Gesundheitsminister Anschober, Vizekanzler Kogler (Grüne), Bundeskanzler Kurz, Innenminister Nehammer und Salzburgs Landeshauptmann Haslauer (ÖVP)
APA/Herbert Neubauer
Coronavirus

Kurz fordert von Wien weitere Schritte

Mit den neuen CoV-Gesetzen können Länder selbst Maßnahmen ergreifen. Zu dem Thema beriet am Freitag die Regierungsspitze mit den Landeshauptleuten. Die Sorge über Wien war dabei die offensichtlich einigende Klammer. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) forderte im Anschluss an das Treffen vor allem Wien auf, weitere Einschränkungen vorzunehmen.

Kurz erinnerte bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen im Bundeskanzleramt daran, dass Kärnten eine Siebentageinzidenz von 14 Coronavirus-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner habe, Wien dagegen eine fast zehnmal höhere. Auch in Relation zu Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg, die wie Wien schon mit Reisewarnungen konfrontiert seien, sei die Marke in der Bundeshauptstadt noch rund doppelt so hoch. Diese Länder hätten mit vorgezogenen Sperrstunden bzw. mit Gästelisten in der Gastronomie bereits darauf reagiert.

Dass auch in Wien eine Registrierungspflicht in der Gastronomie vorgesehen ist, ist Kurz aber offenkundig nicht genug. Er hoffe, dass es in Wien zu weiteren Schritten, „die notwendig sind“, komme. „Es geht nicht nur darum, unsere Gesundheit zu schützen, sondern auch darum, nicht als Risikogebiet eingestuft zu werden“, so der Kanzler. Eine Siebentageinzidenz von 50 gelte dafür international als Richtwert.

Vergleich mit München

Es stehe den Ländern frei, welche Maßnahmen sie ergreifen, „wichtig ist das Ergebnis“, sagte Kurz und erinnerte bezüglich Wien an vergleichbare Städte wie München, die schon bei weit geringeren Inzidenzzahlen nachgebessert hätten. Bei Niederösterreich lobte er das am Freitag präsentierte Maßnahmenbündel.

Pressestatements nach dem Treffen

Keine konkreten Ergebnisse hat ein rund dreistündiges Treffen zwischen Bundesregierung und Ländervertretern gebracht.

Einen Dissens mit der dortigen Landeshauptfrau, seiner Parteikollegin Johanna Mikl-Leitner, stellte Kurz in Abrede. Es sei seine Aufgabe, wenn notwendig in den Ländern Druck zu machen, egal welche Parteifarbe dort vorherrsche. So lobte er die Situation im SPÖ-regierten Kärnten unter Peter Kaiser mit den österreichweit niedrigsten Infektionswerten als „exzellent“.

Hacker: Kein „Honeymoon“

Wiens Gesundheitsstadt Peter Hacker (SPÖ) sagte beim Verlassen des Bund-Länder-Treffens trocken, dass man zwei Wochen vor der Wien-Wahl nicht erwarten könne, „dass das da drinnen ein Honeymoon war“. Auch Hackers Büro sah sich benachteiligt und wies noch während der Pressekonferenz schriftlich darauf hin, dass nicht Wien die höchste Infektionsinzidenz habe, sondern Innsbruck.

Kogler nimmt Länder in die Pflicht

Vizekanzler Werner Kogler sagte, dass mit der jetzt in Kraft tretenden Regionalisierung mehr Regionalisierung möglich sei. Sie sei auch sinnvoll und notwendig. „Mehr Möglichkeiten heißt aber auch mehr Verantwortung“, so Kogler. An diese appelliere er.

Ihm sei die Geschwindigkeitsfrage wichtig. Ziel sei es, dass es vom Beschreiben der Symptome über die Testung bis zur Ausstellung eines Bescheids nicht länger als 48 Stunden dauern solle. Weitere 24 Stunden sollte das Kontaktpersonenmanagement des inneren Umfelds der infizierten Person dauern. Die Länder möchten doch das Angebot des Bundes, auch das Heer und die Polizei beim Contact-Tracing einzusetzen, annehmen.

Haslauer fürchtet deutsche Reisewarnung

Auch der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, Salzburgs Landeshauptmann Winfried Haslauer (ÖVP), sagte, schnelles Handeln sei möglich, wenn man sich personell entsprechend aufstelle. Verzögerungspotenzial gebe es beim Transport der Tests insbesondere bei Flächenbundesländern. Ihm sei nicht egal, was in anderen Bundesländern passiere, so Haslauer. Denn er fürchte, dass es zu einer bundesweiten Reisewarnung komme. Würde das seitens Deutschlands passieren, wäre das für sein Bundesland „eine Katastrophe“.

Mit Blick auf bestehende Reisewarnungen, „die wir wegbringen müssen“, bat Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) um „Verständnis dafür, dass wir mit einer gewissen Klarheit und Härte vorgehen müssen“. Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) kann sich indes eine österreichweite Vorverlegung der Sperrstunde auf 23.00 Uhr vorstellen – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at. Einen Alleingang der Steiermark in diese Richtung sieht Schützenhöfer aber nicht – mehr dazu in steiermark.ORF.at

Gesundheitsminister Anschober (Grüne), Salzburgs Landeshauptmann Haslauer (ÖVP), Bundeskanzler Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Kogler (Grüne)
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Die Regierungsspitze äußerte nach dem Bund-Länder-Treffen ihre Sorge über Wien

Anschober: Handlungsmöglichkeiten nutzen

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) erinnerte an die stark steigenden Infektionszahlen zwischen 7. und 19. September und sprach von einer „Stabilisierung auf einem zu hohen Niveau“. „Wir müssen Zahlen wieder drücken“, sagte Anschober und verwies darauf, dass in der kalten Jahreszeit die Ansteckungsgefahr „indoor“ größer sei. Es gehe darum, vulnerable Gruppen gut zu schützen, Testungen und Kontaktpersonenmanagement zu optimieren sowie mit regionalen Zusatzmaßnahmen auf das regionale Ausbreitungsgeschehen punktgenau zu reagieren.

Anschober erinnerte an die nun auch vom Bundesrat beschlossene Novellierung der Coronavirus-Gesetze, die den Ländern ab kommender Woche neue Handlungsmöglichkeiten bringe. „Mein dringender Appell ist, diese neuen Handlungsmöglichkeiten auch wirklich zu nutzen.“ Er erwarte sich, dass sich ab Anfang Oktober die verschärften Maßnahmen in den Zahlen niederschlagen werden.

Nehammer sieht „Luft nach oben“

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte weitere polizeiliche Maßnahmen an. Mit den Landespolizeidirektionen seien weitere Schwerpunktaktionen vereinbart, vor allem im „Problembereich“ Nachtgastronomie. „Es gibt keine Toleranz dafür, wenn Regelungen nicht eingehalten werden“, sagte Nehammer bezüglich Thekenbewirtung und Sperrstunden.

Der Bundeshauptstadt Wien attestierte Nehammer einen Umdenkprozess, die Gefahren würden ernster genommen. Dennoch brauche es gemeinsam weitere Anstrengungen. Die Bundespolizei stehe dafür bereit, und auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) habe Personal angeboten. Es gebe in Wien noch „Luft nach oben“, sagte der Innenminister und ergänzte, dass diese Einschätzungen nichts mit dem Wahlkampf zu tun hätten.

„Rote“ Landeshauptleute nicht persönlich dabei

Dass es bei dem Zusammentreffen zu keiner großen Einigung kommen würde, war schon im Vorfeld absehbar, war doch keiner der drei „roten“ Landeshauptleute persönlich im Kanzleramt erschienen. So ließ sich etwa Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) von Gesundheitsstadtrat Hacker vertreten. Auch Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil (SPÖ) kam nicht.

Die Landeshautleute Johanna Mikl-Leitner ÖVP/NÖ, Markus Wallner (ÖVP/Vorarlberg), Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP)
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Die Landeshauptleute Johanna Mikl-Leitner, Markus Wallner, Innenminister Karl Nehammer und Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (v. l.)

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) nahm per Videokonferenz teil und meldete sich danach via Aussendung zu Wort. Er habe in der Sitzung eine bundeseinheitliche Vorgabe für die Schulen vorgeschlagen, hieß es darin. Bei einem positiven Fall soll demnach nur der betroffene Pflichtschüler in Quarantäne, für alle anderen würde der Unterricht normal weiterlaufen, so die Anregung – mehr dazu in kaernten.ORF.at.

CoV-Gesetze schon kundgemacht

Das am Mittwoch im Nationalrat – von ÖVP, Grünen und SPÖ – beschlossene CoV-Gesetzespaket wurde im Eilverfahren finalisiert. Die für kommende Woche anberaumte Sitzung des Bundesrats wurde auf Freitag vorverlegt. Gleich anschließend erfolgten die Beurkundung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und die Gegenzeichnung von Kanzler Kurz. Damit konnten die Novellierungen des Epidemie-, Tuberkulose und COVID-19-Maßnahmengesetzes noch kurz vor Mitternacht kundgemacht werden.

Somit gelten schon ab Samstag die neuen Regelungen für die CoV-Ampel und die Möglichkeit für die Landesbehörden, regional unterschiedliche Maßnahmen zu ergreifen. Erste Schritte gibt es bereits – mit der Sperrstunde 22.00 Uhr in den westlichen Bundesländern, der Registrierungspflicht in der Gastronomie in Wien und bezirksweisen Verschärfungen bei orange und roter Ampelfarbe in Niederösterreich. Mit dem Gesetzespaket wird auch klargestellt, wann es zum Lockdown kommen kann und wie weit Ausgangssperren gehen können. Außerdem wurde das Parlament eingebunden, wenn zur Bekämpfung von Pandemien Ausgangssperren und Betretungsverbote verhängt werden: Sie müssen ab jetzt vom Hauptausschuss des Nationalrats genehmigt werden und sind zeitlich begrenzt.