Menschen am Wiener Graben
ORF.at/Christian Öser
Coronavirus

Deutschland erklärt Wien zum Risikogebiet

Angesichts der hohen Anzahl an Neuinfektionen gilt Wien in Deutschland jetzt offiziell als Coronavirus-Risikogebiet. Das geht aus der am Mittwochabend aktualisierten Liste der Risikogebiete hervor, die das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) führt. Auch Belgien machte Wien zur roten Zone.

Als Risikogebiet definiert Deutschland aktuell Regionen in Frankreich, Spanien, Belgien, Kroatien, Bulgarien, Rumänien, Tschechien und der Schweiz. Einreisende aus Risikogebieten müssen sich in Deutschland verpflichtend auf das Coronavirus testen lassen, sofern sie kein negatives Testergebnis vorweisen können, das höchstens 48 Stunden alt ist. Solange kein negatives Ergebnis vorliegt, müssen sie sich für zwei Wochen in häusliche Quarantäne begeben.

Zuvor hatte es bereits Berichte über die Einstufung Wiens als Risikogebiet gegeben. „Seit dem 5. September liegen deutlich mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner vor, daher sehen wir uns zum Handeln gezwungen“, zitierte etwa der „Standard“ eine nicht namentlich genannte deutsche Regierungsquelle. Noch am Montag hieß es aus dem deutschen Außenamt, dass man die Lage weltweit, aber auch in Österreich genau im Blick habe. „Wir weisen in unseren Reise- und Sicherheitshinweisen schon seit letzter Woche darauf hin, dass auch in Österreich die Fallzahlen leider steigen.“

Wien als rote Zone für Belgien

Auch Belgien hat am Mittwoch reagiert und Wien zur roten Zone erklärt. Das berichtete der flämische Sender VRT, auch auf der Seite des Außenministeriums ist Wien bereits vermerkt – ab Freitag treten die neuen Regeln in Kraft. Konkret bedeutet das, dass Einreisende aus Wien nach Belgien verpflichtend einen Coronavirus-Test durchführen und sich 14 Tage in Quarantäne begeben müssen, heißt es auf der Seite des belgischen Ministeriums.

Bisher war Wien wie der Großteil Österreichs nur orange – das bedeutet, dass Test und Quarantäne lediglich empfohlen, aber nicht vorgeschrieben sind. Als einziges österreichisches Bundesland ist Kärnten eine grüne Zone und hat damit keine Einreisebeschränkungen. Auch Amsterdam, so VRT, wurde zur roten Zone erklärt. Nach Prag wurden auch weitere Regionen Tschechiens mit Beschränkungen belegt, auch weitere französische Departements sind zur roten Zone erklärt worden.

„Keine Besonderheit“ für Wiens Bürgermeister

Vor der offiziellen Entscheidung Deutschlands begrüßte ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg, dass entsprechende Reisewarnungen möglichst regional ausgesprochen werden. Letztlich werde die internationale Bewertung von Österreich selbst abhängen, so der Außenminister. Dieselben Probleme hätten wegen der steigenden Infektionszahlen auch Länder wie Tschechien.

„Keine Besonderheit“ in dem kolportierten Schritt Deutschlands sah auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). „Es ist eine Entwicklung, die ganz Europa, vor allem die urbanen Räume, trifft. Das gilt ja schon für andere europäische Großstädte wie Brüssel, Paris, Prag, Genf – überall dort, wo es natürlich auch größere Menschenansammlungen gibt“, sagte er.

Aus der Wirtschaftskammer hingegen wurde große Sorge geäußert. Die deutssche Reisewarnung für Wien verschärfe die wirtschaftliche Lage in der ohnedies bereits extrem geschwächten Stadthotellerie dramatisch, fürchtet die Wirtschaftskammer Österreich. Bereits seit Wochenanfang gebe es eine Stornowelle – mehr dazu in wien.ORF.at.

Zweistufige Bewertung

Welches Land oder welche Region als Risikogebiet eingestuft wird, entscheidet in Deutschland das Auswärtige Amt gemeinsam mit dem Innen- und Gesundheitsministerium sowie dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Wie die Institutionen zu ihrer Bewertung gelangen, hatte erst am Wochenende ein Sprecher des deutschen Gesundheitsministeriums der APA dargelegt. Die Risikobewertung „umfasst das aktuelle Infektionsgeschehen, aber etwa auch die generelle Ausstattung des Gesundheitssystems, die bestehenden Testmöglichkeiten vor Ort und die ergriffenen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie“, so der Sprecher.

Die Einstufung als Risikogebiet basiere auf einer zweistufigen Bewertung. „Zunächst wird festgestellt, in welchen Staaten/Regionen es in den letzten sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab. In einem zweiten Schritt wird nach qualitativen Kriterien festgestellt, ob für Staaten/Regionen, die den genannten Grenzwert nominell unterschreiten, dennoch die Gefahr eines erhöhten Infektionsrisikos vorliegt.“ In Wien liegt der Wert laut Gesundheitsministerium aktuell bei 113 neuen Fällen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen.

Maßgeblich für die Bewertung seien insbesondere die Infektionszahlen und die Art des Ausbruchs (lokal begrenzt oder flächendeckend), Testkapazitäten sowie durchgeführte Tests pro Einwohner sowie in den Staaten ergriffene Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens (Hygienebestimmungen, Kontaktnachverfolgung etc.), hieß es aus dem deutschen Gesundheitsministerium. „Ebenso wird berücksichtigt, wenn keine verlässlichen Informationen für bestimmte Staaten vorliegen.“

Negativer CoV-Test verpflichtend

Als Risikogebiete definiert Deutschland innerhalb der EU aktuell Regionen in Belgien, Bulgarien, Frankreich, Kroatien, Rumänien, Spanien und Tschechien. Auch in der Schweiz sind zwei Kantone als Risikogebiete deklariert. Laut den Informationen auf der Seite der deutschen Bundesregierung muss jeder und jede bei der Einreise aus einem Risikogebiet einen CoV-Test vorlegen, der nicht älter als 48 Stunden sein darf.

Wer einen solchen nicht mit sich führt, muss sich in häusliche Quarantäne begeben und sich nach der Ankunft innerhalb von 72 Stunden testen lassen. „Wenn das Testergebnis negativ ist, kann die Quarantäne aufgehoben werden. Ab dem 1. Oktober soll die Quarantäne frühestens nach fünf Tagen mit einem Negativtest aufgehoben werden können“, heißt es auf der Seite der deutschen Bundesregierung

Schweiz entschied bereits vergangene Woche

Die Schweiz hatte Wien am Freitag auf die Liste der CoV-Risikogebiete gesetzt. Seit Montag gilt für Einreisende aus Wien eine Quarantänepflicht, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete. Die Quarantäne beträgt laut Außenministerium zehn Tage. Die Einreisenden müssen sich innerhalb von zwei Tagen bei den zuständigen kantonalen Behörde melden.

Wer die Quarantäne- oder Meldepflicht nicht befolgt, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Schweizer Franken (rund 9.300 Euro). Auch ein negatives Testergebnis hebt die Quarantänepflicht in der Schweiz weder auf noch verkürzt es die Dauer der Quarantäne. Einreisende aus Schweizer Grenzregionen – etwa aus Vorarlberg und Tirol – sind aber generell von der Quarantänepflicht ausgenommen, auch wenn die Fallzahlen steigen sollten.