J.K. Rowling
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J. K. Rowling und Transgender

Buch sorgt erneut für Wirbel

Kritik gab es schon im Sommer, jetzt fegt erneut ein Shitstorm über „Harry Potter“-Autorin J. K. Rowling hinweg: In Großbritannien erschien gerade ihr Krimi „Troubled Blood“ – einmal mehr ein Beweis für ihre Transgender-Feindlichkeit?

„#RIPJKRowling“, kurz für „Rest in Peace J. K. Rowling“: Auf Twitter geht gerade ein Hashtag viral, der der „Harry Potter“-Autorin den Tod wünscht, oder, wenn man die hochkochenden Emotionen milde deutet, sie einfach in den Ruhestand schickt. Das vor wenigen Tagen in Großbritannien erschienene Buch „Troubled Blood“ (deutsch „Böses Blut“), der fünfte Band aus ihrer „Cormoran Strike“-Reihe, befeuert die Debatte über eine Transgender-Feindlichkeit von Rowling aufs Neue.

Die Story des 944-Seiten-Wälzers, das ist in der Kurzfassung die Geschichte eines Privatdetektivduos, das einen 40 Jahre alten Mord aufzuklären hat. Der Hauptverdächtige, Dennis Creed, ist ein im Gefängnis sitzender Serienmörder, der einst mit Frauenkleidern bekleidet seine Opfer austrickste. Mit Perücke und Frauenmantel verkleidet, erschlich er sich ihr Vertrauen.

Daniel Radcliffe
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Hauptdarsteller Daniel Radcliffe und weitere Stars der „Harry Potter“-Verfilmungen positionierten sich gegen J. K. Rowling

„Traue niemals einem Mann in Frauenkleidern“

„Die Moral der Geschichte: Traue niemals einem Mann in Frauenkleidern“, resümierte der „Telegraph“ – und ließ auf Twitter erneut die Wogen hochgehen. Begonnen hatte die Debatte im Juni mit einem Artikel, in dem von „menstruierenden Menschen“ die Rede war. J. K. Rowling hatte da sarkastisch kommentiert: „Ich bin mir sicher, wir haben ein Wort dafür, kann mir jemand helfen?“ Gemeint war natürlich: Frau. Was man da noch als pointierte Spitze sehen konnte gegen eine Sprachpolitik, die sich in Details verschwurbelt und in ihrer Selbstmarginalisierung schlussendlich niemandem dient, klang tags darauf doch deutlich kruder.

„Ich kenne und liebe Transgender-Personen, aber das Konzept, Geschlecht auszulöschen, hindert viele Menschen, sinnvoll über ihr Leben zu sprechen“, legte J. K. Rowling nach und positionierte sich so als Anhängerin eines „Feminismus“, demzufolge Transgender-Personen und vor allem Trans-Frauen jene Frauen bedrohen, die biologisch als solche geboren wurden.

Als Grund für ihre Positionierung gab sie Gewalterfahrungen in ihrer ersten Ehe an: Radikale Transgender-Aktivisten, so J. K. Rowling, würden Frauenräume unterwandern, indem sie keine Differenzierung der Geschlechter mehr zulassen. Auf ihrem Blog äußerte sie später auch Bedenken, dass depressive und verwirrte Jugendliche durch die Präsenz dieser „Ideologie“ zusehends in Hormontherapien gedrängt würden, mit irreversiblen Folgen, etwa was ihre Fruchtbarkeit betrifft.

Kopf der Anti-Transgender-Bewegung

Rowling ist eine der reichsten und erfolgreichsten Frauen Großbritanniens, ihre sieben „Harry Potter“-Romane wurden nicht zuletzt für ihren integrativen Charakter hochgelobt; sie spendet regelmäßig für sozial Schwache oder ein Multiple-Sklerose-Forschungszentrum – und könnte eigentlich eine nationale Heldin sein.

Doch mit ihren Posts zu Transgender-Angelegenheiten, die sie zur zentralen Figur der Anti-Transgender-Bewegung machten, hat sie mittlerweile viel Wut und Unmut auf sich gezogen, die bis zu den Darstellerinnen und Darstellern von „Harry Potter“ reichen. „Transgender-Frauen sind Frauen“, schrieb etwa Daniel Radcliffe auf seinem Blog. Alles andere lösche ihre Identität und Würde aus.

Aber zurück zu „Troubled Blood“ und den aktuellen Vorwürfen: Die Debatte entzündet sich nicht zuletzt an dem Pseudonym der Reihe, unter dem J. K. Rowling hier schreibt, Robert Galbraith. Der Name sei eine Zusammensetzung aus dem Vornamen ihres politischen Helden Robert F. Kennedy und einem Kindheits-Fantasiename, so erzählt es die Autorin gerne – eine nette, kleine Geschichte für ihre Fans, so könnte man meinen. Doch wer Robert Galbraith googelt, stößt auf einen 1915 geborenen Psychiater und Pionier der Konversionstherapie, der Schwulsein als „Krankheit“ betrachtete, die es zu „heilen“ galt.

Transgender-Personen in Hollywood

Zum Inhalt des Buchs, das übrigens erst im Dezember auf Deutsch erscheint: Der verdächtige Dennis Creed soll, so der „Guardian“ beschwichtigend, nur einer der Verdächtigen und dezidiert nicht Transgender sein. Gezeichnet wird die Figur als eine “sexuell uneindeutige Person“, deren Fetisch es ist, in gestohlene Frauenunterwäsche zu masturbieren.

Im Lauf der Handlung stellt sich heraus, dass Creeds Interesse an Frauenkleidern auf seine Missbrauchserfahrungen in der Kindheit zurückzuführen sind. Als Erwachsener werden sie zu seinem Mittel, um seine perversen Fantasien umzusetzen.

Auch wenn hier nur von Cross-Dressing die Rede ist: Rowlings Charakterzeichnung steht unzweifelhaft in direkter Linie mit problematischen Darstellungen von Menschen, die den klassischen Geschlechternormen nicht entsprechen. Siehe in Richtung Hollywood, mit „Psycho“ (1960) und dem Frauenkleider tragenden Serienmörder Norman Bates als wahrscheinlich berühmtesten Beispiel, oder, ebenfalls von Hitchcock, „Mord – Sir John greift ein!“ (1930), „Blumen ohne Duft“ (1970) oder „Schweigen der Lämmer“ (1991).

Dokumentation "Disclosure: Hollywoods Bild von Transgender
Reuters
„Marginalisierte Gruppen nicht spalten“: Transgender-Hollywood-Star Laverne Cox in der Netflix-Doku „Disclosure“

Gegen die Spaltung marginalisierter Gruppen

Wie solche Darstellungen die Angst von Transgenderpersonen verfestigten, davon handelt auch die vielgelobte Netflix-Doku „Disclosure“: Hollywood-Filme, so wird da etwa aufgerollt, zeigen Transgender-Personen oder Cross-Dresser, wenn sie denn überhaupt vorkommen, fast immer als Sexarbeiterinnen, Mörder oder andere wenig vertrauenswürdige Personen.

Die Darstellung von Transgender habe sich mittlerweile aber deutlich diversifiziert, so der Tenor von „Disclosure“. Als Positivbeispiel kann etwa die Netflix-Serie „Pose“ über die Ballroom-Szene im New York der 80er und 90er genannt werden. „Solche Sichtbarkeit im Mainstream ist wichtig und willkommen“, so kommentiert das der „Orange is the New Black“-Star Laverne Cox, selbst Transgender-Person.

Laverne Cox äußerte sich gegenüber dem US-Popkultur-Onlinemagazin The Daily Beast auch zum Kapitel J. K. Rowling: „Frauenrechte gegen Transrechte auszuspielen, das ist ein sehr effektives Werkzeug, um marginalisierte Gruppen zu spalten.“ Man solle besser gemeinsam gegen Unterdrückung arbeiten – und, so könnte man hinzufügen, die Relationen im Blick behalten. Dass Transgender-Personen die Vorstellungen von Geschlecht verschieben: ja. Dass sie die große gegenwärtige Bedrohung für Frauen und Mädchen darstellen: wohl eher weniger.