Nationalratssitzung
APA/Robert Jaeger
CoV-Paket beschlossen

Gegenseitige Vorwürfe dominierten Debatte

Der Nationalrat hat am Mittwoch die neuen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus beschlossen. Für die zuvor teils heftig kritisierte Novelle des Epidemiegesetzes und Covid-19-Maßnahmengesetzes stimmten ÖVP, SPÖ und Grüne. Gerade die SPÖ-Zustimmung war für die Koalition wichtig, um ein mögliches Veto durch den Bundesrat zu vermeiden. Die Debatte war von gegenseitigen Vorwürfen begleitet.

Das Coronavirus-Paket stellt etwa klar, wann es zu einem Lockdown kommen kann und wie weit mögliche Ausgangssperren gehen können. Zudem wird die gesetzliche Basis für die CoV-Ampel geschaffen. Den Behörden der Bundesländer wird mehr Macht eingeräumt. Es wird gesetzlich festgelegt, dass sie – etwa im Zuge einer Ampelschaltung – schärfere Regeln als vom Bund vorgesehen einführen können. Künftig werden Coronavirus-Tests auch bei niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten möglich sein.

Das Covid-19-Maßnahmengesetz soll mit 30. Juni 2021 außer Kraft treten, kann jedoch durch eine Verordnung der Bundesregierung – „sofern dies aufgrund der epidemiologischen Situation unbedingt erforderlich ist“ – bis maximal 31. Dezember 2021 verlängert werden. Dass die ÖVP-Grünen-Regierung ein Gesetz mit einer Verordnung ändern kann, hatte zuletzt für Aufregung gesorgt. Vor dem Beschluss am Mittwoch wurde ein Detail hinzugefügt: Die Verordnung muss vom Hauptausschuss des Nationalrats genehmigt werden. Die SPÖ reklamierte am Dienstag die Änderung als Erfolg.

Nationalratssitzung
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Alle Abgeordneten des Nationalrats dürfen wieder nebeneinandersitzen – mit Plexiglasscheiben dazwischen

Das bedeutet aber, dass bei einer Verlängerung des Gesetzes mit einer Verordnung der Bundesrat nicht mehr befasst wird. Das wäre nur der Fall, wenn der Nationalrat selbst die Verlängerung beschließt, könnte aber auch dazu führen, dass es zu einem Veto des Bundesrats kommt und der Beschluss somit aufgeschoben wird. Derzeit halten SPÖ und FPÖ die Mehrheit in der Länderkammer. Die FPÖ bezeichnete die SPÖ als „Komplizin“ der ÖVP-Grünen-Regierung, und NEOS sprach davon, dass das Parlament „nur noch ein verlängerter Arm“ der Regierung sei.

Schlagabtausch mit Anschober

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) – aus seinem Ressort stammt der Gesetzesentwurf – sagte, dass er eine „lebhafte Debatte“ zwar begrüße, aber die Mehrheit in der Bevölkerung würde sich nun „einen Grundkonsens der Parteien“ erwarten. „Wir leben in keiner herkömmlichen Situation“, so der Minister. Die Änderung des Gesetzes sei eine „Verbesserung, ich glaube, dass die Novelle absolut gelungen ist“. Der Ressortchef bedankte sich für Tausende Stellungnahmen, die über die Begutachtung eingetroffen sind. In Richtung NEOS sagte er, dass die „substanziellen“ Hinweise eingearbeitet wurden. Er verstehe nun aber die Kritik am Entwurf im Plenum nicht. „Vielleicht ist es dem Wien-Wahlkampf geschuldet“, sagte Anschober.

NEOS-Klubvize Nikolaus Scherak wandte sich an den Ressortchef und betonte, dass es nicht um die Wien-Wahl gehe, sondern um den Parlamentarismus und die Verfassung. Zwischen den beiden kam es zu einem verbalen Schlagabtausch – auch schon zuvor zwischen FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl und Anschober. Dass der Hauptausschuss bei Verordnungen hinzugezogen wird, ist für Scherak sinnvoll. Aber: „Wer wird Ihnen (Anschober, Anm.) im Hauptausschuss die Stirn bieten? Die Grünen?“, fragte der NEOS-Abgeordnete. „Es gab in diesem Land noch nie so viele Kompetenzen für einen Minister“, kritisierte Scherak.

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried sah in der Verordnungsermächtigung für die Regierung kein Problem und verwies auf Verfassungsjuristen. Es sei nicht verfassungswidrig, so Leichtfried. Zuvor hatten schon die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner die Änderung des Covid-19-Maßnahmengesetzes als „grundvernünftig“ bezeichnet. Das alte Gesetz, das im Frühjahr von allen Fraktionen gemeinsam beschlossen wurde, sei „schlecht“. Die Novelle, die in Begutachtung war, sei nun verbessert worden. „Das Gesetz wurde zeitlich befristet, und das Parlament ist wesentlich besser eingebunden“, sagte Rendi-Wagner, für die das Gesetz verfassungskonform ist.

Gegenseitige Vorwürfe

Für Maurer sind die Maßnahmen und die gesetzlichen Änderungen notwendig. „Alle Klubs kooperieren hier – bis auf die Freiheitlichen“, so die grüne Klubchefin. Kickl hatte die Regierung heftig kritisiert. Die Bevölkerung werde in „Geiselhaft“ gehalten, so der FPÖ-Klubobmann, der ein „multiples Regierungsversagen“ ortete. Maurer richtete Kickl aus, dass die Äußerungen der FPÖ über das Coronavirus nicht nur gefährlich seien. Weil FPÖ-Abgeordnete Schutzmaßnahmen ignorieren, gefährdeten diese alle anderen Abgeordneten im Hohen Haus.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober lobt CoV-Paket

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat das Coronavirus-Paket am Mittwoch im Parlament gelobt. Die Änderung des Maßnahmengesetzes sei nötig, sagte er.

Gegen den Vorwurf, dass die FPÖ eine Sitzung des Gesundheitsausschusses verhinderte, wehrte sich der zuständige Ausschussobmann Gerhard Kaniak (FPÖ). Der Ausschuss sei nicht das Instrument der ÖVP-Grünen-Regierung, die ein Gesetz im Eiltempo beschließen wolle. Wie gefährlich die Pandemie ist, versuchte ÖVP-Mandatarin Gaby Schwarz zu erläutern, indem sie auf einen ihr bekannten 32-jährigen Sportler verwies, der der Krankheit erlegen sei. Auch ihren Klubkollegen Martin Engelberg, der wieder in den Nationalrat zurückgekehrt ist, habe es schwer erwischt gehabt.

NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker blieb in der Wortwahl zurückhaltender als Kickl, die Botschaft war aber nicht weniger deutlich. Er sprach von einem „Gesetz fürs Zusperren, Absperren und Wegschreiben“. Keiner schreibe ein Gesetz, das Ausgangssperren regle, wenn er nicht Ausgangssperren plane. Besonders sauer stieß Loacker auf, dass Anschober zu viel Macht in die Hand gegeben werde – das jenem Ressortchef, der bewiesen habe, keine Verordnung auf die Reihe zu bekommen. Ins Eck der Coronavirus-Leugner wollte sich Loacker dann doch nicht schieben lassen. Covid-19 beschrieb er durchaus als Risiko, allerdings als eines, das gut bewältigbar geworden sei.

Bundesratssondersitzung am Freitag

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher nannte den Entwurf ebenfalls verfassungskonform. Er übte nicht nur Kritik an NEOS, dessen Attacken er nicht ganz nachvollziehen könne, sondern auch an der Regierung. Wegen „Eitelkeiten“ liege der ganze Fokus nur auf Umfragewerten. In dieser Situation sei das allerdings nicht angebracht.

Andreas Mayer-Bohusch (ORF) über die neuen CoV-Gesetze

Innenpolitik-Experte Andreas Mayer-Bohusch (ORF) spricht über die neuen Coronavirus-Gesetze und die Erwartungen zum Umgang mit der Pandemie.

Nach dem Beschluss im Nationalrat passiert das Gesetz den Bundesrat. Dieser tritt schon am Freitag zu einer Sondersitzung zusammen. Anlass dafür war ein entsprechendes Verlangen von ÖVP und Grünen, die damit sicherstellen wollen, dass die Beschlüsse am 1. Oktober in Kraft treten können. Auch die Verlängerung der Sonderbetreuungszeit bis Ende Februar, die Aufstockung des Familienhärtefonds und die Verdoppelung der Mittel für die Covid-19-Investitionsprämie auf zwei Milliarden Euro stehen auf der Tagesordnung.

Die SPÖ kündigte schon im Vorfeld an, ihren Mitgliedern im Bundesrat zu empfehlen, den Gesetzen zuzustimmen. Damit kann das CoV-Paket ohne Verzögerungen in Kraft treten. Die Freiheitlichen hingegen werden wohl dagegen votieren – was allerdings am Ende keine Auswirkung auf das Inkrafttreten haben wird.

Ausgangssperren und Strafen

Im neuen Regelwerk ist zudem festgehalten, dass ein möglicher Lockdown die Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrats benötigt. Die Dauer kann zunächst maximal zehn Tage betragen, eine Verlängerung ist möglich. Ferner wird geregelt, was für Ausgangssperren möglich sind. In Abstimmung mit dem Hauptausschuss des Nationalrats könnte der Gesundheitsminister verfügen, „dass das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zwecken zulässig ist“.

Dazu sind Ausnahmen aufgezählt: Abwendung einer unmittelbaren Gefahr, Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen, Deckung der notwendigen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, berufliche Zwecke und Aufenthalt im Freien zur „körperlichen und psychischen Erholung“. Auch Treffen etwa mit nicht mehr im gleichen Haushalt lebenden Geschwistern oder besten Freunden sollen möglich sein.

Definiert werden Betretungsverbote, die de facto überall außer in privaten Wohnräumen verhängt werden können. Sehr wohl sollen aber Einschränkungen in privaten Räumlichkeiten möglich sein, die nicht für Wohnzwecke angemietet wurden. Das rechtswidrige Betreten von Betriebsstätten, Arbeitsorten, Verkehrsmitteln oder eines sonstigen Ortes kann mit bis zu 1.450 Euro geahndet werden. Inhabern von Betriebsstätten und Arbeitsorten sowie Betreibern von Verkehrsmitteln drohen Strafen bis zu 30.000 Euro.