Der ukrainische Oligarc Dmytro Firtash
Reuters/Heinz-Peter Bader
Gestrandet in Wien

Oligarch Firtasch und die FinCEN-Files

In den FinCEN-Files, dem neuen Datenleak über große Geldwäscheverdachtsfälle, taucht auch immer wieder der Name eines Mannes auf, der seit sechs Jahren in Wien festsitzt und zuletzt auch in der Ukraine-Affäre im Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump eine Nebenrolle gespielt hat: der ukrainische Oligarch und Industrielle Dmitri Firtasch. Firtasch und die ihm zugerechneten Firmen werden mit Überweisungen von fast 2,4 Milliarden US-Dollar erwähnt. Firtaschs Sprecher weist alle Vorwürfe zurück.

Firtasch, der sein Vermögen im Gasgeschäft erworben und dann auch in den Chemie-, Medien- und Bankensektor expandiert hatte, wurde vor sechs Jahren, im März 2014, in Österreich festgenommen und nach neun Tagen – erst gegen die Zahlung einer Rekordkaution von 125 Millionen Euro – freigelassen. Die US-Staatsanwaltschaft in Chicago hatte Anklage gegen ihn erhoben und seine Auslieferung beantragt. Der Vorwurf: Zahlung von 18,5 Millionen Dollar Bestechungsgelder an indische Amtsträger – für ein damals von Firtasch in Indien geplantes Titanabbauprojekt.

Im Vorjahr bewilligten zwar der Oberste Gerichtshof und der damalige Justizminister Clemens Jabloner seine Auslieferung in die USA. Aber Firtaschs zahlreiche prominente Anwälte erreichten mit neuen Argumenten einen Neustart des Auslieferungsverfahrens.

Wieder heimische Banken in den Dokumenten

In den Verdachtsmeldungen der FinCEN-Files, die das ICIJ und in Österreich ORF und „profil“ aufgearbeitet haben, tauchen in Bezug auf Firtasch auch wieder österreichische Banken auf: Laut einem FinCEN-Bericht an die spanische Geldwäschemeldestelle sind 650.000 Euro bei der Meinl Bank in Wien und der amerikanischen Wells Fargo Bank auf Konten jenes Inders gelandet, dem die US-Justiz vorwirft, er habe die Bestechung in Indien für Firtasch organisiert. Das Geld kam von der Firtasch-Firma Bothli Trade AG, berichtet das Ö1-Mittagsjournal. Der Oligarch nutzte für seine Geschäfte auch immer wieder Raiffeisen, die er etwa in einem ZIB-Interview 2014 als eine „ausgezeichnete Bank“ lobte.

Die FinCEN-Files

Die FinCen-Files bestehen aus 2.100 Verdachtsmeldungen zu Geldwäsche von US-Banken an das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN), die vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) aufgearbeitet wurden. In Österreich waren der ORF und „profil“ beteiligt.

Von den insgesamt 2,4 Milliarden US-Dollar an Transaktionen innerhalb von neun Jahren mit vermutetem Bezug zu Firtasch soll, so der Verdacht, zumindest ein Teil dazu gedient haben, illegales Geld reinzuwaschen. Ihm wird vorgeworfen, er habe seine Firmen und Strohmänner genutzt, um illegale Gelder zu waschen, und Millionenbeträge im Kreis geschickt.

In der Verdachtsmeldung an die spanischen Behörden ist von „risikoreichen Transaktionsmustern“ die Rede, darunter „einseitiger Geldfluss, scheinbare Überweisungen von Geldern im Namen Dritter, fehlende Zahlungsdetails oder unspezifische Zahlungsdetails, fehlende Empfängeradressen, Verwendung von Manteladressen, Überweisungen von Geldern durch offizielle Unternehmen für scheinbar persönliche oder Luxusgüter“ wie Diamantenschmuck. Viele in den Überweisungen aufscheinende Unternehmen waren laut Bericht unter den gleichen Adressen in Zypern registriert. Und weiter: „Die meisten Überweisungen weisen in den Zahlungsdetails darauf hin, dass es sich um Kredite oder um die Bezahlung nicht spezifizierter Rechnungen handelt.“

Geschäfte mit Firtaschs Bank

Zitiert werden auch die Offshore-Leaks, wonach Firtasch auf den Britischen Jungferninseln 140 Firmen habe registrieren lassen. Laut den FinCEN-Files ermöglichten ihm die US-Banken Standard Chartered und Bank of New York Mellon Geldtransfers in und über die USA. Außerdem war Firtasch selbst ab 2011 Haupteigentümer der ukrainischen Nadra Bank, die 2015 pleiteging und liquidiert wurde.

Spencer Woodman, Reporter des Internationalen Konsortiums Investigativer Journalisten (ICIJ), sieht Versäumnisse bei Banken wie Raiffeisen und auch US-Instituten, wenn sie Geschäfte mit der Nadra Bank gemacht haben. Wenn es gegen den Besitzer einer Bank Korruptionsvorwürfe gibt, müsse man sich die Geschäfte sehr genau anschauen, so Woodman.

Sprecher verweist auf eingestellte Verfahren

Einmal mehr wird Firtasch in den FinCEN-Files auch mit der russischen organisierten Kriminalität in Zusammenhang gebracht, namentlich mit dem russischen Mafia-Boss Semjon Mogilewitsch, der es vor einigen Jahren auf die Liste der zehn vom FBI meistgesuchten Männer geschafft hatte.

Das wies Firtaschs Sprecher Daniel Kapp auf ORF-Anfrage wie auch alle anderen Vorwürfe scharf zurück: Kapp verwies darauf, dass sich der Ukrainer seit sechs Jahren in Österreich an alle Gerichtsauflagen halte. Ermittlungen wegen Geldwäsche seien 2015 in Österreich eingestellt worden.

Kapp hielt auch fest, dass die Behörden in Spanien heuer die Verfahren gegen Firtasch nach einem Höchstgerichtsurteil eingestellt hätten: Es würden keine Beweise für Geldwäsche vorliegen, zudem gebe es keine nachgewiesenen Verbindungen zu Mogilewitsch oder zu organisierter Kriminalität an sich. Die spanischen Gerichte hätten damit bestätigt, was Firtasch schon bisher immer beteuert hatte, so der Sprecher.

RBI betont Anstrengungen bei Geldwäscheprävention

Ein Raiffeisen-International-Sprecher sagte auf ORF-Anfrage, man könne über „konkrete Kundenrelationen und -transaktionen keine Auskunft geben“. Die RBI verfüge jedenfalls „über ein modernes System zur Überwachung des Zahlungsverkehrs betreffend Geldwäscheprävention“. Man habe Verträge mit externen Serviceanbietern, um zeitnahe auf Medienberichte, Verurteilungen und dergleichen reagieren zu können. Und: „Allein im Headoffice beschäftigen sich rund 80 Personen mit Geldwäscheprävention.“ Über die Verdachtsmeldungen von US-Banken habe man aber nichts gewusst.

Auf die Fragen, ob eine Anklage im Ausland oder Vorwürfe der Verbindung mit der organisierten Kriminalität Gründe sein können, Geschäftsbeziehungen einzustellen, hieß es jeweils: „Ja, nach Durchführung einer Gesamtbetrachtung kann dies ein legitimer Grund sein, eine Geschäftsbeziehung zu beenden, und die RBI tut dies auch.“ Firtasch-Sprecher Kapp wollte gegenüber Ö1 nicht Stellung dazu nehmen, ob RBI eine Geschäftsbeziehung mit dem Oligarchen beendet habe.

Geschäftskontakte zu Manafort

Dass Firtasch in den FinCEN-Files prominent vorkommt, mag auch daran liegen, dass das Internetportal BuzzFeed News, dem die Leaks ursprünglich zugespielt worden waren, vor allem ein Rechercheziel hatte: die Finanzsysteme hinter den Mitarbeitern von US-Präsident Donald Trump und mögliche Russland-Verbindungen zu enthüllen. Und da tauchte der Name Firtasch gleich in zwei Politaffären auf.

Zum einen hatte der Oligarch gute Kontakte zu Paul Manafort, von März bis August 2016 Chef von Trumps Wahlkampagne. In einem FinCEN-Bericht an das FBI aus dem Jahr 2014 werden zahlreiche gemeinsame Immobilienprojekte von Firtasch und Manafort in den USA aufgelistet, unter anderem ein geplanter, aber schließlich geplatzter Deal um das Drake Hotel in New York.

Paul Manafort
Reuters/Eduardo Munoz
Manafort wurde heuer im Frühjahr wegen Coronavirus-Gefahr vorzeitig aus der Haft entlassen und unter Hausarrest gestellt

Manafort stolperte über Ukraine-Geschäfte

Manafort verlor seinen Job als Wahlkampfmanager, nachdem mutmaßliche Geldflüsse an ihn aus dem Umfeld des prorussischen Ex-Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch, bekanntgeworden waren. Auch diese Verbindung taucht in den FinCEN-Dokumenten auf. 2019 wurde Manafort zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, allerdings wegen einer anderen Causa: Er hatte Millioneneinnahmen für seine Lobbyistenarbeit für prorussische ukrainische Politiker vor den US-Behörden verborgen.

Mitten in Trumps Ukraine-Affäre

Firtasch spielt ebenfalls eine Rolle in Trumps Ukraine-Affäre aus dem Vorjahr: „Ohne es zu wollen, bin ich in eine interne Auseinandersetzung in den USA hineingezogen worden“, sagte Firtsch im Dezember der „New York Times“. Losgetreten wurde die Affäre so: Trump hatte im Juli 2019 seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenski telefonisch darum gebeten, Ermittlungen in Bezug auf Joe Bidens Sohn Hunter aufzunehmen. Der Hintergrund: Biden hatte 2015 als US-Vizepräsident die Ablöse des damaligen ukrainischen Generalstaatsanwalts Viktor Schokin gefordert, weil dieser korrupt sei – eine Einschätzung, die von etlichen europäischen Ländern und dem IWF geteilt wurde.

Trumps Wahlkampfteam grub im Vorjahr diese Vorgänge aus und behauptete, Biden habe damit Ermittlungen gegen geschäftliche Tätigkeiten seines Sohnes in der Ukraine stoppen wollen. Hunter Biden saß von 2014 bis 2019 im Verwaltungsrat des ukrainischen Gasunternehmens Burisma. Gegen das Unternehmen war tatsächlich ermittelt worden, die verdächtigen Geschäfte lagen allerdings in der Zeit vor Hunter Bidens Tätigkeit dort.

Treffen mit Giuliani-Helfern

Der Name Firtasch kam im vergangene Herbst bald ins Spiel: Zwei Helfer von Rudy Giuliani, dem Vertrauensanwalt von Trump, wurden im Oktober wegen des Verdachts der illegalen Einflussnahme auf Wahlen festgenommen – mit One-Way-Tickets nach Wien. Bei den Festgenommenen handelt es sich um zwei Geschäftsleute aus Florida, den in der Ukraine geborenen Lev Parnas und den aus Weißrussland stammenden Igor Fruman.

Lev Parnas und Igor Fruman (Bildmontage)
Reuters/Shannon Stapleton
Die Geschäftsmänner Lev Parnas und Igor Fruman waren auf Giulianis Geheiß in Wien unterwegs

Die beiden hätten in Wien laut Medienberichten Giuliani und eben Ex-Generalstaatsanwalt Schokin treffen sollen. Die beiden hatten schon einige Monate davor Firtasch in Wien getroffen, wie der Oligarch gegenüber der „New York Times“ eingestand.

Plötzlicher Wechsel im Anwaltsteam

Wohl als Folge des Treffens feuerte Firtasch am 20. Juli, wenige Tage nachdem Justizminister Jabloner die Zustimmung zur Auslieferung erteilt hatte, seinen langjährigen US-Lobbyisten Lanny Davis, der dem demokratischen Lager zugerechnet wird. Stattdessen heuerte Firtasch auf Parnas’ Empfehlung die Trump und Giuliani nahestehenden Anwälte Victoria Toensing und Joseph diGenova an.

Teams von ORF und „profil“

An den Recherchen beteiligt: Ulla Kramar-Schmid, Peter Babutzky, Kaspar Fink und Jakob Weichenberger (alle ZIB2), Bernt Koschuh und Petra Pichler (beide Ö1) sowie Michael Nikbakhsh und Stefan Melichar (beide „profil“). Texte für ORF.at: Christian Körber und Simone Leonhartsberger

Im September 2019 wurde eine Zeugenaussage Schokins publik, die Firtaschs Anwälten im Kampf gegen die Auslieferung ihres Mandanten in die USA half. Schokin behauptete, Biden habe die politische Führung der Ukraine „manipuliert“, um eine Rückkehr Firtaschs in seine Heimat unter allen Umständen zu verhindern. Aus der Ukraine kann Firtasch nicht an die USA ausgeliefert werden.

Gemutmaßt wurde, was Firtaschs Gegenleistung sein könnte. Tatsächlich tauchten später Informationen auf, die den FBI-Sonderermittler gegen Trump, Robert Mueller, in ein schlechtes Licht rückten: Dieser habe Firtasch einen Deal vorgeschlagen, sollte er Informationen über ihn haben. Vor allem Giuliani schlachtete das aus und warf Mueller vor, schmutzige Geschäfte zu machen, um belastende Infos gegen den US-Präsidenten zu sammeln.