Das Kriegsrecht in Aserbaidschan wird mit Mitternacht in Kraft treten. Zudem verhängte die Regierung nächtliche Ausgangssperren in mehreren großen Städten, darunter Baku, sowie in Gebieten entlang der Frontlinie in Bergkarabach. Der bewaffnete Konflikt um die seit Jahrzehnten umstrittene Kaukasusregion war Sonntagfrüh wieder voll entbrannt.
Nach Angaben der proarmenischen Regionalregierung bombardierte die aserbaidschanische Armee Ziele in Bergkarabach, darunter auch die Hauptstadt Stepanakert. Aserbaidschans Verteidigungsministerium erklärte dagegen, die Armee habe eine „Gegenoffensive“ gestartet, um „Armeniens Militäraktivitäten“ in der Region zu stoppen.
Putin: Weitere Eskalation vermeiden
Die EU und Russland riefen zu einem sofortigen Ende der Kampfhandlungen auf, die Türkei bekundete ihre volle Unterstützung für Aserbaidschan. Der russische Staatschef Wladimir Putin erklärte, eine weitere Eskalation des Konfliktes müsse vermieden werden. Nach Angaben des Kremls telefonierte Putin mit dem armenischen Regierungschef Nikol Paschinjan. „Wesentlich ist, dass die Kampfhandlungen beendet werden müssen“, sagte Putin.
Gefechte in der Konfliktregion Bergkarabach
In der Konfliktregion Bergkarabach im Südkaukasus ist es zwischen den verfeindeten Ländern Aserbaidschan und Armenien nach Angaben beider Seiten zu schweren Gefechten gekommen.
Zuvor hatte Paschinjan seinerseits das Kriegsrecht in seinem Land verhängt und die Generalmobilmachung angeordnet. Aserbaidschans „autoritäres Regime hat dem armenischen Volk erneut den Krieg erklärt“, sagte er im armenischen Fernsehen. „Wir stehen vor einem umfassenden Krieg im Südkaukasus.“
Erdogan sichert Baku Unterstützung zu
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sicherte Aserbaidschan Unterstützung zugesichert. „Die türkische Nation steht wie eh und je auch heute mit all ihren Möglichkeiten an der Seite ihrer aserbaidschanischen Geschwister“, schrieb Erdogan auf Twitter. Er habe seine Solidarität auch in einem Telefonat mit Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev ausgedrückt. Erdogan warf Armenien vor, eine Bedrohung für die Region darzustellen. Er rufe die ganze Welt dazu auf, an der Seite Aserbaidschans zu stehen, schrieb Erdogan.
Der Iran bot indes an, als Vermittler zu agieren. Das sagte ein Sprecher des iranischen Außenministeriums. Teheran verfolge die Gefechte im Südkaukasus mit großer Sorge. „Wir rufen beide Seiten auf, Zurückhaltung zu üben, den Konflikt umgehend zu beenden und die Verhandlungen wieder aufzunehmen“, fügte er hinzu. Teheran pflegt zu beiden Staaten gute diplomatische Beziehungen und hat im Konflikt um Bergkarabach schon in der Vergangenheit vermittelt.
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres sagte, er sei „extrem besorgt“ wegen der Lage in Bergkarabach. Guterres verurteilte den Einsatz von Gewalt und fordere alle Beteiligten zu einem sofortigen Ende der Kämpfe und der unverzüglichen Rückkehr zu Verhandlungen auf.
Auch Zivilisten getötet
Nach Angaben der proarmenischen Stellen in der Kaukasusregion wurden am Sonntag 16 ihrer Kämpfer getötet. Mehr als hundert weitere „Dienstleute“ seien bei den Kämpfen verletzt worden, hieß es weiter. Die offiziellen Stellen in den Hauptstädten Eriwan und Baku hatten zuvor ebenso wie das Rote Kreuz auch von zivilen Todesopfern berichtet.
Die ehemaligen Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan befinden sich seit fast 30 Jahren im Konflikt um Bergkarabach. Die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region war zu Sowjetzeiten Aserbaidschan zugeschlagen worden. Proarmenische Rebellen brachten das Gebiet nach Kämpfen mit rund 30.000 Todesopfern Anfang der 90er Jahre unter ihre Kontrolle.
1991 rief Bergkarabach seine Unabhängigkeit aus; international wird das Gebiet jedoch bis heute nicht als eigenständiger Staat, sondern als Teil Aserbaidschans angesehen. Die Regierung in Baku will die Region wieder vollständig unter ihre Kontrolle bringen, notfalls mit Gewalt.