Sitzplätze im Nationalrat
ORF.at/Christian Öser
Nationalrat

Coronavirus-Maßnahmen im Mittelpunkt

Der erste reguläre Plenartag des Nationalrats dreht sich am Mittwoch praktisch ausschließlich um Coronavirus-Maßnahmen. So wird der Familienhärtefonds aufdotiert und die Sonderbetreuungszeit verlängert. Zudem gibt es Umweltfördermaßnahmen als Teil des CoV-Konjunkturpakets, und die Summe der Covid-19-Investitionsprämie wird von einer auf zwei Milliarden Euro aufgestockt. Vor allem wird die CoV-Ampel auf eine gesetzliche Basis gestellt.

Als Kriterien bei der Bewertung der epidemiologischen Situation für die Ampel sollen neu auftretende Fälle, die Clusteranalyse, die Auslastung der Krankenhäuser, der Anteil der positiven an allen Tests sowie regionale Besonderheiten wie Tourismus- und Pendlerströme herangezogen werden. Ferner wird geregelt, welche Ausgangssperren möglich sind. In Abstimmung mit dem Hauptausschuss des Nationalrats könnte der Gesundheitsminister verfügen, „dass das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zwecken zulässig ist“.

Dazu sind fünf Ausnahmen aufgezählt: Abwendung einer unmittelbaren Gefahr, Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen, Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, berufliche Zwecke und Aufenthalt im Freien zur „körperlichen und psychischen Erholung“. Ein Lockdown soll künftig auf zehn Tage beschränkt sein.

Hohe Strafen möglich

Definiert werden Betretungsverbote, die de facto überall außer in privaten Wohnräumen verhängt werden können. Sehr wohl sollen aber Einschränkungen in privaten Räumlichkeiten möglich sein, die nicht für Wohnzwecke angemietet wurden. Das rechtswidrige Betreten von Betriebsstätten, Arbeitsorten, Verkehrsmitteln oder eines sonstigen Ortes kann mit bis zu 1.450 Euro geahndet werden. Inhabern von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Betreibern von Verkehrsmitteln drohen Strafen bis zu 30.000 Euro.

Mehr Macht wird den Länderbehörden eingeräumt. Es wird nun auch gesetzlich festgelegt, dass sie schärfere Regeln als vom Bund vorgesehen einführen können. Weiters sieht das Gesetz vor, dass künftig auch praktische und Fachärzte CoV-Tests vornehmen können. Bezahlt wird das von den Kassen, die das Geld wiederum vom Bund aus dem Krisenbewältigungsfonds refundiert bekommen. Auch wird gesetzlich geregelt, dass Personen, die sich vor Kurzem in einem Risikogebiet aufgehalten haben, verpflichtet werden können, Daten wie Wohnadresse und Datum der Einreise der Bezirksverwaltungsbehörde zu melden.

Familienhärtefonds wird erhöht

Die Sonderbetreuungszeit wird bis Februar verlängert. Diese ermöglicht es bei Zustimmung des Arbeitgebers, zusätzlich etwa zum Pflegeurlaub gesamt drei Wochen der Arbeit fernzubleiben, wenn es aus Betreuungsgründen (Kinder, zu Pflegende, Behinderte) notwendig ist, also etwa wenn Kindergärten geschlossen werden. Der Staat übernimmt künftig nicht nur ein Drittel, sondern die Hälfte der Lohnkosten. Wahrgenommen werden kann die Sonderbetreuungszeit auch dann, wenn sie schon in der ersten Periode in Anspruch genommen wurde.

Personen mit Schutzmaske verlassen ein Geschäft
APA/Helmut Fohringer
Coronavirus-Schutzmaßnahmen prägen Alltag und Politik

Die Zuverdienstgrenze zur Familienbeihilfe wird von 10.000 auf 15.000 Euro erhöht. Zudem wird der Coronavirus-Familienhärtefonds von 60 auf 100 Millionen aufgestockt. Beschlossen werden soll auch die Aufstockung der Covid-19-Investitionsprämie von einer auf zwei Milliarden Euro. Die Möglichkeit zur Kurzarbeit wird rückwirkend mit September bis Ende März verlängert. Auch die Verlängerung der Fristen bei der Kreditrückzahlung, und zwar von Ende Oktober auf Ende März, soll beschlossen werden.

Als Teil des Wirtschaftsförderpakets zur ökonomischen Bewältigung der Pandemie wird das Umweltförderungsgesetz beschlossen. Für die Umweltförderung im Inland ist darin eine Mittelaufstockung um 20 Millionen Euro zugunsten biogener Nahwärmenetze sowie eine Fortschreibung der Mittel bis 2022 vorgesehen. Der Zusagerahmen für die Sanierungsoffensive soll für 2021 und 2022 auf 650 Millionen Euro erhöht werden. Für einkommensschwache Haushalte werden insgesamt 100 Millionen zur Verfügung gestellt.

SPÖ meldet Erfolge für sich an

Die SPÖ ist mit den gemeinsam mit der Regierung auf den Weg gebrachten neuen CoV-Gesetzen zufrieden. Vizeklubchef Jörg Leichtfried wertete die jüngsten Änderungen am Dienstag als Erfolg der SPÖ. Man habe die „letzten Schwachstellen“ herausverhandelt, so Leichtfried. Man habe durchgesetzt, dass eine eventuell notwendige Verlängerung des Gesetzes, das vorerst bis 30. Juni 2021 gelten wird, per Verordnung jedenfalls durch den Hauptausschuss genehmigt werden muss.

Zum Zweiten werde die Arbeit der Coronavirus-Kommission – und damit auch die Coronavirus-Ampel – transparenter: Die Empfehlungen der Kommission mit den wesentlichen Begründungen müssen in Zukunft veröffentlicht werden. Und zum Dritten werde klargestellt, dass auch im Falle von Ausgangsbeschränkungen persönliche Kontakte zu den engsten Bezugspersonen wie dem besten Freund oder etwa der Schwester, die nicht mehr im gleichen Haushalt wohnt, möglich sein werden.

NEOS sieht „verfassungswidrige Ermächtigungen“

Eine rot-blaue Blockade im Bundesrat wird es nicht geben. Anders sieht das NEOS. Die Parlamentarier wollen dem Gesetzespaket am Mittwoch im Nationalrat nicht zustimmen. NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger kritisierte teils „verfassungswidrige Ermächtigungen“. Sie befürchtet außerdem Vorbereitungen auf einen weiteren großen Lockdown. Die Dauer einer solchen weitgehenden Ausgangssperre wird im neuen Covid-19-Maßnahmengesetz, das am Montag im Gesundheitsausschuss mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ beschlossen wurde, auf maximal zehn Tage begrenzt.

Leichtfried reklamierte diese Begrenzung sowie weitere Änderungen im CoV-Gesetzespaket als Erfolge für die SPÖ. Die Regierung habe den Sommer verschlafen und dann in einer „Husch-Pfusch-Aktion“ ein schlechtes Gesetz vorgelegt. „Wir haben erreicht, dass ein neues Gesetz vorgelegt wurde, und wir haben erreicht, dass dieses neue Gesetz auch begutachtet wurde“, sagte Leichtfried. Die Bedenken von NEOS wies er zurück und betonte, alle bedeutenden Verfassungsjuristen hätten die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes anerkannt.

FPÖ: Misstrauensantrag gegen gesamte Regierung

Die FPÖ will indes einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung einbringen. Grund dafür sind die bereits überarbeiteten Coronavirus-Gesetze. Klubobmann Herbert Kickl sprach am Dienstag in einer Pressekonferenz von einer „Corona-Rollkommando-Politik“ – ein Vergleich mit der NS-Zeit, der ihm schon einmal scharfe Kritik eingebracht hatte. Türkis-Grün wolle „ein System der Corona-Blockwarte“ etablieren. Den Misstrauensantrag gegen die gesamte Bundesregierung begründete Kickl unter anderem damit, dass die Koalition aus ÖVP und Grünen mit ihren Maßnahmen gegen die Pandemie die gesamte Gesellschaft spalte.

Scharfe Kritik übte SPÖ-Vizeklubchef Leichtfried am sonstigen Umgang der Regierung mit dem Parlament: „Es gibt de facto auf Parlamentarische Anfragen keine vernünftigen Antworten mehr.“ Und den Unterausschuss zur Kontrolle der Coronavirus-Hilfsmaßnahmen gebe es immer noch nicht. Die SPÖ will Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) daher in einer Anfragebesprechung mit der Kritik konfrontieren. Außerdem will die SPÖ am Mittwoch eine 15- bis 30-minütige Maskenpause für Mitarbeiter nach zwei Stunden Arbeit mit Mund-Nasen-Schutz beantragen.