Stadtansicht von Wien mit der Kirche Maria vom Siege, Stephansdom und Hotel Ibis
ORF.at/Christian Öser
Reisewarnungen

Wiener Hotellerie besorgt

Nach der Schweiz sind am Mittwoch Deutschland und Belgien mit Reisewarnungen für Wien nachgezogen. Grund dafür sind die steigenden Coronavirus-Zahlen in der Hauptstadt. Während Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) vor der offiziellen Meldung aus Berlin von „keiner Besonderheit“ sprach, zeigte sich die Stadthotellerie besorgt.

Die am Mittwoch fixierte deutsche Reisewarnung für Wien werde die wirtschaftliche Lage in der ohnedies bereits extrem geschwächten Stadthotellerie dramatisch verschärfen, hieß es Mittwochabend aus der Wirtschaftskammer Österreich. Bereits zu Beginn dieser Woche hätten die strengeren Coronavirus-Vorschriften für Veranstaltungen wie etwa Hochzeiten und die Schweizer Reisewarnung eine Stornowelle ausgelöst. „Es hagelt Stornierungen, und Buchungen für den weiteren Herbst bleiben komplett aus“, teilte die Obfrau des WKÖ-Fachverbandes Hotellerie, Susanne Kraus-Winkler, mit.

Die Reisewarnung aus Berlin sei eine „Hiobsbotschaft für den Wiener Tourismus“. Zuletzt sei noch ein leichter Aufwärtstrend in der Branche erkennbar gewesen, einige Betriebe hätten sogar von einer „passablen Auslastung von 50 bis 60 Prozent im September und Oktober“ berichtet. Aufgrund der aktuellen Entwicklung, der Absage von Veranstaltungen, Hochzeiten und Firmenseminaren sowie den Stornierungen der ausländischen Gäste stehe man nun vor einer Auslastung von „nicht einmal zehn Prozent“ – mehr dazu in wien.ORF.at.

Verpflichtende Tests – zweiwöchige Quarantäne

Seit Mittwochabend gilt Wien für Deutschland als Risikogebiet. Das geht aus der aktualisierten Liste der Risikogebiete hervor, die das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) führt. Als Risikogebiet definiert Deutschland aktuell Regionen in Frankreich, Spanien, Belgien, Kroatien, Bulgarien, Rumänien, Tschechien und der Schweiz. Einreisende aus Risikogebieten müssen sich in Deutschland verpflichtend auf das Coronavirus testen lassen, sofern sie kein negatives Testergebnis vorweisen können, das höchstens 48 Stunden alt ist. Solange kein negatives Ergebnis vorliegt, müssen sie sich für zwei Wochen in häusliche Quarantäne begeben.

Das Außenministerium in Berlin begründete die Einstufung mit dem zunehmenden Infektionsaufkommen. „Im Bundesland Wien liegt die Inzidenz derzeit bei mehr als 50 Fällen pro 100.000 Einwohner auf sieben Tage, weshalb das Bundesland zum Risikogebiet eingestuft wurde.“ In Wien liegt der Wert laut Gesundheitsministerium aktuell bei 113 neuen Fällen bei 100.000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen. Auch das Bundesland Tirol, hier insbesondere die Stadt Innsbruck, würden stark steigende Infektionszahlen verzeichnen, heißt es auf der Website des deutschen Außenministeriums.

Deutschland erklärt Wien zum Risikogebiet

Deutschland und Belgien haben Wien zum Coronavirus-Risikogebiet erklärt. Die Zahlen sind gestiegen, aber es wird auch viel mehr getestet.

Die Einstufung als Risikogebiet erfolgt nach gemeinsamer Analyse und Entscheidung durch das deutsche Gesundheits-, Außen- und Innenministerium. Aus dem deutschen Außenministerium hieß es, bei Reisewarnungen handle es sich dem Charakter nach um einen dringenden Appell, nicht um ein Reiseverbot. Das Bestehen einer Reisewarnung könne jedoch weitergehende Auswirkungen haben, beispielsweise für die Gültigkeit einer Reisekrankenversicherung.

Deutscher Botschafter: Lage laufend geprüft

Der deutsche Botschafter in Österreich, Ralf Beste, sagte am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal, dass die Lage in einem „sehr flexiblen Verfahren“ regelmäßig geprüft werde. „Wenn das Infektionsgeschehen in Wien stabil unter dem Schwellenwert von 50 ist, dann werden wir das gerne anpassen“, sagte er zur möglichen Dauer der Reisewarnung.

„Dieser Prozess, Reisewarnungen auszusprechen, ist übrigens nichts, was Deutschland exklusiv macht“, hielt der Diplomat fest. „Österreich hat Reisewarnungen für ganze Länder, beispielsweise Kroatien und Schweden. Die Bundesregierung in Deutschland versucht, das regional zuzuschneiden, und wir haben Reisewarnungen für relativ viele Ballungsräume, Städte, Hauptstädte“ – so etwa für Amsterdam, Brüssel, Genf, Paris, Prag „und jetzt auch Wien“.

Der Blickpunkt sei „genauso wie der der österreichischen Regierung mit Blick auf das eigene Land“, sagte Beste. „Wir müssen das reisebedingte Infektionsgeschehen versuchen, unter Kontrolle zu bringen, und versuchen, das so kontrolliert wie möglich zu tun.“ Er verwies auch darauf, dass die österreichische Regierung Österreichern zurzeit von jedweder Auslandsreise abrate. Beste plädierte dafür, nicht so sehr auf Kontrollen zu setzen, sondern auch auf Eigenverantwortung. Dass es keine scharfen Grenzkontrollen gebe, heiße nicht, dass man sich „durchschleichen“ könne. Wer nach Deutschland komme, müsse sich bei den zuständigen Behörden melden.

Wien rote Zone für Belgien

Ebenso wie Deutschland hat auch Belgien Wien zum Risikogebiet erklärt. Wie das Außenministerium in Brüssel am Mittwoch mitteilte, wird Wien ab Freitag 16.00 Uhr zur „roten Zone“. Darüber hinaus gilt für sechs österreichische Bundesländer ebenfalls eine leichtere Warnung: Niederösterreich, Oberösterreich, Burgenland, Steiermark, Tirol und Salzburg wurden vom belgischen Außenamt als „orange Zone“ eingestuft. Bis Freitagnachmittag gilt diese Kategorie auch für Wien.

Wiens Bürgermeister Ludwig (SPÖ) sagte im Vorfeld der Entscheidung, der Schritt wäre „keine Besonderheit“. „Es ist eine Entwicklung, die ganz Europa, vor allem die urbanen Räume, trifft. Das gilt ja schon für andere europäische Großstädte wie Brüssel, Paris, Prag, Genf – überall dort, wo es natürlich auch größere Menschenansammlungen gibt“, sagte Ludwig. „Eine Reisewarnung für Wien ist ein Alarmsignal für den Standort Wien“, sagte dagegen Finanzminister Gernot Blümel, auch Spitzenkandidat der ÖVP bei der nahenden Wien-Wahl, in einer Stellungnahme im Vorfeld der deutschen Entscheidung.

Schweiz entschied bereits vergangene Woche

Die Schweiz hatte Wien am Freitag auf die Liste der CoV-Risikogebiete gesetzt. Seit Montag gilt für Einreisende aus Wien eine Quarantänepflicht, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete. Die Quarantäne beträgt laut Außenministerium zehn Tage. Die Einreisenden müssen sich innerhalb von zwei Tagen bei den zuständigen kantonalen Behörde melden.

Wer die Quarantäne- oder Meldepflicht nicht befolgt, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Schweizer Franken (rund 9.300 Euro). Auch ein negatives Testergebnis hebt die Quarantänepflicht in der Schweiz weder auf noch verkürzt es die Dauer der Quarantäne. Einreisende aus Schweizer Grenzregionen – etwa aus Vorarlberg und Tirol – sind aber generell von der Quarantänepflicht ausgenommen, auch wenn die Fallzahlen steigen sollten.