Laschet plädierte im „Handelsblatt“ (Freitag-Ausgabe) für eine neue Art der Risikobewertung in der Pandemie. Er hatte im Frühling einen Expertenrat einberufen, der sich nun für eine differenziertere Sichtweise und ein Ampelsystem aussprach. Als Beispiel für ein Frühwarnsystem führe der Expertenrat die österreichische Ampel an, berichtete das „Handelsblatt“.
Dem Bericht zufolge gibt es auch im deutschen Innenministerium Überlegungen, eine Ampel zur Risikobewertung in der Pandemie einzuführen. Im Kanzleramt in Berlin hält man dagegen die 50er-Regel für ausreichend, also Einschränkungen, wenn in einer größeren zusammenhängenden Region binnen sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner auftreten.
„Nicht nur auf Infektionszahlen schauen“
In seiner aktuellen Stellungnahme erachtet der Rat einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen in Deutschland als „wahrscheinlich“. Zuletzt hatte es in dem 83 Millionen Einwohner zählenden Land zum vierten Mal innerhalb eines Monats mehr als 2.000 Neuinfektionen an einem Tag gegeben. Diese Zahl bleibe ein wichtiger Gradmesser für den Verlauf der Pandemie, die Darstellung der Risiken dürfe sich aber nicht darauf beschränken. Eine größere Rolle müssten auch Indikatoren für die aktuelle Belastung des Gesundheitssystems spielen.
„Mit Corona leben lernen bedeutet in erster Linie, alle Entwicklungen genau im Blick zu haben. Dabei dürfen wir nicht nur auf die reinen Infektionszahlen schauen“, sagte auch Laschet. Er forderte, die Kapazität der Krankenhäuser und die Zahl der intensivmedizinisch behandelten und beatmeten Covid-19-Patienten stärker in die Lagebewertung einfließen zu lassen. Gleiches gelte für den Anteil zurückverfolgbarer Infektionen, die Anzahl der Tests und den Anteil positiver Testergebnisse. „Wir brauchen für ganz Deutschland ein standardisiertes Corona-Monitoring, das die Pandemieentwicklung kommunenscharf abbildet“, sagte Laschet.
Warnung vor Auslandsreisen
Wien und schließlich auch Vorarlberg sind in den vergangenen Tagen auf Deutschlands rote Liste geraten. Am Freitag mahnte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Deutschen generell zur Zurückhaltung bei Auslandsreisen in den Herbst- und Winterferien. „Wir haben jetzt zweimal erlebt – Stichwort Ischgl, Winterurlaub und im Sommer –-, dass durch Reiserückkehr auch in Infektionen stärker wieder nach Deutschland reingebracht werden.“ Daraus sollte man für Herbst- und Winterurlaub lernen.
In Österreich hatte die Ampelkommission Donnerstagnachmittag zehn weitere Bezirke auf Orange gestellt, weil sie dort ein hohes Infektionsrisiko sieht. Generell hat die Ampel mehr oder weniger nur symbolischen bzw. empfehlenden Charakter – vielfach sind die in Kraft getreten Maßnahmen ohnehin schärfer als die mit den Ampelfarben verbundenen Empfehlungen.
Kritische Stimmen mehren sich somit: Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) etwa sprach sich dafür aus, die Ampel zu überarbeiten. „Aufgrund der allgemein steigenden Infektionszahlen müssen Maßnahmen wie die Maskenpflicht ohnehin bundesweit umgesetzt werden. Daher plädiere ich jetzt für eine Ampelpause“, sagte er den „Oberösterreichischen Nachrichten“.
Anschober sieht „hervorragende“ Risikoanalyse
„Ich bin mir absolut sicher, die Ampel wird noch extrem wichtig werden für uns“, sagte dagegen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Freitag. Die Risikoanalyse funktioniere „hervorragend“. Es gebe auch „viele internationale Anfragen“ zu dem österreichischen Modell. Bei den Umsetzungsmaßnahmen sei anfangs die Bundesregierung aktiv gewesen, nun aber seien regionale Ergänzungen und Erweiterungen möglich.
Vorarlberg habe bereits Veranstaltungsgrößen reduziert und Innsbruck eine eigene Screening-Straße eingerichtet. Zudem hob Anschober „viele Maßnahmen, um Risikogruppen in gelben und orange Gebieten zu schützen“, hervor, wie die Screenings in Alters- und Pflegeheimen. Die am Freitag vom Land Niederösterreich verkündeten Maßnahmenverschärfungen seien „genau das, was wir uns jetzt erwarten“, dass nämlich die Länder Mitverantwortung übernähmen, sagte Anschober – mehr dazu in noe.ORF.at.