Blick ins U-Ausschuss-Lokal
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„Ibiza“-U-Ausschuss

Über das Ende des „Projekts Edelstein“

Bei der Befragung von Balazs S., seines Zeichens „rechte Hand“ von ÖBAG-Alleinvorstand Thomas Schmid, hat der „Ibiza“-U-Ausschuss am Donnerstag Hergang, Beteiligung und Ende des „Projekts Edelstein“ erörtert. Dabei handelt es sich um die unter ÖVP und FPÖ geplante Privatisierung des Bundesrechenzentrums (BRZ) und den Verkauf des staatseigenen IT-Zentrums an die Post.

Es sei 2018 darum gegangen, eine „mögliche Kooperation zwischen Post und Bundesrechenzentrum zu prüfen“, sagte S., ÖBAG-Vorstandsassistent. An dem Projekt hätten maximal fünf Leute mitgearbeitet, wer das Projekt geleitet oder in Auftrag gegeben habe, konnte die Auskunftsperson nicht sagen. S. zählte auf, welchen Vorteil ein etwaiger Verkauf des BRZ an die Post gehabt hätte. Er sprach von Effizienzsteigerungen und Synergien.

Grünen-Mandatarin Nina Tomaselli brachte zum Ausdruck, wieso die Pläne als so problematisch erachtet werden: ob es billigend in Kauf genommen wurde, dass die BRZ-Daten – also private Daten von Bürgerinnen und Bürgern, etwa Gesundheitsdaten – in die Hände der teilprivaten Post gelangt wären? Darauf erhielt sie keine Antwort, weil die Frage nicht zugelassen wurde. Zusammenfassend sagte S., dass das Projekt nicht „weit fortgeschritten“ und „erst in der Anfangsphase“ gewesen sei. „Sie haben immerhin 100.000 Euro ausgegeben“, so Tomaselli.

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Der U-Ausschuss am Donnerstag – die Auskunftsperson wollte nicht fotografiert werden

Bonelli, Löger, Pölzl informiert

In das Projekt involviert sei auch das Bundeskanzleramt gewesen – S. gab an, dass der (damals stellvertretende) Kabinettschef von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Bernhard Bonelli, informiert war. Bonelli habe „eher eine passive Rolle“ gehabt, er habe sich die erstellten Analysen angeschaut. Der damalige Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) habe sich bei einer Präsentation wenig begeistert gezeigt. Auch gab S. an, dass auch Post-Chef Georg Pölzl über das „Projekt Edelstein“ informiert gewesen sei. Nicht informiert war das BRZ.

Von wem Schmid den Auftrag zur Prüfung erhalten habe, konnte die Auskunftsperson nicht sagen. Geprüft wurde, ob das Projekt rechtlich möglich, politisch durchführbar und kaufmännisch sinnvoll sei. Jedenfalls habe man nach einiger Zeit bemerkt, „dass das nichts wird“. Das Projekt wurde „aus unterschiedlichen Gründen weggeworfen“. Das sei Ende 2018/Anfang 2019 der Fall gewesen.

Jan Krainer
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SPÖ-Mandatar Kai Jan Krainer (r.) fragte, wieso das Projekt nach dem Datenskandal weiterbetrieben wurde

Mit ein Grund dafür sei der Datenskandal bei der teilstaatlichen, börsennotierten Post gewesen. „Im Jänner hat man es gesehen, dass es nicht mehr geht“, so S. Danach habe es keine Besprechungen mehr dazu gegeben. Genaueres zu zeitlichen Abläufen war nicht zu klären – der Post-Datenskandal war ja am 7. Jänner aufgekommen. In welcher zeitlichen Distanz die Stilllegung des Projekts dann stattfand, konnte S. nicht sagen.

Nicht irritiert durch neue Aufträge?

Ob er irritiert gewesen sei, dass man nach Aufkommen des Datenskandals der Post noch Aufträge fürs Projekt vergeben habe, konnte oder wollte S. nicht kommentieren.

SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer fragte, wieso Übergangsfinanzminister Eduard Müller das Projekt im Sommer 2019 in den Ministerrat bringen wollte, was aber die damalige Kanzlerin Brigitte Bierlein gestoppt habe. Auch dazu konnte S. nichts sagen – unter Verweis auf seine Tätigkeit in der ÖBAG.

„Verkauf von Daten nie Thema“

Weitere Aufklärung erhoffte sich der Ausschuss am Donnerstag durch Vertreterinnen und Vertreter der Post. Der Leiter des Teams Öffentliches Recht und Regulierungsmanagement der Post AG, Torsten M., sagte aus, dass ein Verkauf der Daten nie Thema gewesen sei – dies seien Daten der öffentlichen Hand. Hätte sich die Post am BRZ beteiligt, hätte die Post die Daten des BRZ nicht verwenden dürfen und hätte das auch nicht getan, gab M. an. Eine rechtswidrige Handlung könne sich die börsennotierte Post nicht leisten.

Torsten M.
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Thorsten M. (rechts) wusste seit 2018 vom „Projekt Edelstein“

Er selbst habe vom Projekt im Sommer 2018 erfahren, aber bereits seit 2009 sei immer wieder darüber nachgedacht worden. Eine Kooperation sei durchaus sinnvoll, schließlich gebe es eine Reihe von Überschneidungen der Geschäftsfelder, etwa ein elektronischer Zustelldienst und Sende- und Druckleistungen, so M. weiter. Bei einer Kooperation könnten doppelte Strukturen abgeschafft werden, M. nannte dabei als Beispiel Server. Das Projekt sei aber noch am Anfang gestanden und hätte noch sechs Monate benötigt.

Man habe sich ein halbes Jahr vor allem mit der Frage des In-House-Privilegs beschäftigt, so M. weiter, das sei dem Bund wichtig gewesen. Dazu habe es mehrere Termine gegeben, bei denen S. immer dabei gewesen sei. S. hatte von zwei Terminen gesprochen. Erst beim letzten Termin im Dezember seien zwei Post-Vorstände und Schmid selber dabei gewesen, so M. weiter. Im Anschluss habe das Finanzministerium erklärt, dass man sich wieder melde, wenn das Projekt weiterverfolgt werde. Dazu sei es aber bisher nicht gekommen.

Post-Aufsichtsratsvorsitzende „nicht eingebunden“

Nach M. wurde Post-Aufsichtsratsvorsitzende Edith Hlawati befragt. „Edelstein“ sei im Finanzministerium gelaufen, Post-Chef Pölzl habe sie im Frühsommer 2018 darüber informiert, gab sie an. Der Sinn des Projekts aus Sicht der Post habe auch Kosteneinsparungen umfasst, man habe ja überlappend mit dem BRZ gearbeitet, so Hlawati. Es sei um Bündelung der IT beim BRZ gegangen „und da sollte die Post eine Rolle spielen“. Es habe verschiedene Modelle gegeben, von Kooperation bis hin zu Beteiligung. Hlawati gab an, nicht eingebunden gewesen zu sein.

Generell berief sich die ÖBAG-Anwältin bei Fragen zur Staatsholding auf ihre Schweigepflicht. Sie habe sich um eine Entbindung von sich aus bemüht, sagte sie mehrmals – sowohl bei ÖBAG als auch beim Finanzministerium. Aber das sei abgelehnt worden, so Hlawati.

Vom Praktikanten rasch zu Schmids „rechter Hand“

Doch zurück zur ersten Auskunftsperson, die an diesem Ausschusstag am meisten Informationen lieferte: In der ersten Befragungshälfte stellte S. auf mehrfache Nachfrage seinen Werdegang dar: Er habe Schmid Ende 2016 in seinem privaten Umfeld kennengelernt und Anfang April 2017 „auf Initiativbewerbung“ im Ministerium einen Posten als Verwaltungspraktikant bekommen – der Job sei nicht ausgeschrieben gewesen. 2018 sei er zu Schmid ins Generalsekretariat gekommen, 2019 sei er Vorstandsassistent Schmids in der ÖBAG geworden.

Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl sagte bei der Erstbefragung, S. habe offensichtlich seit 2015 „eine erstaunliche Karriere hingelegt“. In der ÖBAG mache er klassische Vorstandsassistenz, Vorbereitung von Meetings, Erstellung von Excel-Listen und dergleichen. Er sei die „rechte Hand“, „die erste Ansprechperson“ von Schmid, bestätigte S.

„Erst am Anfang meiner Karriere“

Das Arbeitsverhältnis beschrieb er so: „Wenn ich einen Auftrag von Thomas Schmid bekomme, dann frage ich nicht: warum ich? Sondern: wie oft und bis wann?“ Generell habe er keine Machtposition – weder als Verwaltungspraktikant, noch damals im Generalsekretariat, noch als Vorstandsassistent. Er sei 27 Jahre alt und stehe wohl erst am Anfang seiner Karriere.

Helmut Brandstätter
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NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter (l.): „Können Sie Bilanzen lesen?“

Schmids frühes Interesse an Vorstandsjob

Gefragt nach der Umwandlung der ÖBIB in die ÖBAG sagte S., die ÖBIB sei nicht effizient und optimal gewesen, eine weisungsgebundene GmbH, die nicht in den Aufsichtsräten der Töchter vertreten war. Heute sei das anders, die ÖBAG könne „ihre Arbeit wirklich gut machen“. Das ÖBAG-Thema sei ein sehr wichtiges Projekt im Finanzministerium gewesen. Er, S., habe mit allen Experten im Haus über die ÖBAG-Werdung gesprochen.

Schmid habe bereits damals – also noch zu ÖBIB-Zeiten – ein „gewisses Interesse“ an dem Vorstandsjob gehabt. Weisungen oder Anordnungen in Sachen ÖBAG-Gesetzeswerdung habe er nicht weitergegeben. Es seien auch externe Berater involviert gewesen, Anwälte und eine Personalberatung. Ob er den Textentwurf der am Vortag geladenen Finanzministeriumsbeamtin Elisabeth G. zur Ausschreibung für den ÖBAG-Posten bekommen hatte, konnte S. nicht sagen – keine Erinnerung.