Blick über Wien
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Coronavirus-Infektionen

Deutschland will Wien auf Rote Liste setzen

Noch am Mittwoch will die deutsche Regierung Wien zum Coronavirus-Risikogebiet erklären. Das berichtete der „Standard“ am Vormittag unter Berufung auf deutsche Regierungskreise. Menschen, die aus Wien kommend nach Deutschland einreisen, müssten damit künftig einen negativen CoV-Test vorweisen – oder zwei Wochen in Quarantäne. Eine offizielle Bestätigung des deutschen Außenamts steht aber noch aus.

„Seit dem 5. September liegen deutlich mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner vor, daher sehen wir uns zum Handeln gezwungen“, zitierte der „Standard“ eine nicht namentlich genannte deutsche Regierungsquelle. Das deutsche Auswärtige Amt wollte die Infos gegenüber der APA allerdings noch nicht bestätigen. „Die Äußerungen unserer Sprecherin Maria Adebahr zur Lage in Österreich von Montag dieser Woche in der Regierungspressekonferenz bleiben weiterhin gültig“, so Ruben Schwarz von der Pressestelle des deutschen Außenministeriums am späten Mittwochvormittag.

Adebahr hatte am Montag auf die Frage, ob die deutsche Bundesregierung eine Reisewarnung für Wien oder Österreich oder sonstige Maßnahmen angesichts der steigenden Coronavirus-Zahlen plane, gesagt: „Wir haben die Lage natürlich weltweit, aber auch in Österreich genau im Blick. Wir weisen in unseren Reise- und Sicherheitshinweisen schon seit letzter Woche darauf hin, dass auch in Österreich die Fallzahlen leider steigen.“

Schallenberg wartet auf offizielle Informationen

Auch das österreichische Außenministerium wollte den Bericht gegenüber ORF.at noch nicht offiziell kommentieren. Nach dem Ministerrat sagte ÖVP-Ressortchef Alexander Schallenberg, er erwarte entsprechende Informationen noch am Mittwoch. Der Außenminister begrüßte es, dass entsprechende Reisewarnungen möglichst regional ausgesprochen werden. Letztlich werde die internationale Bewertung von Österreich selbst abhängen, so der Außenminister. Dieselben Probleme hätten wegen der steigenden Infektionszahlen auch Länder wie Tschechien.

„Keine Besonderheit“ in dem kolportierten Schritt Deutschlands sah auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). „Es ist eine Entwicklung, die ganz Europa, vor allem die urbanen Räume, trifft. Das gilt ja schon für andere europäische Großstädte wie Brüssel, Paris, Prag, Genf – überall dort, wo es natürlich auch größere Menschenansammlungen gibt“, sagte er. In Diplomatenkreisen rechnete man am Mittwoch jedenfalls mit einer Einstufung Wiens als Risikogebiet. Die Veröffentlichung der aktualisierten Roten Liste wurde für den Abend erwartet.

Zweistufige Bewertung

Welches Land oder welche Region als Risikogebiet eingestuft wird, entscheidet in Deutschland das Auswärtige Amt gemeinsam mit dem Innen- und Gesundheitsministerium sowie dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin.

Wie die Institutionen zu ihrer Bewertung gelangen, hatte erst am Wochenende ein Sprecher des deutschen Gesundheitsministeriums der APA dargelegt. Die Risikobewertung „umfasst das aktuelle Infektionsgeschehen, aber etwa auch die generelle Ausstattung des Gesundheitssystems, die bestehenden Testmöglichkeiten vor Ort und die ergriffenen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie“, so der Sprecher.

Die Einstufung als Risikogebiet basiere auf einer zweistufigen Bewertung. „Zunächst wird festgestellt, in welchen Staaten/Regionen es in den letzten sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab. In einem zweiten Schritt wird nach qualitativen Kriterien festgestellt, ob für Staaten/Regionen, die den genannten Grenzwert nominell unterschreiten, dennoch die Gefahr eines erhöhten Infektionsrisikos vorliegt.“ In Wien liegt der Wert laut Gesundheitsministerium aktuell bei 113 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen.

Maßgeblich für die Bewertung seien insbesondere die Infektionszahlen und die Art des Ausbruchs (lokal begrenzt oder flächendeckend), Testkapazitäten sowie durchgeführte Tests pro Einwohner sowie in den Staaten ergriffene Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens (Hygienebestimmungen, Kontaktnachverfolgung etc.), hieß es aus dem deutschen Gesundheitsministerium. „Ebenso wird berücksichtigt, wenn keine verlässlichen Informationen für bestimmte Staaten vorliegen.“

Negativer CoV-Test verpflichtend

Als Risikogebiete definiert Deutschland innerhalb der EU aktuell Regionen in Belgien, Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Rumänien, Spanien und Tschechien. Auch in der Schweiz sind zwei Kantone als Risikogebiete deklariert. Laut den Informationen auf der Seite der deutschen Bundesregierung muss jeder und jede bei der Einreise aus einem Risikogebiet einen CoV-Test vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden sein darf.

Wer einen solchen nicht mit sich führt, muss sich in häusliche Quarantäne begeben und sich nach der Ankunft innerhalb von 72 Stunden testen lassen. „Wenn das Testergebnis negativ ist, kann die Quarantäne aufgehoben werden. Ab dem 1. Oktober soll die Quarantäne frühestens nach fünf Tagen mit einem Negativtest aufgehoben werden können“, heißt es auf der Seite der deutschen Bundesregierung

Schweiz entschied bereits vergangene Woche

Die Schweiz hatte Wien am Freitag auf die Liste der CoV-Risikogebiete gesetzt. Seit Montag gilt für Einreisende aus Wien eine Quarantänepflicht, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete. Die Quarantäne beträgt laut Außenministerium zehn Tage. Die Einreisenden müssen sich innerhalb von zwei Tagen bei den zuständigen kantonalen Behörde melden.

Wer die Quarantäne- oder Meldepflicht nicht befolgt, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Schweizer Franken (rund 9.300 Euro). Auch ein negatives Testergebnis hebt die Quarantänepflicht in der Schweiz weder auf noch verkürzt es die Dauer der Quarantäne. Einreisende aus Schweizer Grenzregionen – etwa aus Vorarlberg und Tirol – sind aber generell von der Quarantänepflicht ausgenommen, auch wenn die Fallzahlen steigen sollten.