Produzent Jesse Armstrong
AP/The Television Academy and ABC Entertainment
Emmys-Streaming

Spott über Wohnzimmer der Stars

Die Gewinner der diesjährigen Emmys haben nicht nur wegen ihrer Serien und Preise für Gesprächsstoff gesorgt. Aufgrund der Coronavirus-Krise nahmen sie ihre Trophäen virtuell von den eigenen Wohnzimmern aus in Empfang. Nun machen sich in Social Media so mancher und so manche über die manchmal mangelnde Geschmackssicherheit in Sachen Einrichtung lustig.

Moderator Jimmy Kimmel hatte in der Nacht auf Montag kein Publikum im Saal – sondern nur Pappkameradinnen und Pappkameraden der Stars. Diese saßen nämlich in ihren Wohnzimmern, hatten zuvor ein eigenes Heimvideoset zugesandt bekommen und streamten ihre Spannung und Freude angesichts der Preisverleihung von zu Hause aus.

Die Gewinner der Emmy-Nacht waren „Succession“, „Schitt’s Creek“, „Watchmen“ und „Unorthodox“. „Succession“-Produzent Jesse Armstrong löste auch die größte Debatte in Sachen Wohnzimmer aus. Wenn es einen Emmy für die bemerkenswerteste Innenraumgestaltung gäbe, hätte wohl er ihn entgegengenommen, wie ein Twitter-User ironisch schreibt.

Die meisten je in einem Wohnzimmer gesehenen Muster

Eine andere Userin schlägt wiederum vor, ihm den Emmy für die meisten unterschiedlichen Muster in einem Wohnzimmer zu verleihen. Und tatsächlich: orientalischer Teppich, offenbar ein weißer Plastikboden, dazu floral-kitischige Couchbezüge und dann – was ist an diesen Wänden zu sehen? Eine Tapete oder Vorhänge, jedenfalls mit einem Muster, das wohl irgendwann zwischen 1950 und 1970 ersonnen wurde und das bewusstseinserweiternde Wirkung hat, wenn man zu lange darauf schaut.

Zendaya und die kuscheligen Couchen

Zendaya (Zendaya Coleman nennt sich als Künstlerin nur Zendaya) wurde als beste Schauspielerin in einem Drama für ihre Rolle in der HBO-Serie „Euphoria“ ausgezeichnet. Ihr Wohnzimmerjubel ging auf Social Media durch die Decke. Sie hat eine Huldigung an die Motown-Ära an der Wand hängen: ein Plakat der Supremes. Die Sofas sind bequem. Sonst ist das Wohnzimmer etwas unpersönlich, es sieht aus, als wäre es von einem Institut für Raumgestaltung so eingerichtet worden, dass es nach der Synthese aller „Schöner Wohnen“-Artikel der letzten zehn Jahre aussieht. Hauptsache, der Familie macht es Spaß – und die fühlt sich sichtlich wohl auf den Sofas.

Und natürlich gibt es auch Aufritte von Zendaya aus Serien, in denen sie in einem Wohnzimmer als Kulisse zu sehen ist, genug Stoff also für Social-Media-Schabernak. Einmal etwa hat die Figur, die sie spielt, irgendetwas zwischen Halloween und Weihnachten inszeniert in ihrer Wohnung und zeigte sich in einem Catsuite, der ein wenig nach Funktionskleidung für Eisschnellläuferin aussah.

Jennifer Anistons Buch- bzw. Dekoregal

Jennifer Aniston musste Spott verkraften angesichts ihres Bücherregals. Es sieht nicht wirklich nach Vielleserin aus, sondern eher nach einem Möbelhaus-Dekodesaster. Plastikblumen und ähnlicher Schnickschnack dominieren, pro Regalboden sind um die drei Bücher platziert. Da wäre mehr gegangen. Das schlagen sogar durchschnittliche Bürouser im Homeoffice auf Zoom. Ein paar Kochbücher und Ratgeber hat man schnell aufgestellt.

Das bemerkenswerte Schlafzimmer der „Mrs. Maisel“

Sogar die Emmy-Academy hätte ihr gerne einen Preis gegeben für das bemerkenswerteste Wohnzimmer, das eigentlich ein Schlafzimmer ist: Die Schauspielerin Alex Borstein, sie ist der Star in „The Marvelous Mrs. Maisel“, vereint den Blick ihrer Dachwohnung mit einer bombastischen Inneneinrichtung plus Deko, die seltsamerweise gleichzeitig reduziert und viel zu dick aufgetragen wirkt. Auf dem Boden ist ein Spannteppich verlegt. Auch das Bett: ausladend und einladend zugleich.

„Nichtdank“ an Donald Trump

Die drei großen tatsächlichen Gewinner des Abends jedenfalls waren das Drama „Succession“ um die kaputte Familie eines Medienmoguls, die freundliche Toleranz-Comedy „Schitt’s Creek“ und die auf einem realen Massaker an Schwarzen im US-Süden beruhende Comicverfilmung „Watchmen“.

Er wolle einigen „Nichtdank“ aussprechen, sagte Produzent und Drehbuchautor Armstrong bei der Bekanntgabe des Preises für die beste Dramaserie an „Succession“. Ein „Nichtdank“ gehe an das Virus und an Donald Trump und Boris Johnson für deren „lausige und unkoordinierte Antwort“ darauf, sagte er. Ein „Nichtdank“ gehe auch an alle Nationalisten auf der Welt und „an alle Medienmogule, die sie an der Macht halten“, sagte der Brite.

Wenn das Telefon im Wohnzimmer klingelt

Armstrongs opulent ausgestattete Serie handelt vom alternden Patriarchen Logan Roy und davon, wie dessen Kinder um die Nachfolge in seinem Medienkonzern kämpfen. Sie wurde mit sieben Preisen ausgezeichnet, darunter auch Emmys für Jeremy Strong als bester Hauptdarsteller und Andrij Parekh als bester Regisseur. Dass während der Verleihung des Hauptpreises kurz im Hintergrund das Telefon klingelte, blieb eine der wenigen Pannen – „Zimmerservice vermutlich“, witzelte Armstrong.

Nicht nur bei Armstrong war Trump Thema vieler Gags und ernster Anspielungen. „Das hier ist keine MAGA-Rally“, sagte Kimmel als Seitenhieb auf die „Make America Great Again“-Wahlkampfreden, die US-Präsident Trump trotz Infektionsrisikos während der Pandemie vor Tausenden Anhängern hält.

Jimmy Kimmel
AP/The Television Academy and ABC Entertainment
Jimmy Kimmel ohne Publikum im Saal

Comedy-Preisregen für „Schitt’s Creek“

Danach ging Kimmel hinter die Bühne in einen Raum voller Monitore mit Schaltungen zu rund hundert Nominierten. Mit der Vergabe des ersten Preises begann dann der beeindruckende Siegeszug von „Schitt’s Creek“ in den Comedy-Kategorien – über 70 Minuten dauerte es, bis überhaupt irgendeine andere Sendung einen Preis erhielt. Bis dahin gewann in allen sieben wichtigen Sparten die warmherzige Serie über die extravagante Familie Rose, die nach Problemen mit den Steuerbehörden in ein kleines Dorf zieht, das der Vater einst als Spaß dem Sohn geschenkt hatte.

„Im Kern handelt unsere Serie davon, welche Veränderungen Liebe und Akzeptanz auslösen“, sagte Daniel Levy, der Preise als Regisseur, Autor und Nebendarsteller erhielt. „Und das ist etwas, das wir heute mehr als je zuvor brauchen“, ergänzte er, bevor er die Zuschauer engagiert aufrief, am 3. November wählen zu gehen. Außer ihm wurden auch Catherine O’Hara und Eugene Levy für ihre Hauptrollen und Annie Murphy für die beste weibliche Nebenrolle ausgezeichnet. Inklusive der Preise für die beste Comedyserie sowie für die bereits an den Vorabenden vergebenen Preisen für Casting und Kostüme kam „Schitt’s Creek“ auf neun Awards.

Regiepreis für Schraders „Unorthodox“

Bei den Emmys für Fernsehfilme und Miniserien war „Watchmen“ mit insgesamt elf Preisen der große Abräumer. In ihren Reden am Sonntag erinnerten die Macher an ein dunkles Kapitel der US-Geschichte, das der Serie zugrunde liegt: Beim Massaker von Tulsa waren laut Schätzungen im Jahr 1921 bis zu 300 Schwarze umgebracht worden. „Dieses Land vernachlässigt seine eigene Geschichte oft zum eigenen Nachteil“, sagten die Drehbuchautoren Damon Lindelof und Cord Jefferson.

Bei den Preisen für Miniserien gab es den überraschendsten Moment des Abends: Die Deutsche Maria Schrader bekam die Auszeichnung als beste Regisseurin für die vierteilige Serie „Unorthodox“ des Streaminganbieters Netflix. Sie erzählt darin die Geschichte der ultraorthodoxen Jüdin Esther, die vor ihrer Familie aus New York nach Berlin flüchtet. „Ich bin sprachlos“, sagte die auch als Schauspielerin bekannte 54-Jährige in der Liveschaltung, umgeben von einigen Mitgliedern des Teams.

Insgesamt gingen heuer mehr Preise an HBO- als an Netflix-Serien, obwohl Letztere öfter nominiert waren, was neben den Preisen für „Succession“ und „Euphoria“ vor allem an mehreren Awards für „Watchmen“ lag. „Schitt’s Creek“ wiederum, die kanadische TV-Comedy-Serie, war von Netflix ins Streaminguniversum geholt worden.