Blutdruckmessung
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CoV-Tests bei Hausarzt

Widerstand gegen Pläne

Die Dauer vom Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion bis zum gültigen Testergebnis beträgt mitunter mehrere Tage. Daher sollen Tests in niedergelassenen Praxen durchgeführt werden können. Ärztinnen und Ärzte in Wien bezweifeln aber die Umsetzbarkeit. Auch an der Sammelnovelle zu den CoV-Gesetzen gibt es erneut Kritik.

Zunächst hatten Expertinnen und Experten darauf gedrängt, die Teststrategie anzupassen und CoV-Tests auch in Arztpraxen anzubieten. Am Montag reagierte das Gesundheitsministerium und legte einen Antrag vor, der Testungen bei den Hausärzten ermöglichen sollte. Der Plan sah vor, bereits am Mittwoch einen Beschluss durch den Nationalrat auf dem Tisch zu haben.

Laut Vorhaben sind die Tests von den Kassen auf Kosten des Bundes zu bezahlen. Eingebracht wird das Gesetz für die Tests bei niedergelassenen Kassenvertragsärzten und Laboren mittels eines selbstständigen Ausschussantrags, was einen Nationalratsbeschluss noch diese Woche ermöglicht. Die Krankenversicherungsträger müssen den Ärzten für diese Leistung ein Pauschalhonorar zahlen, Zuzahlungen der Patienten werden gesetzlich unterbunden. Der Bund ersetzt den Kassen die Ausgaben aus Mitteln des Covid-19-Krisenbewältigungsfonds. Die Regelung soll für die Dauer der Pandemie gelten.

Sorge vor Ansteckungen in Praxen

Gegen den Antrag formierte sich allerdings Widerstand bei mehreren Wiener Hausärzten. Gemeinsam schickten sie Kritik schriftlich an die Ärztekammer. Demnach fehle in städtischen Ordinationen ausreichend Platz, um die Tests sicher durchführen zu können. Außerdem reisten Testpersonen in Wien meist öffentlich an und gefährdeten damit andere.

Der Österreichische Hausärzteverband (ÖHV) befürchtete zusätzlich, dass bei einem solchen Testangebot andere Patienten und Patientinnen aus Angst zu Hause blieben. Generell seien Hausarztpraxen laut ÖHV als erste Anlaufstelle für Tests nicht sinnvoll – mehr dazu in wien.ORF.at.

Ärztekammer beharrt auf Freiwilligkeit

Die Ärztekammer befürwortet die Möglichkeit von Tests in Praxen – mit einer Einschränkung: Vizepräsident Johannes Steinhart beharrte am Dienstag in einer Pressekonferenz auf der Freiwilligkeit für die Ärztinnen und Ärzte, die auch im Gesetz vorgesehen ist. Außerdem betonte Steinhart, dass man auf die Hygienemaßnahmen und auf die bauliche Situation der Praxen achten müsse. Die Infektionsgefahr für die Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte müsse minimiert werden.

Zusätzlich verwies Steinhart darauf, dass man zwischen Ballungszentren und dem ländlichen Raum unterscheiden müsse. So könnte die bauliche Situation in Städten wie Wien für manche Praxen ein Problem darstellen. Deshalb konnte sich Steinhart in Ballungsräumen die Schaffung von Zentren mit der Aufstellung von Containern vorstellen. Am Land wiederum könne man vor den Ordinationen Zelte aufstellen.

Wie viele niedergelassene Ärzte sich tatsächlich an den Tests beteiligen würden, konnte deren Kurienobmann in der Ärztekammer nicht genau einschätzen.

Novelle debattiert

Abseits des Antrags gab es am Montag noch weitere Änderungen zum Epidemie-, Tuberkulose- und Covid-19-Maßnahmengesetz. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte den bereits überarbeiteten Entwurf in der Vorwoche erneut einer kurzen Begutachtung unterzogen. Die mehreren tausend Stellungnahmen – großteils nicht inhaltlicher Natur – wurden am Montag im Gesundheitsausschuss debattiert.

Dazu gab es auch ein öffentliches Expertenhearing. Der überarbeitete Entwurf zum neuen CoV-Gesetz passierte am Montag den Gesundheitsausschuss mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ. Damit dürfte eine Blockade im Bundesrat in weite Ferne gerückt sein. Auch die Aufstockung des Fonds zur Förderung der Beiträge von selbstständigen Künstler und Künstlerinnen zur gesetzlichen Sozialversicherung passierte den Gesundheitsausschuss.

Mit dem CoV-Gesetz sollen unter anderem auch die Coronavirus-Ampel und die Coronavirus-Kommission gesetzlich verankert werden. Laut Anschober wurde der Gesetzestext vor der Begutachtung „mehrfach durch eine hochkarätige Runde, bestehend aus VerfassungsjuristInnen und DatenschutzexpertInnen, gesichtet und deren Stellungnahmen entsprechend berücksichtigt. Auch der Verfassungsdienst war in den Prozess eingebunden.“

Gesundheitsexperten Konrad Lachmayer, Georg Krakow, Michael Geistlinger, Michael Mayrhofer und Christoph Klein im Nationalrat
APA/Georg Hochmuth
Im Nationalrat fand am Montag ein öffentliches Expertenhearing zu der Sammelnovelle statt

Unbegrenzter Lockdown ausgeschlossen

Durch einen Beschluss am Mittwoch soll damit auch die Gültigkeitsdauer von Vorschriften eingeschränkt werden. Ein unbegrenzter Lockdown wird ausgeschlossen, die entsprechenden Verordnungen treten nach zehn Tagen automatisch wieder außer Kraft. Auch wurden die Erfüllung familiärer Rechte und Pflichten als Ausnahme dazugenommen.

Für das Contact Tracing wird festgelegt, dass Daten von den Gesundheitsbehörden innerhalb von 28 Tagen wieder zu löschen sind. Genau geregelt wird, welche Daten bei der Einreise aus Risikogebieten bekanntgegeben werden müssen und dass auch Gabelflüge durch solche Gebiete berücksichtigt werden. Die Vorgaben für Präventionskonzepte richten sich nun nach der Art der Veranstaltung. Berufsgeheimnisse werden durch eine Klarstellung geschützt, Kontrollen dürfen an seuchenspezifischen Dokumenten vorgenommen werden.

Streit über Verfassungsmäßigkeit

Die Gültigkeit des Maßnahmengesetzes wird nun auch nicht bis Ende 2021 verlängert, sondern nur bis 30. Juni. Eine Verlängerung um ein halbes Jahr ist per Verordnung allerdings möglich, wenn die epidemiologische Situation das nötig macht. Das löste am Montag scharfe Kritik aus:

NEOS-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak sagte laut Aussendung, laut Entwurf könne die Bundesregierung im Alleingang per Verordnung die Geltungsdauer verlängern. „Theoretisch also weit über den nächsten Sommer hinaus. Das ist eine klare Verfassungswidrigkeit und hebelt die zukünftige parlamentarische Kontrolle gänzlich aus. In Österreich entscheidet noch immer das Parlament über die Geltung von Gesetzen“, so Scherak. NEOS sah auch zu weit gehende Bestimmungen zu Ausgangsbeschränkungen. „Das neue Gesetz sieht vor, dass Ausgangssperren und Betretungsverbote ohne Ausnahme verhängt werden können. Also noch strenger als in den Extremphasen des Lockdowns vom März und April.“

Auch FPÖ-Chef Norbert Hofer warnte vor einer Aushebelung des Parlaments, wenn der Gesundheitsminister das Maßnahmengesetz per Verordnung verlängern kann. „Das Hohe Haus ist jener Ort, in dem Gesetze beschlossen werden. Eine Regierung zu ermächtigen, ein Bundesgesetz mittels Verordnung verlängern zu können, kommt einer Entmachtung des Parlaments gleich“, so Hofer, der auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen aufforderte, aktiv zu werden.

Verfassungsjurist sieht keinen Bruch

Der Verfassungsjurist Heinz Mayer hielt die Möglichkeit, das Maßnahmengesetz durch eine Verordnung zu verlängern, für zulässig. Die Verordnung sei durch das geplante Gesetz determiniert und die Verlängerung sei kurz befristet, sagte der frühere Dekan der juridischen Fakultät der Universität Wien auf APA-Anfrage. „Man kann durch eine Verordnung Ausnahmen verfügen, man kann verfügen, dass bestimmte Bestimmungen nicht anwendbar sind“, so Mayer. Außerdem verweist er darauf, dass nur eine Verlängerung des Gesetzes um maximal ein halbes Jahr möglich sein soll. „Unbefristet verlängern geht sicher nicht. Wenn, dann muss das eng an die Gefahr geknüpft sein, die das Gesetz verhindern soll.“

Die FPÖ fand aber noch mehr Kritikpunkte. Die Koalition habe versucht, mit neuen Änderungen Experten und Parlamentarier zu überrumpeln, kritisierte Klubchef Herbert Kickl in einer Aussendung. Die neuen Änderungen seien am Sonntag erst spätabends eingelangt. Die Gesetze seien gespickt mit absolut unverhältnismäßigen Eingriffen in die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger. Kickl mutmaßte zudem, dass die SPÖ in Richtung Koalition eingeknickt sein könnte, womit das von der FPÖ angepeilte Bremsen der Gesetzesvorhaben im Bundesrat nicht mehr möglich wäre.