Da Beethoven mehr als ein reiner Tonsetzer war, sondern ein Universalkünstler, verknüpft mit den verschiedensten Sparten seiner Zeit, bot sich der vielgesichtige Zugang durchaus an. Dass es im KHM keine dezidierte Beethoven-Forschung gebe, habe einen sehr freien Ansatz ermöglicht, unterstrich Kurator Andreas Kogler bei der Präsentation der Ausstellung: „Das war ein Schlaraffenland des kuratorischen Zugangs.“
Entsprechend frei zeigt sich das Ergebnis, das eher eine Parabel auf Beethoven, eine symbolische Materialisierung seines Seins und seines Werks denn eine chronologische Personale ist. Zwar finden sich dank des Kooperationspartners, des Archivs der Gesellschaft der Musikfreunde, auch kostbare Autografen wie jene zur 5. Symphonie und ein Hörrohr aus Beethovens Besitz in der Schau. So wird die Aura des Genies heraufbeschworen, aber eher en passant und nicht als Fokus.
„Verschriftlichung“ von Musik
Die Ausstellung ist durch mächtige Einbauten in den alterwürdigen Räumen des Hauses gekennzeichnet. Wie einzelne Sätze einer Symphonie sind diese Themenareale scheinbar unverbunden und doch in der Gesamtschau aufeinander bezogen. Im ersten, beinahe sakral sich nach oben öffnenden Raum hängt bei Rebecca Horns „Concert for Anarchy“ ein lädierter Flügel von der Decke, während Jorinde Voigt die 32 Klaviersonaten Beethovens in 32 Zeichnungen verewigt hat, die sich an den Wänden finden.
Es ist der Versuch einer grafischen Umsetzung der Musikstücke – eine „Verschriftlichung“, wie es die Künstlerin selbst nennt. Idris Khan hat hingegen bei „Struggling to hear“ die Noten aller Sonaten übereinandergelegt, was einen alles andere als filigranen Block entstehen lässt.
Ausstellungshinweis
„Beethoven bewegt“, Kunsthistorisches Museum Wien, bis 24. Jänner 2021, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, donnerstags 10.00 bis 21.00 Uhr
Aufbruch mit Turner und Goya
In diesem symbolistischen Duktus geht es weiter, wenn der ausgelegte Fußboden aus Beethovens letzter Wohnung neben dem in die Wand gefrästen Heiligenstädter Testament steht und Jan Cossiers barocker „Prometheus“ aus dem Prado zu sehen ist, über dem Beethovens „Prometheus“-Ouvertüre erklingt. Ohne überinterpretatorische Deutung finden sich die Skizzenbücher von William Turner und die „Caprichos“ von Francisco de Goya unkommentiert als Zeichen des parallelen Aufbruchs im Reigen, während die ebenfalls zu sehenden Seelenlandschaften Caspar David Friedrichs im Verhältnis zu Beethovens Musik seltsam lieblich erscheinen.
Im letzten, vollends ausgeräumten Saal schließlich erweitert man die Reflexion hin zur Performance. Hier zeigt Tino Sehgal mit dem Auftragswerk „This Joy“ sechs Beethoven-Werke, die er für Stimme bearbeitet und dann je für ein Körperteil der Tänzer choreografiert hat. „Ich freue mich wie ein kleines Kind“, so der Choreograf, und zwar darüber, dass die Wände im KHM nicht weiß sind, sondern einen farblichen Rahmen bieten.
Für Haag „etwas Radikales“
„Das ist etwas Radikales für das Kunsthistorische Museum“, strich Generaldirektorin Sabine Haag die Besonderheit der Ausstellung hervor, um dabei zugleich auf den Vater des Gedankens zu verweisen: „Das war der Wunsch des damals designierten Generaldirektors Eike Schmidt, der gemeint hat: ‚Zum 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven muss das Kunsthistorische Museum etwas machen.‘ Ende der Ansage.“
Radiohinweis
Ö1 widmet Beethoven zum 250. Geburtstag einen Jahresschwerpunkt – mehr dazu in oe1.ORF.at.
Den Umstand des hereinbrechenden Herbstes nutzte die Museumschefin dabei, um zum Besuch ihres Hauses zu motivieren: „Es ist jeden Tag Museumswetter.“ Schließlich litten die Museen sehr unter den sich beständig wandelnden Reisewarnungen und Coronavirus-Beschränkungen. „Es ist noch sehr viel Luft nach oben. Wir haben doch drastische Besuchereinbrüche zu verzeichnen“, so Haag, die zugleich versicherte: „Wir sind der Fels in der Brandung. Wir sind immer da.“