Von den umstrittenen neuen Maßnahmen sind rund 850.000 Menschen in überwiegend ärmeren Stadtteilen im Süden der Stadt sowie in südlichen Vororten betroffen – sie gelten zwei Wochen. Ausnahmen von den lokalen Lockdowns gelten nur für den Weg zur Arbeit, zum Arzt und um Kinder zur Schule zu bringen.
Die Behörden haben die Menschen in den betroffenen Stadtteilen darum gebeten, die meiste Zeit zu Hause zu bleiben. Parks wurden geschlossen. Geschäfte, Bars und Restaurants dürfen zwar geöffnet bleiben, müssen die Zahl der Kunden und Gäste aber halbieren. Die Obergrenze für Treffen wurde in der gesamten Region von zehn auf sechs Menschen gesenkt.
„Unsere Stadtteile sind keine Ghettos“
Da die Maßnahmen vor allem dicht besiedelte und einkommensschwache Viertel betreffen, war es am Sonntag in einigen der betroffenen Bezirke zu heftigen Protesten gekommen. Die Menschen hielten Plakate in die Höhe, auf denen zu lesen war: „Nein zu einer Ausgangssperre nach sozialen Klassen“, „Unsere Stadtteile sind keine Ghettos“ und „Sie zerstören unsere Viertel und jetzt sperren sie uns ein“. Überdies forderten sie den Rücktritt der konservativen Regionalpräsidentin Isabel Diaz Ayuso: „Ayuso, Du bist das Virus“.
Madrids Regionalregierung hatte den Bewohnern stark betroffener Stadtteile bereits im August empfohlen, möglichst zu Hause zu bleiben und Kontakte einzuschränken. Der starke Anstieg der Fallzahlen wurde so aber nicht gestoppt.
Regierung wegen Lage in Madrid beunruhigt
Einige der nun abgeriegelten Bezirke im Süden der Metropole hatten in den vergangenen zwei Wochen teilweise mehr als 1.000 Coronavirus-Fälle je 100.000 Einwohner gemeldet – das ist etwa das Fünffache des landesweiten Durchschnitts. Behördenvertreter warnten indes vor einer Überlastung des Gesundheitssystems in Madrid.
Ayuso, die wegen ihres Krisenmanagements stark in der Kritik steht, kam am Montag daher zu einem Krisentreffen mit Ministerpräsident Pedro Sanchez von den Sozialisten zusammen. Beschlossen wurde dabei unter anderem eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit verschiedenen Ministern, die wöchentlich zusammenkommen soll.
Sanchez: „Haben schwere Wochen vor uns“
Die medizinische Grundversorgung, die Kontrollen zur Einhaltung der Einschränkungen und die Nachverfolgung der Infektionsketten müssten verbessert werden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Er wolle „nicht überwachen, sondern helfen“, sagte Sanchez. „Wir haben schwere Wochen vor uns.“ Ayuso klagte, Madrid benötige vor allem mehr medizinisches Personal. Die Ausrufung eines regionalen Notstands zur Durchsetzung strikterer Einschränkungen schloss sie wegen der sozialen und wirtschaftlichen Folgen aus. „Ein Notstand und Lockdowns wären der Tod für uns alle.“
Die vielen Coronavirus-Fälle in Madrid beunruhigen die Regierung, da die Hauptstadt auch ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt ist. Befürchtet wird, dass sich eine zweite Coronavirus-Welle von Madrid aus auf ganz Spanien ausbreiten könnte. Dann könnte ein neuer landesweiter Lockdown mit verheerenden wirtschaftlichen Folgen drohen.
Oper nach Publikumsprotest abgebrochen
In Madrid ließ Sonntagabend zudem ein Publikumsprotest eine Opernaufführung platzen: Das Publikum unterbrach wegen vermeintlich fehlender Covid-19-Abstandsregeln die Aufführung ausgerechnet von Verdis Oper „Un ballo in maschera“ („Ein Maskenball“). Die Vorstellung startete wegen der Unzufriedenheit vieler Opernhausbesucher wegen der engen Platzverteilung bereits mit Verspätung. Doch die Gemüter beruhigten sich nicht. Kurz nach Beginn der Aufführung gingen die Proteste und die Unzufriedenheit weiter.
Zahlreiche Zuschauer begannen, pausenlos zu klatschen, um ihr Missfallen zu zeigen. Nach einer Unterbrechung der Aufführung wurde die Vorstellung schließlich komplett ausgesetzt. Die Vorschriften in Madrid sehen eine Kapazität von bis zu 75 Prozent in den Kulturhäusern vor, was in der Praxis keinen sicheren Abstand zwischen allen Zuschauern zulässt. Laut einer offiziellen Erklärung besetzte man trotzdem nur 51,5 Prozent der verfügbaren Sitzplätze.
Oper verteidigt sich
Die Handyvideos erzürnter Operngäste zeigen in Sozialen Netzwerken allerdings eine sehr unterschiedliche Platzverteilung. Während gute Sitzplätze ausreichend Sicherheitsabstände hatten, saßen die Zuschauer auf den oberen Rängen tatsächlich dicht an dicht.
Das Teatro Real habe die von der Madrider Regionalregierung verhängten CoV-Auflagen beachtet und diese „sogar verstärkt“, sagte am Montag der Verwaltungschef der Oper, Gregorio Maranon. Das Teatro Real teilte mit, die lautstarken Proteste seien weitergegangen, obwohl den Protestierenden per Lautsprecheransage angeboten worden sei, auf andere Plätze zu wechseln oder ihre Eintrittspreise erstattet zu bekommen. Deswegen sei der Abbruch der Vorstellung nötig geworden.
Peinliche Abstimmungspanne
Erst in der Vorwoche war es in Madrid zu einer peinlichen Abstimmungspanne gekommen. Der stellvertretende Regionalminister für Gesundheit, Antonio Zapatero, wurde Mitte der Woche zurückgepfiffen, nachdem er wegen sprunghaft steigender Coronavirus-Fälle die Absperrung besonders betroffener Wohnviertel der Hauptstadt angekündigt hatte.
Zapatero hatte vor Journalisten und Journalistinnen versichert, es werde ab dem Wochenende Absperrungen bestimmter Wohnviertel Madrids sowie weitere Maßnahmen für „Beschränkungen der Bewegungsfreiheit und für Versammlungen“ geben. „Man muss so schnell wie möglich handeln“, hatte er betont. Am Freitag kündigte Ayuso die ab Montag geltenden Verschärfungen dann offiziell an.
Die Ratingagentur S&P hatte ihren Ausblick für Spanien bereits am Freitag von stabil auf negativ gesenkt. Spanien ist mit seinen fast 47 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern und mit mehr als 640.000 Infektionen und über 30.000 Todesopfern eines der am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder Europas. Im Großraum Madrid leben etwa 6,4 Millionen Menschen.
Wohngebiet auf Mallorca gesperrt
Auch auf der spanischen Urlaubsinsel Mallorca wurden zur Eindämmung des Virus zuletzt Wohngebiete gesperrt. Seit Freitagabend gilt in der Stadt Palma de Mallorca auch für das Viertel Arxiduc sowie Teile von Son Oliva, Plaza de Toros und Son Fortesa Sud ein lokaler Lockdown.
Zwei Wochen lang dürfen Einwohner ihre Viertel nur verlassen, wenn sie zur Arbeit, zur Schule und zum Arzt gehen müssen oder einen Angehörigen pflegen. Insgesamt sind in der Stadt nun 43.000 Einwohner von den lokalen Lockdowns betroffen. Auch das Arbeiterviertel Son Gotleu ist nach wie vor abgeriegelt.