Bundesregierungs-Ampel“ Wien auf Orange gestellt hat, die „Schulampel“ in Wien aber auf Gelb bleiben werde. Auch die Uni Wien entwickelt seit Wochen eine eigene Ampel, die an die CoV-Ampel der Bundesregierung angelehnt sein soll.

In Vorarlberg sagte Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP), dass man innerhalb der Bezirke differenzieren werde. So werden gewisse Täler grün bleiben, obwohl der Bezirk gelb ist – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Das Sozialministerium teilte ORF.at mit, dass „das noch zu klären sei“. In der Kommission sitzen auch Vertreter und Vertreterinnen der neun Bundesländer. Aus dem nationalen Forschungs- und Planungsinstitut für das Gesundheitswesen (GÖG), das gemeinsam mit der Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) die Indikatoren für die Ampelschaltungen aufbereitet, hieß es, dass die Empfehlungen der CoV-Kommission derzeit nicht unterhalb der Bezirksebene differenzieren. Die Analyse von Ballungsräumen werde aber durch den Schulbeginn und Pendler zu einem „großen Thema“, so das Sozialministerium.

Weitere gelbe Städte und Bezirke

Neben den Orangeschaltungen wurden auch 35 Bezirke bzw. Städte auf Gelb hochgestuft. In Niederösterreich sind davon Baden, Bruck an der Leitha, Gänserndorf, Korneuburg, Krems, Krems-Land, Lilienfeld, Mistelbach, St. Pölten, Wiener Neustadt, Wiener Neustadt-Land und Zwettl betroffen – mehr dazu in noe.ORF.at.

Stark betroffen ist auch Oberösterreich, wo nur das Innviertel mit Ried, Braunau und Schärding grün bleibt. Freistadt, Linz, Linz-Land, Perg, Steyr, Vöcklabruck, Wels, Eferding, Gmunden, Grieskirchen, Kirchdorf an der Krems, Rohrbach, Steyr-Land, Urfahr-Umgebung und Wels sind gelb. In der Steiermark wurden Graz, Deutschlandsberg und Graz-Umgebung gelb eingefärbt – mehr dazu in steiermark.ORF.at. In Tirol gibt es eine Gelbschaltung für Innsbruck-Land, Landeck und Schwaz sowie in Vorarlberg für Bregenz und Feldkirch. Die Bundesländer Salzburg, Kärnten und Burgenland bleiben grün.