V.l.n.r.: WKÖ-Präsident Harald Mahrer, Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP)
APA/Herbert Neubauer
Wintertourismus

Apres-Ski nur mit fixen Sitzplätzen

Wintertourismus wird heuer möglich sein, aber unter anderen Voraussetzungen. Abstand halten, Mund-Nasen-Schutz im Seilbahnbereich und der Gastronomie und fixe Sitzplätze beim Apres-Ski: Das sind die wichtigsten Aspekte des Konzepts für einen coronaviruskonformen Wintertourismus, das am Donnerstag von Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) vorgestellt wurde.

„Skivergnügen ja, aber ohne Apres-Ski“, stellte auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) klar. Enges Beisammenstehen, gemeinsames Trinken im Stehen und Tanzen nach dem Skifahren werde es in dieser Wintersaison nicht geben, ist sich die Regierung einig. Auch im Freien müsse Essen und Trinken im Sitzen konsumiert werden, so Köstinger.

Höchstzahlen für geschlossene Gondeln gibt es nicht. Es gilt nur die Maskenpflicht. In Skischulen wird empfohlen, dass die Gruppengröße bei maximal zehn Personen liegt und dass Gruppen nicht durchmischt werden. Zudem sollen die bereits jetzt für Tourismus- und Gastronomiemitarbeiter möglichen CoV-Tests auf Skilehrer, Reisebegleiter und Fremdenführer ausgeweitet werden.

Wintersportgäste in Obertauern
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Apres-Ski wird es in der kommenden Wintersaison nur mit fixen Sitzplätzen geben

Stichprobenkontrollen angekündigt

Köstinger zeigte sich zuversichtlich, dass die Regeln umsetzbar seien. Die Seilbahnbetreiber hätten im Sommer zu diesen Maßnahmen bereits Erfahrungen sammeln können, so die Ministerin. Und der Mund-Nasen-Schutz in Seilbahnen sei ähnlich wie in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dennoch kündigte Anschober verstärkte Stichprobenkontrollen an. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) begrüßt die verschärften Regeln beim Apres-Ski: „Drei Prozent (Anteil des Apres-Ski, Anm.) dürfen nicht 97 Prozent gefährden.“

Die Nachwehen des großen Clusters im Tiroler Skiort Ischgl und die daraus folgenden Konsequenzen werden noch immer aufgearbeitet. Erst am Mittwoch wurden die ersten Amtshaftungsklagen eingebracht – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Bei der Pressekonferenz am Donnerstag bedauerte Platter, dass sich so viele Menschen beim Apres-Ski in Ischgl angesteckt hatten: „Es tut mir leid, sehr leid“, antwortete er auf die Frage einer deutschen Journalistin, warum ihm eine Entschuldigung in diesem Zusammenhang so schwerfalle. Er verteidigte Tirol aber auch und betonte, dass das Virus nicht in Ischgl entstanden sei, sondern von außen nach Österreich getragen wurde: „Bei einer Pandemie kann nicht eine Person die Schuld auf sich nehmen“ – mehr dazu in tirol.ORF.at.

„Angst vor schwarzen Schafen“

Kontrollen in Winterskigebieten seien nicht einfach, denn „da muss man dann jemanden rauf auf den Berg schicken, in die Skihütten“, sagte WIFO-Tourismusexperte Oliver Fritz. Aber die „Angst vor schwarzen Schafen“ sei groß, so Fritz. Das könne für einen Ort schlimm enden. Stichprobenartige Kontrollen seien notwendig und auch eine Investition in vertrauensbildende Maßnahmen.

Inoffizielle Erwartungen und Hoffnungen, den Einbruch des Wintertourismus auf weniger als 20 Prozent zu beschränken, hält Fritz für ambitioniert. Selbst bei dieser Zahl würde man um drei, vier Jahre zurückfallen. Er befürchtet, dass es einige Tourismusbetriebe mit der jetzigen Saison nicht mehr schaffen werden.

Internationale Abstimmung läuft

Anschober hatte zudem angekündigt, das Wintertourismuskonzept eng mit anderen Ländern abzustimmen. Das sei sowohl auf Ebene der Tourismus- als auch der Gesundheitsminister ein noch andauernder Prozess, so Anschober. Es habe aber bereits im August mit Kollegen aus Frankreich, der Schweiz und Italien den Grundkonsens gegeben, dass es darum gehe, Abstand zu halten, Mund-Nasen-Schutz zu tragen und „Risikobereiche gut und konsequent zu entschärfen“, so Anschober.

Die Regierung kündigte zudem an, dass auch Advent- und Christkindlmärkte mit einem entsprechenden Präventions- und Hygienekonzept stattfinden könnten. Denn Wintertourismus sei mehr als Wintersport, so Köstinger. Dem schloss sich Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer an. Und da sei es entscheidend, auch Gäste aus dem Ausland nach Österreich zu holen. Denn von 59 Millionen Nächtigungen in der vergangenen Wintersaison seien mehr als drei Viertel der Gäste aus dem Ausland gekommen, so Mahrer.

Probleme durch Reisewarnungen

Einige Tourismusgebiete arbeiten seit Wochen an einem Konzept für die Wintersaison in Coronavirus-Zeiten. Einfach sind die Voraussetzungen nicht. Für Vorarlberg gibt es eine Reisewarnung aus Deutschland und Belgien. Belgien warnt auch vor Reisen nach Tirol. „Jede Reisewarnung“ schmerze, so Platter. Denn in Tirol seien zahlreiche Arbeitsplätze vom Tourismus abhängig – mehr dazu in tirol.ORF.at. Mit Blick auf die Wintersaison wurde bereits Anfang der Woche in den tourismusstarken Bundesländern wie Salzburg, Vorarlberg und Tirol beschlossen, die Sperrstunde in der Gastronomie auf 22.00 Uhr vorzuverlegen.

Wintersportler in Flachau
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Abstand halten lautet bei der kommenden Wintersaison die Devise

Kurz appellierte an die Bevölkerung, an der Reduktion der Infektionszahlen mitzuarbeiten: „Hohe Infektionszahlen führen zu Einschränkungen, Reisewarnungen, niedrigem Konsum und im schlimmsten Fall führen sie zu einem Lockdown, und all das gefährdet Arbeitsplätze.“ Der Tourismus erwirtschafte in Österreich 15 Prozent des BIP, Hunderttausende Arbeitsplätze hingen daran. Der Tourismus sei „Teil der österreichischen Identität“, so Kurz. Ziel sei, einen sicheren Wintertourismus zu ermöglichen.

„Bedrohliche Situation“

Dafür müsse man auch daran arbeiten, dass die Reisewarnungen wieder aufgehoben werden können, ergänzte Köstinger. Insbesondere die deutsche Reisewarnung für Wien habe hier zu einem dramatischen Rückgang geführt: „Das ist eine bedrohliche Situation.“

Auch Susanne Kraus-Winkler, Obfrau des Fachverbands Hotellerie der WKÖ, beobachtet angesichts der steigenden Infektionszahlen und der Reisewarnungen eine Stornowelle. Im September seien die Stadthotels noch zu etwa einem Viertel ausgelastet gewesen, „sie sind in zwei Wellen jetzt innerhalb von wenigen Tagen auf einstellige Auslastungszahlen hinuntergerutscht“, so Kraus-Winkler am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal. Es gebe keine Buchungsnachfrage mehr, und auch in den Skigebieten gebe es Stornierungen und einen Rückgang der Nachfrage.

„Dramatische Zahlen“

NEOS-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn warnte am Donnerstag angesichts der zunehmenden Reisewarnungen vor den Folgen für die Tourismusbetriebe: „Das sind dramatische Zahlen, die auf uns zukommen.“ Er vermisste eine Gegenstrategie der Regierung: „Das hat man verschlafen wie alles andere.“

Vor allem die Vorarlberger Betriebe sähen sich nun einer Lage wie vor dem Lockdown im März gegenüber. Das gelte auch für seine eigenen Salzburger Unternehmen, sei der Mittwoch hier doch der erste Tag seit Ende März ohne eine einzige Buchungsanfrage gewesen. Die Prognose sei deshalb eindeutig: „Dem Wintertourismus wird es so ergehen wie jetzt schon dem Städtetourismus.“

Auch SPÖ-Kollege Thomas Drozda kritisierte in diesem Zusammenhang die Bundesregierung, hätte diese doch über den gesamten Sommer über Zeit gehabt, sich auf die Lage vorzubereiten: „Aber da wurde herumgewurschtelt und herumgebastelt.“ Die FPÖ hält das Konzept der Regierung zum Wintertourismus für nebulos. „Diese Ankündigungen sind weder Fisch noch Fleisch und sind ‚No na net‘-Maßnahmen“, kritisierte der freiheitliche Tourismussprecher Gerald Hauser in einer Aussendung.

„Neue, kreative Konzepte“ gefordert

Auch der Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter hätte sich mehr erwartet: „Apres-Ski im Sitzen kann nicht der einzige Schritt sein.“ Es brauche „neue, kreative Konzepte“ für die Freizeitgestaltung im Wintertourismus abseits der Skipisten. Es werde schwierig, den geforderten Abstand einzuhalten: „Bei lauter Musik und Alkohol weiß man, dass sich der Mindestabstand in Luft auflöst.“ Hutter hält eine Diskussion über die Ausgabe von Alkohol in Bars und Apres-Ski-Lokalen, Zugangsbeschränkungen und reduzierte Öffnungszeiten für überfällig.

Regionen arbeiten an Sicherheitskonzepten

Vorarlberg kündigte bereits vor wenigen Tagen eine einheitliche landesweite Sicherheitsstrategie unabhängig von der CoV-Ampelschaltung an. Einer der wesentlichen Aspekte dabei sei, dass der Weg des Gastes genau nachvollzogen werden könne, sagte der Vorarlberger ÖVP-Landesrat Christian Gantner – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Auch der Tourismusverband Paznaun-Ischgl will „weit über die behördlichen Maßnahmen hinausgehen“. Wie er schon Ende August ankündigte, soll es eine Gäste-Screeningstation und Abwassermonitoring geben. Tourismusmitarbeiter sollen noch vor Saisonstart getestet werden. Auch den Gästen wurde empfohlen, bereits beim Check-in in den Hotels ein negatives Testergebnis, das nicht älter als 72 Stunden ist, vorzuweisen. Es bestehe für Gäste auch die Möglichkeit, diese Testung freiwillig an Ort und Stelle durchführen zu lassen. Auch vom exzessiven Apres-Ski will man sich hier für die kommende Saison verabschieden.

Richtigstellung

ORF.at hatte an dieser Stelle behauptet, das Pitztal sei in der vergangenen Wintersaison ein CoV-Hotspot gewesen. Das ist falsch, der Verweis wurde daher umgehend gelöscht.

Auch der Pitztaler Gletscher, der bereits seit Samstag wieder einen offenen Skibetrieb hat, will in der künftigen Saison keine größeren Events durchführen. Ein eigenes Besucherlenk- und -leitsystem soll die Abstände auch beim Anstellen garantieren.

Salzburg: „Infektionslage zu Saisonstart zentral“

Für das Salzburger Skigebiet Schmittenhöhe kommen die Maßnahmen nicht überraschend. „Die Regelungen für die Seilbahn entsprechen der jüngsten Verordnung, die in der Gastronomie waren in diese Richtung erwartbar“, sagte Vorstand Erich Egger. Auch die Lösung für die Skischulen habe sich in den vergangenen Wochen bereits abgezeichnet. „Wir gedenken, den Winter so zu fahren, wie wir es bereits den ganzen Sommer über gemacht haben“, erklärte Egger – ohne Kapazitätsbeschränkung, aber mit Abstandsregelungen und Verpflichtung zu Mund-Nasen-Schutz wie in den „Öffis“.

„Wo der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, darf er kurzfristig unterschritten werden. Wichtig ist, dass die Gondeln schnell fahren und die Kabinen gut durchlüftet und regelmäßig desinfiziert werden.“ Der Wegfall des Apres-Ski sei heuer wohl nicht das große Problem. „Ja, es gibt Gästegruppen, welche die Erwartungshaltung haben zu feiern. Das wird heuer nicht stattfinden. Aber ich denke, das wird nicht sehr viele abschrecken.“

„Wintersporttauglicher“ Mund-Nasen-Schutz

Im Kärntner Skigebiet Nassfeld will man zum Sicherheitskonzept auch noch einen „wintersporttauglichen“ Mund-Nasen-Schutz anbieten: An Liftkassen, in den Sportgeschäften, beim Skiverleih, bei den Skischulen, in Tourismusbüros sowie in einigen Beherbergungsbetrieben gibt es gebrandete Multifunktionstücher und Schlauchschals zu kaufen.

„Alles machbar“ lautete auch die Reaktion in steirischen Skigebieten in Bezug auf die vorgestellten Maßnahmen. Diese würden sich mit den eigenen Plänen decken, sagte etwa Georg Bliem von den Planaibahnen in Schladming: „Es ist praktikabel, aber schon mit hohem organisatorischem Aufwand verbunden.“ Auch hier setzt man auf eigenen Mund-Nasen-Schutz. Gäste, die eine Liftkarte kaufen, sollen ein Bandana-Tuch dazubekommen.

Seilbahn-Obmann begrüßt Regierungskonzept

Die Seilbahnbranche ist mit dem heute vorgestellten Wintertourismuskonzept der Regierung zufrieden. „Vor allem die Klarstellung, dass die Seilbahnen unverändert unter denselben Voraussetzungen wie öffentliche Verkehrsmittel betrieben werden können, ist für die Branche essenziell und zudem auch inhaltlich richtig“, so Franz Hörl, WKÖ-Obmann des Fachverbandes der Seilbahnen, laut einer Aussendung.

Laut Hörl fände ein Großteil der Seilbahnfahrten – nämlich solche in Schlepp- und Sesselliften – ohnehin an der frischen Luft statt. Dass diese Saison ohne Apres-Ski verlaufen wird, unterstützt Hörl. „Nur eine in allen Bereichen sichere Saison kann unserem Wirtschaftsstandort helfen und zugleich die Gesundheit der Gäste aus dem In- und Ausland schützen“, so der Branchenobmann.