Tätowierer in Peking bei der Arbeit
Reuters/Grace Liang
Tätowierte Taxifahrer

Neuer Grabenkampf in China

Die lokale Verkehrsbehörde in der chinesischen Stadt Lanzhou will das Taxigewerbe offenbar etwas eintöniger machen. Denn vor wenigen Tagen erhielten die Dienstleister die ungewöhnliche Anweisung, ihre Tätowierungen loszuwerden. Ein Fahrer konterte scharf. Das Verbot befeuerte eine alte Debatte im Land über die Körperkunst.

Die Anweisung der Behörde kam laut „New York Times“ bereits im August. Angeblich sollte das Tätowierverbot einige Fahrgäste davor bewahren, sich unwohl zu fühlen. Die Entscheidung stieß in der Öffentlichkeit auf gemischte Reaktionen, wie das auf China spezialisierte Portal SupChina berichtete. Einige prangerten das Verbot von Tätowierungen als eine Form der Diskriminierung am Arbeitsplatz an, andere applaudierten, weil es die Interessen der Fahrgäste schütze. In der Taxibranche sorgte die Direktive für Kritik.

Ein Taxifahrer hinterließ in einem Forum der örtlichen Verwaltung eine Beschwerde. „Ich habe mich bei der Einstellung einer kriminellen Hintergrundüberprüfung unterzogen und meiner Firma versichert, dass ich ein gesetzestreuer Bürger bin. Wenn ich Tinte auf meiner Haut habe, bedeutet das nicht, dass ich ein schlechter Mensch bin“, sagte der Fahrer und fügte hinzu, dass er seinem Arbeitgeber angeboten habe, die Tätowierung zu verdecken. Allerdings habe ihn sein Chef aufgefordert, sie ganz entfernen zu lassen. Medienberichten zufolge lieferten einander Gegner und Befürworter von Tätowierungen einen Schlagabtausch.

Gegenüber dem chinesischen Onlineportal The Paper betonte die Behörde, dass das Verbot in Einklang mit den Vorschriften des Taxiverbandes der Stadt stehe. Sichtbare und auffällige Körperkunst müsse verdeckt werden, heißt es laut The Paper dort. Allerdings gehe die neue Anweisung weiter und spreche von „Entfernung“. Fahrer mit Tätowierungen könnten den Passagieren, bei denen es sich um Frauen und Kinder handelt, Angst und Sorge bereiten können, hieß es weiter in der Reaktion der Behörde. Unklar ist, wie die Entfernung durchgesetzt werden sollte oder wer dafür bezahlen würde.

Tätowierungen zensiert

Mit der Reaktion der Behörde wurde eine uralte Debatte in einem Land befeuert, in dem Tätowierungen von der jüngeren Generation akzeptiert, aber immer noch von denjenigen gemieden werden, die sie als Zeichen von Kriminalität betrachten. In den vergangenen zehn Jahren seien Tätowierungen in China immer populärer geworden – insbesondere bei Menschen, die in den Bereichen Sport und Unterhaltung arbeiten, schreiben Medien wie die „New York Times“. Entertainer und Athleten begannen, ihre Tätowierungen öffentlich zu zeigen.

Darunter befand sich auch Lin Dan, Olympiasieger im Badminton und Soldat der chinesischen Volksbefreiungsarmee, die Tinte unter der Haut strikt verbietet. Immer wieder kam es zu Kontroversen wegen der fünf Tätowierungen. Laut der chinesischen Tageszeitung „China Daily“ gaben 2012 bei einer Umfrage knapp 73 Prozent der Befragten an, dass der Spitzensportler aus der Armee ausgemustert werden sollte. Dazu kam es nicht. Die Armee lockerte zwei Jahre später ihre Regeln, sodass auch Personen mit kleineren Tätowierung der Armee beitreten konnten.

Doch die kritische Haltung gegenüber Tätowierungen ebbt nicht ab. 2018 berichteten mehrere Medien, dass die staatliche Medienregulierungsbehörde Tätowierungen aus dem Fernsehen verbannte. Das Verbot griff später auf den Fußballplatz über, wo die Spieler von chinesischen Sportfunktionären angewiesen wurden, lange Ärmel zu tragen, um ihre Tätowierungen zu verdecken. Die FIFA reagierte laut „South China Morning Post“ mit einem Posting, in dem mehrere Profifußballer mit Tätowierungen zu sehen sind.

Doch nur verdecken?

Erst kürzlich erließ die chinesische Stadt Changchun im Nordosten des Landes auch ein Verbot von Tätowierungen für Taxifahrer – allerdings müssen sie diese nur verdecken, nicht entfernen. Der Taxifahrer in Lanzhou, der mit seiner Unzufriedenheit über die Richtlinie an die Öffentlichkeit ging, sagte, dass dieser Ansatz besser sei.

„Ich verstehe, dass unsere Führungskräfte die Branche in einem positiveren Licht darstellen wollen“, schrieb er in seiner Beschwerde. „Der Zweck der Anweisung besteht darin, dass Fahrgäste unsere Tätowierungen nicht sehen sollen. Wenn wir sie verdecken, erreichen wir dasselbe Ergebnis.“ In der Reaktion der Behörde hieß es zuletzt: „Diejenigen, die vorerst nicht in der Lage sind, Tätowierungen vollständig zu entfernen, sollten sie zudecken.“